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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

29. 5. 2015 - 16:03

Der Bildhauer und die Frauen

Die deutsche Autorin Franziska Hauser hat für ihren rasant erzählten Roman "Sommerdreieck" den Silberschweinpreis für das beste Debüt bekommen.

Rowohlt Verlag

Der Silberschweinpreis ist ein Preis, der seit sechs Jahren auf dem Kölner Literaturfest „lit.Cologne“ für Debütromane vergeben wird. Er nennt sich so, weil die Gewinnerin oder der Gewinner ein mit 2222€ gefülltes, silbernes Schwein bekommt.

In diesem Jahr, Anfang März, ging das pralle Silberschweinchen an die deutsche Autorin Franziska Hauser für ihr Debüt „Sommerdreieck“. Das Buch hat mit der Wende zu tun, kann aber nicht als Wenderoman bezeichnet werden. Dafür spielt es zu sehr im Hier und Jetzt von Berlin und Umgebung. Es geht um junge Frauen, die zur Zeit der Wende Mädchen waren und Jahre später alle dem gleichen Mann verfallen, einem Bildhauer.

Dieser Bildhauer kommt gleich im ersten Absatz vor. Und sehr bald wird auch klar, er hat die Fäden der Liebe und der Erotik fest in der Hand. Ein klassischer Vermehrer, baut an, wo´s geht. Und weil er Künstler ist, geht einiges. Jette, eine jener jungen Frauen, die in der unterbezahlt gehypten Kunstmetropole Berlin einen Job ohne Beschreibung macht (in ihrem Fall irgendwas-beim-Theater), kommt zur umgebauten Bildhauer-Mühle irgendwo im Brandenburgischen, mit dem Auftrag, Bilder von dessen Atelier zu machen (ein Unterfangen, das wiederholt ergebnislos bleiben wird und überhaupt ist sie auch gar keine Fotografin).
Zunächst bleibt Jette ein Wochenende lang. Ihre Freundin aus Kindertagen wohnt auch in einem der Mühlhäuser, hat schon zwei Kinder vom Bildhauer. Und dann gibt es noch eine weitere Frau. Und noch eine wird dazukommen. Und es gibt sicher auch noch andere, von denen nichts da steht.

Einerseits wird es im ganzen Buch darum gehen, ob die Ich-Erzählerin Jette dem Sog des Bilderhauers widerstehen wird können - warum überhaupt und was das soll mit der – wie es an einer Stelle des Romans heißt – „bescheuerten Sehnsucht“, jemanden ganz für sich allein zu haben. Andererseits erzählt Franziska Hauser von der Kindheit in der DDR und der Wende, die genau mit der Pubertät von Jette und Nele zusammenfällt, was ein Glück ist. Die Systeme brechen gleichzeitig auseinander – das Politische und das Persönlich-Körperliche der Mädchen – und bevor irgendetwas neu erdacht und geschaffen wird, hat man alle Freiheit. Man liest das und denkt sich, verdammt, warum war ich zur Zeit der Wende zwar auch in dem Alter, aber nicht dort?

Auf der Website dasdebuet.com wird Franziska Hauser aus ihrem Gespräch bei der lit.cologne zitiert:

die autorin franziska hauser

Franziska Hauser

“Wir waren 15 und haben gerade angefangen uns zu fragen, warum wir eigentlich eingesperrt sind in diesem Land, und da waren wir das nicht mehr, das war cool, das war eigentlich genau der richtige Moment, das entsprach unserer Pubertät. Keiner wusste mehr, wo es langgeht, die Mütter haben geschlossen aufgehört, sich um ihre Kinder zu kümmern, die waren komplett überfordert und mussten erstmal selber wieder klarkommen. Dazu waren wir einfach in dem richtigen Alter. In meinem Freundeskreis haben alle in besetzten Wohnungen gewohnt, da hat mit 15 niemand mehr zu Hause gewohnt. Es war eine seltsame Zeit. Aber da es ja allen so ging und wir uns hatten, war es ja nicht schlimm, wir kamen uns nicht verloren vor.”

„Sommerdreieck“ ist rasant geschrieben und wechselt spielerisch zwischen den Zeiten. Organisch werden die Auswirkungen der Vergangenheit für die Gegenwart eingefangen (dazu gehört auch ein Ferienhaus, in dem Jette ihre Kindheit verbracht hat und das nach der Wende an die ursprünglichen Eigner zurückgegeben wurde), fragt still nach der Zukunft, nach der Gestaltung von Beziehungen und Familie, nach Beruf und Berufung. Kurz, nach dem Wichtigsten: Warum bin ich hier und was mache ich mit mir selbst?