Erstellt am: 18. 4. 2015 - 13:46 Uhr
Trailer zum Niederknien
Zum Einstieg in diese kleinen Vorfreude-Festspiele sei ein Trailer gepriesen, der in diesem Jahr mit ziemlicher Sicherheit nicht zu toppen sein wird. Was die schlichtweg wahnwitzigen Szenenfolgen aus „Mad Max: Fury Road“ von anderem Actionbombast der Gegenwart unterscheidet: Der 70-jährige Regisseur George Miller bedient nicht bloß das aktuelle Blockbuster-Diktat des Schneller-Höher-Weiter. Er rast im Höllentempo an der Konkurrenz vorbei, weil den Bildern ein gänzlich unironisch inszenierter Irrwitz eingeschrieben ist, eine unkontrollbar wirkende Verrücktheit, von der auch viele Arthouse-Filme nur träumen können.
Nach dem prachtvollen römischen Gesellschafts-Abgesang „La Grande Bellezza“ präsentiert der italienische Filmemacher Paolo Sorrentino eine weitere Elegie auf die verblühte Jugend und das Altern in gehöriger Unwürde. Der Trailer von „Youth - La Giovinezza“ lässt ein sorgsam komponiertes Stück edelsten Manierismus erwarten, in dem die Bitterkeit und der Verfall mittels Kameramagie und Musik in Schönheit transformiert werden.
Ich für meinen Teil habe bislang 2015 keinen besseren neuen Film gesehen als „Ex-Machina“. Der Trailer fasst zusammen, wofür das Regiedebüt des großartigen Autors Alex Garland steht: Für ungemein hypnotische Bilder, die von einem pulsierenden Postrock-Electro-Score vorangetrieben werden. Unter der schimmernden Oberfläche ruht dann eine Geschichte über Menschen und Maschinen, männliche Projektionen und stereotype Vorstellungen von Weiblichkeit.
Manchmal ist es wichtig, das Hinterfragen und Analysieren auszuschalten, einfach im Kinosessel zu versinken, sich treiben zu lassen von einem audiovisuellen Strom. Wer dunkle Märchen ebenso liebt wie den Zauber verfallener Städte und Industrielandschaften, wer in Räumen wohnen möchte, die nur von pinkfarbenen Flamingo-Lampen erleuchtet sind, wer zu David Lynch und Dario Argento betet, der findet unten am Ufer des „Lost River“ Zuflucht. Dort hat Debütregisseur Ryan Gosling (ja, der) ein Haus für uns verlorene Seelen errichtet.
Mit dem Mafiaepos „Gomorra“ ist Matteo Garrone ein verstörendes Meisterwerk gelungen, das so nahe an der schmutzigen Wirklichkeit verankert war, dass man sich in einer kaum erträglichen Dokumentation wähnte. „Il Racconto Dei Racconti“, sein neuer Film, könnte nicht weiter vom rohen Realismus entfernt sein. Salma Hayek, Vincent Cassel und John C. Reilly taumeln durch ein pittoreskes, albtraumhaftes Märchen. Der Trailer verspricht morbide Opulenz abseits des Disney-Durchschnitts.
Fast schon ein Geschwisterfilm zum eben erwähnten „Lost River“ scheint „Ruined Heart - A Lovestory Between A Criminal And A Whore“ zu sein. Auch das Gangster-Melodram des philippinischen Regisseurs Khavn scheint alles zu enthalten, was das Kino braucht: Sex, Gewalt, Rock’n’Roll, Tanzszenen, obsessive Umarmungen, Blut, Glitzern, nächtliche Skylines, grelle Farben, brennende Kreuze und Feuerwerke der Liebe. Dass auch noch der japanische Johnny Depp, der große Tadanobu Asano mitspielt, lässt einen heimischen Kinostart innig erhoffen.
Keine Gefangenen: Im brandneuen Teaser zu „Batman v Superman: Dawn of Justice“ pinselt Brachialregisseur Zack Snyder ein Heiligengemälde aus CGI. Die herrliche Hommage an Terrence Malicks Lichtgestaltung, die den „Man of Steel“ noch auflockerte, ist Geschichte. Pure Artifizialität regiert. Gleißender biblischer Kitsch. Könnte gut sein, dass dieser Look in Verbindung mit gefühlt mehrstündigen Materialschlachten bei mir zu Kopfweh im Kino führt. Derzeit freue ich mich aber noch gewaltig auf dieses alttestamentarische Endspiel und brülle: „Hans Zimmer, rock it!“
Irgendwie entpuppten sich sämtliche Spektakel, die der Ex-Gouvernor Arnold Schwarzenegger nach seinem Hollywood-Comeback vorlegte, als leere Action-Versprechungen. Und ich muss zugeben, dass mich auch der Trailer zu seiner Rückkehr ins Terminator-Universum nicht euphorisiert. Aber „Maggie“, das düstere Horrordrama rund um einen Vater, dessen Tochter unaufhaltsam zum Zombie mutiert, könnte Arnie endlich den Raum geben, um seinem Vorbild gerecht zu werden: Dem grauhaarigen, grimmigen, vom Leben zerfurchten Charlon Heston, der stoisch durch ein tolles Alterswerk spazierte.
Zum Abschluss darf natürlich ein Trailer nicht fehlen, der wohl die meisten von euch seit einigen Tagen aufganserlt. Zugegeben stellte sich aber auch bei mir als bekennendem Sternenkrieg-Agnostiker eine leichte Gänsehaut ein, als ich den neuesten Teaser zu „Star Wars: The Force Awakens“ anklickte. Dass J. J. Abrams, der clevere Manipulator nostalgischer Gefühle und Vereiniger der Generationen, die Franchise von George Lucas übernommen hat, wird sich als beste Entscheidung der Blockbuster-Gegenwart erweisen, prophezeie ich. „Chewie, we’re home!“
Mit Dank an Sebastian Selig, für stets kostbare Tipps.
Und dann noch als Bonus ein erster Blick auf eine TV-Serie. Nein, natürlich nicht irgendeine TV-Serie. Von der Serie aller Serien ist die Rede. Die erste Staffel „True Detective“ überzeugte sogar die allerletzten Zweifler von der Magie der fortlaufenden Fernseh-Erzählung unter den Bedingungen der Gegenwart. In Season 2 fehlt das kongeniale Neo-Noir-Duo Rust Cohle und Marty Hart bekanntlich. Die Karten werden ganz neu gemischt und Skepsis ist dabei beinahe Gebot. Aber hey, it’s the city of lost angels. Und großes Drama kündigt sich an. „True Detective 2“ dürfte erneut eine pathische Verbeugung vor den Fertigen sein, vor den Kaputten und Verlorenen. Und nur dafür ist das Serienwunder da.