Erstellt am: 23. 4. 2015 - 18:55 Uhr
Tyler, the Borderline Genius
Wenn irgendwer die Auszeichnung First World Anarchist verdient, dann Tyler, the Creator. "Cherry Bomb" ist ein chaotisches kreischendes Monster. HipHop, Metall und auch Industrial Momente gibt es auf dem Album zu finden.
Wie sich Tyler gebärdet - das ist für mich eine naheliegende Pose der Verweigerung, die übrig bleibt, nachdem das Stilmittel der Ironie von auf der ideologisch anderen Seite stehenden Organisationen wie TV Networks und Werbeagenturen vereinnahmt wurde. Ironie und Gegenkultur bzw. Protest, eine Kombination, von der die 1980er nur so gestrotzt haben. Zum Beweis braucht man sich nur mal das Dead Kennedys-Cover anschauen und ihren Werken lauschen, das funktioniert heute nicht mehr.

Tyler, the Creator
Pathologie, Weirdotum, Hyperaktivität und Spurenelemente psychoanalytischen Fachwissens machen den Rapper Tyler, the Creator zu einer der spannendsten und auch lustigsten MC-Figuren im Moment.
Anders als auf den Alben "Goblin", wo er diverse Dämonen aus sich herauslockt, und auf "Wolf", wo er sein Ego gleich mehrfach spaltet und die verschiedenen Personas zu Selbst- und Gegen-Analysen antreten lässt, ist Tyler, the Creator auf "Cherry Bomb" ein auf seine Umwelt reagierender Schelm. Ein 24jähriger wacher und verspielter Geist mit der Stimme einer 60jährigen Barfly.
Den Dirty Old Man - oder gerade eben nicht - lässt er auf "Fucking Young/Perfect" raushängen. Er hat sein Herz ernsthaft an eine sechs Jahre jüngere Frau verloren. Bis jetzt haben sie Händchen gehalten, nicht mehr, aber er hört schon ständig die Polizei an seiner Tür klopfen, weil - wie er in der Nummer meint - bei seiner Hautfarbe man schnell zu einer Zahl in einer Kriminalstatistik werde. Und selbst wenn das passiert, Tyler ist selbst noch ein Kind, nicht fähig zu einer Beziehung, und schon sind wir im zweitem Vers der Nummer, wo meine auf Romantik und Beziehungen bezogene Lieblingsreime des Albums zu finden sind. "My dick is longer than my attention span" und So when you mention hang I´m thinking about a tree and a belt.
"Cherry Bomb", der Titeltrack des neuen Tyler, the Creator-Albums, ist ein Industrial Monster, das gegen Ende in süße Soul Hooks kippt, gesungen von der Odd Future-Produzentin Syd the Kid. Das Ganze so distorted, dass es schwer nach übersteuerter Anlage bzw. gefickten Boxen klingt. Am Ende ist noch ein Werbejingle für eine fiktive Radiostation dran.
Klotzen nicht Kleckern, zu diesem Thema sind wohl Kanye West und Lil Wayne recht kompetente Gesprächspartner. Sie tauchen beide auf dem Track "Smuckers" auf, und das von Kanye West gejaulte "why why why they don´t like me" möchte ich mir fast aus der Nummer schneiden und zu meinem neuen Klingelton machen.
Ich habe viel Spaß mit "Cherry Bomb", aber ich habe viel Spaß mit allem, was Tyler, the Creator sagt oder tut. Ich schau mir Interviews mit ihm genauso gerne an, wie ich seine Musik höre. Von Loiter Squad, der Odd Future-Sketch-Serie auf Adult Swim, bin ich hysterischer Fan. Es macht schon Sinn, wenn Tyler in einer Fernsehshow aufzählt, was er alles machen wird, Raumschiffdekor und Küchenutensilien. Es ist egal, was the Creator erschafft, beim ihm ist das Geniale, wie er es tut.