Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ich will nicht immer originell sein!"

Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

14. 4. 2015 - 14:36

Ich will nicht immer originell sein!

FKK-Flohmarkt und ukrainischer Dubstep? Lieber Tomatensaft und Kartoffelsäcke. Mit Call-in-Service!

Glasierte Gänseleberscheiben auf Curryschaum zum Frühstück kredenzen? Am FKK-Flohmarkt vergeblich selbstleuchtende Briefbeschwerer suchen? Nur noch ukrainischen Dubstep auf Kassette hören? Sich im Nordkorea-Urlaub einen Barcode auf den Gaumen tätowieren lassen?

Geh schleichts euch doch. Ich will nicht immer originell sein.

Wir unterbrechen diesen Aufsatz kurz, weil jemand angerufen hat. Jep, das ist jetzt der ganz neue heiße Shit beim FM4: Man kann nicht mehr nur in den Radiosendungen anrufen, sondern auch in den Webstorys. In diesem Text feiert dieser innovative Service seine Premiere. Es handelt sich hierbei um den ersten Call-in-Artikel auf dieser graugelben Website. Wir begrüßen ganz herzlich den Sindbad aus Krems in der Leitung:

Ja hallo hier spricht der Sindbad und ich les gern FM4. You’re at home baby.

Das ist alles?

Nein, ich wollte auch noch kurz mit dem Kanal-Marc sprechen und ihm sagen, dass er eh nicht immer originell sein muss. Weil er gejammert hat am Anfang. Bloß was er ins Internet reinschreibt, das soll bittschön schon originell sein, sonst ist es den Leuten fad, die was es lesen.

mc

Dieses Bild trägt den unoriginellen Titel "Die Katze sitzt im Geschirrspüler und kommt nicht mehr raus".

Tut tut tut. Leider muss ich Sindbad jetzt aus der Leitung werfen. Ich lass mir sicher nicht dreinpfuschen hier. Warum muss ausgerechnet ich für den ersten Call-in-Artikel herhalten? Seit wann ist das ein Wunschkonzert hier? Nicht mir mir.

Jetzt schreibe ich erst recht einen unoriginellen Aufsatz, und zwar über das langweiligste Thema aller Zeiten. Ein Thema, über das schon hunderte völlig unergiebige Glossen, tausende tranige Blogeinträge und wahrscheinlich Millionen sinnloser Foreneinträge verfasst wurden, was hunderte andere Glossisten*, tausende weitere Blogger und Milliarden zusätzlicher Poster nicht davon abhalten wird, weiterhin stündlich auf diesen grünsten aller Themen-Evergreens zurückzugreifen, der da heißt:

*Das Wort "Glossist" steht vielleicht nicht im Duden, aber dafür... dafür steht es HIER! Ist doch auch was!

Warum wird im Flugzeug eigentlich immer Tomatensaft getrunken?

Eine nicht zu unterschätzende Hürde für die Dramaturgie eines Textes ist jene, dass der Leser nicht wissen kann, wie lange der Autor gebraucht hat, um etwas zu schreiben. Praktisch wäre es, wenn man zwischen den Zeilen lesen könnte, dass bereits zwei Stunden vergangen sind, seit ich diese entsetzliche Überschrift mit jenen Fingern in die Tastatur geklopft habe, aus denen ich mir so gerne etwas saugen würde, was mir aber einfach nicht gelingen will.

Tomatensaft im Flugzeug! Was soll man dazu schon groß sagen? Meingottna, erstens mal: So wahnsinnig viel Tomatensaft wird in Flugzeugen gar nicht getrunken. Die wenigen, die sich dennoch einen bestellen, machen das wahrscheinlich, weil sie einmal zu oft gelesen haben, dass sich das so gehört, also fügen sie sich und sind dann enttäuscht, weil die rote Pampe auf zehntausend Metern Höhe auch nicht anders schmeckt als auf dem Planeten unten, auch wenn sich sogar die Wissenschaft diesem Trottelmysterium gebeugt hat und meint, dass durch den geringen Luftdruck gewisse Drinks besser munden, aber das glaube ich nicht, vielmehr versichere ich, bestätigt durch so manch prächtigen Langstrecken-Schwips, dass die Drinks so gut munden, weil sie gratis sind und weiters behaupte ich, dass ich soeben die besten und wahrhaftigsten Zeilen zum leidigen Thema verfasst habe, die ab jetzt als letztes Wort in dieser Causa gelten mögen. Auf dass sich nie wieder jemand mit Tomatensaft im Flugzeug befasst, geschweige denn einen trinkt.

Man möge sich vielmehr mit folgenden tatsächlichen Mysterien befassen, deren Aufklärung mir am Herzen lägen, was sich aber bei mir heute leider nicht mehr ausgeht, weil ich irgendwann auch was Besseres zu tun habe:

mc

Exklusiv vom Autor getestet und für empfehlenswert befunden: Ein Humor-Tool mit Chancen am internationalen Markt - Die Fotowand aus Kuchen

Wie soll der Schließmechanismus mit dem dünnen Schnürchen bei Kartoffelsäcken funktionieren?

Ich spüre, dass es da sehr wohl ein Prinzip dahinter geben muss, bin aber seit Jahrzehnten zu blöd, es zu entschlüsseln und reiße die papierenen Erdäpfelhüllen immer gewaltsam auf.

Gehören diese weißen Stäbchen in die Hemdkrägen oder nicht?

Weil man sich mit dieser Frage wahrscheinlich als Banause in modischen Belangen outet, traue ich mir fast nicht, sie mir oder gar anderen zu stellen. Nicht einmal Google möchte ich konsultieren, denn sonst weiß Google, dass ich ein Banause in modischen Belangen bin, und dann plaudern die das am Ende noch aus.

Warum rasieren sich Frauen in Rasierer-Werbungespots immer ihre bereits glatt rasierten Beine?

Bestimmt belegen Studien, dass es nicht verkaufsfördernd ist, wenn sich Damen im TV ihres affenähnlichen Beinpelzes entledigen, aber ein paar Stoppelchen könnten es schon sein, die da elegant weggescharrt werden, n’est-ce pas?

Warum bekomme ich nie, nie, nie ein Gurkel in meine Leberkässemmel?

Ich sage es jedesmal dazu. Ob beim Fleischer, in der Feinkostabteilung oder beim Würschtler: Das häufige Hantieren mit Fleisch scheint das Kurzzeitgedächtnis zu trüben. Innert zwanzig Sekunden vergisst man mein Begehr und übergibt mir die Leberkässemmel ohne das laut und deutlich eingeforderte Gurkel. Freunde, denen ich von diesem klassischen First World Problem berichte, bestreiten zumeist, darunter zu leiden, sie kennen es nicht einmal. Wie ist das zu erklären?

Wo soll man sich eigentlich die Nägel schneiden?

Wie, aber vor allem wo man es macht, ist es falsch. Zwickt man das Keratin am Fenster weg, könnte es Passanten in die Tolle segeln, vom Sofa fliegen die Keile auf den frisch gewienerten Boden und den Siphon im Bad verstopfen die Nägel ebenso, wie sie entsetzte Blicke bewirken, wenn man seine Hände im Freien pflegt. Soll man denn zum Nägelzwicken jedes Mal in den Wald fahren? Und woher rührt eigentlich der eklatante Ekel vor abgetrennten Nagelrudimenten? Man schüttelt doch dauernd irgendwelchen versifften Spackos die Wichsgriffel und wäscht sich die hauseigenen hernach nicht sofort. Was ist an dem bisschen Horn da vorn so speziell ekelerregend?

Wer kauft eigentlich in Postfilialen DVDs?

Hier spricht nochmal Sindbad. Jetzt langt es dann auch mal wieder. Glaubst du wirklich, die Aufmerksamkeitsspanne der degenerierten Digital Natives da draußen reicht für Texte mit Überlänge? Und überhaupt ist das so durchschaubar. Dieser blöde Titel... und dann wird es doch wieder originell, aber mehr so auf pseudo, so bemüht, so möchtegern.

Ja eh. Aber wenigstens den Jahrhundert-Gag "Die Post, das alte Briefkastenunternehmen" hättest du mir noch gönnen können. Aber ich hör ja schon auf. Du hast ja recht, lieber Sindbad. Willst du dir zum Abschied vielleicht noch ein Lied wünschen?

Ja.

Das freut mich.