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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

20. 4. 2015 - 13:45

The daily Blumenau. Monday Edition, 20-04-15.

Strache beikommen, Haider beikommen und retour.

#journalismus #machtpolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

1: Strache auf Augenhöhe kriegen

Es ist ein beliebtes Thema, ein nie unaktuell werdendes Planspiel unter Journalisten, und nicht nur dort: Wie Strache beikommen, argumentativ. Wie einem Populisten (und in Abwesenheit eines angewandten Linkspopulismus bleiben hierzulande nur die Rechtspopulisten übrig) seinen Populismus zum Zwecke der Entzauberung zurückspiegeln? Es ist die Fortsetzung des Gesellschaftsspiels "Haider beikommen", das ganze Generationen zur Verzweiflung brachte, weil der Bärentaler als zu schlau und zu gewandt galt, als dass dies machbar wäre. Weshalb es vielleicht nur drei, vier historisch belegte öffentliche Auseinandersetzungen mit dem sonnengleichen Landeshauptmann gab, die als Abtausch auf Augenhöhe durchgehen.

Rechtsnachfolger Strache galt zu Beginn seiner Anführerschaft als Leichtgewicht, erwies sich aber als extrem lernfähig und konnte das gezielte Coaching von Masterminds wie Herbert Kickl zunehmend besser umsetzen. In der Zwischenzeit gilt Strache - Normalform vorausgesetzt - als ebenso nicht konfrontierbar wie Haider vor ihm.

Die gestrige Pressestunde zeigte vor, wie man damit umgehen kann. Die Interviewer Langpaul (ORF) und Toth (Falter) blieben in jeder Situation ruhig, weshalb keine kontraproduktive Hektik aufkam; sie waren gut vorbereitet und wussten welche Fragen sie stellen wollten, verfielen dabei nicht in den Fluch-oder-Segen-Mechanismus der große Teile des heimischen (politischen) Journalismus lähmt, weil er sich mit der Gegenteils-Positionseinnahme begnügt.

Natürlich bietet ein Live-Format wie die Pressestunde keine Gelegenheit wie bei einem Gespräch vorzugehen und - ohne Zeitlimit - dort einzuhaken, wo es hakt. Dazu hätte sich schon im an sich harmlosen Raucher-Einstieg Gelegenheit, als Strache bereits in Minute 2 einen Fehlpass spielte: dass der Staat Gastronomen nichts vorzuschreiben hätte, rein prinzipiell. Ist nämlich ein Blödsinn: soll und muss er sehr wohl, in Gesundheits- und Hygiene-Fragen, durch Kontrollen und Standard-Setzungen, muss er also auch beim Thema Rauchen. Das Versammlungs- oder Vereinsrecht deckt das nicht ab.
Das würde aber einen Co-Trainer brauchen, der mitschreibt, schnellcheckt und Daten parat hat.
Deshalb blieben Toth/Langpaul bei ihrem Matchplan und wiesen Strache auf die (zahlreichen) Ungereimtheiten seiner Argumentationsketten hin, deckten Zweierlei-Maß-Gemesse ebenso auf, zu kurz gedachte Slogans und Logikfehler. Und setzen auch nach: Wenn Strache die Folgen des Passivrauchens verbal als unbewiesenes Märchen abschwächt und kurz darauf beim Thema Cannabis die Wissenschaft herbeizitiert, dann konfrontieren sie diese Doppelstrategie. Zwar leise und ohne rechthaberisches Jetzt-hamma-di!, aber doch deutlich. Dem entkommt Strache dann nur, indem er schnell Unbestreitbares zulässt und in andere Felder ausweicht; und per Körpersprache ertappt wirkt.

Mehr geht sich in einem staatstragenden Umfeld nicht aus - und die Pressestunde, die zwar nicht von Unmassen gesehen, aber von allen direkt oder indirekt zitiert wird, ist ein solches. Das Dranbleiben, Nachhaken, die sofortige Überprüfung des Behaupteten und die Entgegnung, die Vorbereitung von Fragen, die Zwie- und Widersprüche aufdeckt, das Überprüfen von Argumentationsketten, der Wille hinter die Stehsätze zu geraten, ist ein einem solchen Rahmen nicht weitergehend denkbar. In einem anderen, in einem aufgezeichneten Gespräch ohne Limits wäre es das schon.

Ich schätze, dass sich Journalismus, der jenseits der Präsentations-Interviews zum Kern, zur Substanz von Haltungen und Personen durchbohren will, neue Gesprächsformen überlegen muss, in denen genau das stattfindet - es könnte zu einem Ende der populistischen Ansagerei führen, die genau die Vorteile (zeitliche Beengtheit, staatstragende Höflichkeit, keine Einhak- und Dranbleib-Strategie) nützt, um so viele oberflächliche Agenden wie möglich zu setzen.
Das müsste auch ein Ende des "zu diesem aktuellen Thema auch noch einen Satz bitte"-Blödsinns bedeuten.

Dass eine solche Entwicklung von den großen Stars der Branche hintertrieben werden würde (indem sie einfach nicht kommen, so wie viele Regierungspolitiker schon nicht zu den staatstragenden Live-Interviews) versteht sich. Um zu interessanten Gesprächen zu kommen, die diesen Namen ("Gespräch") auch verdienen, sind sie zunächst nicht nötig.

Der Soziologe Armin Nassehi bringt die linken und rechten Narrative hier auf derstandard.at aktuell schön auf den Punkt.

Letztlich geht es für den Journalismus darum, die Narrative der Gesprächspartner zu kennen (und auch auszuleuchten) ehe man sie dem Publikum präsentiert. Ohne diese Lesehilfe bleibt das Gesagte nämlich eh nur Buchstabensuppe.

#fußballjournal15 #verfahrenseinstellung

2: Haider nicht mehr beikommen können

Die ohnehin bereits vertrackte, absurd fehlgelaufene und nicht nur für den österreichischen Fußball so aussagekräftige Geschichte über den Bestechungsversuch, der 2008 an Oliver Glasner von der SV Ried herangetragen wurde, hat mit der Einstellung der Voruntersuchung eine weitere Facette erhalten.

Ermittelt wurde, dass der mittlerweile längst verstorbene Kärnten-Spieler Adam Ledwon 2008 im Auftrag "höchster Stelle" 50.000 Euro auf den Tisch legen wollten, wenn die Ried-Führungsspieler Glasner, Drechsel und Dospel ein Match gegen seine abstiegsgefährdete Mannschaft verschoben hätten. Die Rieder lehnten ab, meldeten den Vorfall intern (eine Melde-Pflicht an die Liga existiere damals nicht), man spielte Remis, was dem Haider-Verein nicht genügt hätte - Kärnten rettete sich aber, weil sich zeitgleich Wacker Innsbruck noch blöder anstellte.

Glasner leakte die Geschichte Jahre später in einem off records-Kamingespräch, was dazu führte, dass sich zunächst Liga und ÖFB für unzuständig erklärten, der Rieder Staatsanwalt aber eine Untersuchung einleitete, in der alle Betroffenen vernommen wurden. Jetzt, da feststeht, dass von Rieder Seite alles korrekt abgelaufen ist, wird eingestellt.

Aus Klagenfurt heißt es, man könne nicht ermitteln, weil sowohl Ledwon als auch Haider bereits verstorben wären. Der damalige Austria Kärnten Präsident Mario Canori und Coach Frenk Schinkels kommen mit der Aussage, alles wäre hinter ihrem Rücken geschehen, davon.
Was wiederum bedeutet, dass die Schuldigen gefunden sind: Jörg Haider, der Gottseibeiuns von Austria Kärnten, beauftragt den Spieler Adam Ledwon, der in fortgeschrittenem Alter von ihm noch einen guten Vertrag bekommen hatte (ihm also in Patenmanier einen Gefallen schuldete) den Klassenerhalt per Gegner-Bestechung zu sichern. Präsident, Coach und Spieler wissen davon nix; war alles Chefsache. Anders ist der Akt der Staatsanwaltschaft nicht interpretierbar.

Dass Ledwon wenige Wochen nach dem Vorfall in seiner Wohnung erhängt aufgefunden wurde, wird privaten Problemen zugeschrieben. Es kursieren keine dunklen Verschwörungs-Theorien. Ob Haider zumindest so etwas wie eine private Verantwortung übernommen hat (schließlich hat er einen offensichtlich Depressiven mit einer Angelegenheit belastet, die alldem nicht förderlich war), müsste man jemanden wie Stefan Petzner fragen. Wiewohl sich Fragen nach der Moral eines politischen Verantwortungsträgers in diesem Zusammenhang wohl erübrigen.

Der traurige und strukturell widerliche Fall zeigt aber vor allem eines: Die Tatsache, dass nicht einmal dieser Suizid damals die Ried-Spieler und -Verantwortlichen zum Umdenken bewegt hat und den Vorfall wenn schon nicht im Nachhinein angezeigt, zumindest (österreichisch) an die Medien durchsickern haben lassen, spricht Bände.
Nämlich über die tatsächliche und/oder gefühlte Macht der Mächtigen.

Die Angst vorm langen Arm des Kärntner Kaisers Jörg Haider reichte aus, um selbst im fernen Oberösterreich alle kuschen zu lassen. Das erinnert an die Angst der nur scheinbar Mächtigen vor Hans Dichand und seinem Krone-Imperium. Beide Machtzentren (Dichand wie Haider) waren unter anderen auch deshalb so wirkungsvoll, weil die Österreicher so heftig daran glauben wollten.

In einer Atmosphäre wie dieser ist der Versuch des journalistischen Beikommens doppelt und dreifach schwer; aber auch doppelt und dreifach bedeutsam.