Erstellt am: 14. 4. 2015 - 15:49 Uhr
Konfusion und krampfige Selbstanpreisung
Bevor es Online-Auktionshäuser und das, was man früher das "Web 2.0" genannt hat, gegeben hat, war die Welt des Mammons klarer geregelt: Geldfluss gab es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Auftraggeber und Leistungserbringer. Die Bank bot ihre klassischen Finanzdienstleistungen an. Man konsumierte, zahlte Steuern, Kinder bekamen Taschengeld, das Enkerl kriegte 200 Schilling von der Oma. Spendengelder überwies man mittels Erlagschein.
Heute sind wir alle näher aneinander dran, es gibt kaum noch spürbare Distanzen (selbst, wenn diese weiterhin existieren). Doch Geben und Nehmen ist als soziale Geste weiterhin nicht einfach, vor allem, wenn Geld im Spiel ist: Verlangen wir zu viel oder zu wenig, wenn wir Gegenstände online verkaufen? Soll ich der Wikipedia oder doch einem Immigrationsprojekt 100 Euro spenden? Wieviel soll ich diesem tollen Crowdfunding-Projekt geben, und was habe ich davon?
Spende, Investment oder Kauf?
Anfang der 2010er Jahre hat mit Kickstarter der erste Crowdfunding-Rausch begonnen. Im Games-Bereich etwa sind manche alte Hasen aus ihrem Bau gekrochen, um uns im amikalen Ton zu erklären, dass sie jetzt endlich mit uns ihr tolles Spiel machen werden, das sie schon 25 Jahre als Konzept in der Schublade liegen haben. Kein Wunder also, dass viele vor gut drei Jahren dabei sein wollten, als Leute wie die Adventure-Games-Legende Tim Schafer Geld von uns, der Crowd, gesammelt haben. Für eine 15-Dollar-Unterstützung gab es das Spiel als Download, für 100 Dollar eine Special Edition und für 1.000 Dollar wurde schon ein persönliches Porträt gezeichnet. Um 10.000 Dollar konnte man ein Mittagessen und eine individuelle Studiotour ergattern. Die Unterstützer/innen wurden Teil des Projektes. Aber wurden sie nicht auch mit falschen Erwartungen zum Öffnen des Geldbörsels gelockt? Der Erwartung, dass sie damit Teil eines Freundeskreises werden würden?
CC-BY-2.0 / Emilian Robert Vicol
Das grundlegende Prinzip von Crowdfunding liegt auf der Hand: Man will, dass etwas zustande kommt und gibt dafür Geld. Aber kauft man sich damit etwas? Oder ist es einfach eine Spende? Wird man Teil des Teams, weil man am Schluss in den Credits steht? Die sehr persönliche Anmutung vieler Crowdfunding-Projekte scheint die Grenze zwischen Konsument/innen und Produzent/innen aufzulösen. Das wirkt sympathisch, kann aber auch Verwirrung erzeugen. Viele, die unterstützen, erwarten sich eine besonders aufwändige Betreuung. Ihnen kann es nicht genug Updates geben. Wird das Projekt nicht im ursprünglichen Zeitrahmen fertig gestellt oder entspricht das Produkt am Ende nicht ihren Vorstellungen, ist der Ärger manchmal groß.
Außerdem: Wo viele Crowdfunding-Kampagnen scheitern, sind einige wenige wiederum über die Maßen erfolgreich. Machen sich deren Betreiber/innen deshalb schuldig, einfach, weil sie soviel Geld zusammenbringen konnten? Neid spielt hier natürlich auch mit. Immer mehr Kampagnen beziehen deshalb alle Eventualitäten mit ein, also sowohl ein Scheitern als auch einen großen Erfolg. Da müsse man eben skalieren können, sagt Michael Paeck vom Games-Studio Cliffhanger Productions aus Wien im FM4-Interview dazu: Je nachdem, was zusammen kommt, fällt das Ergebnis dann mehr oder weniger umfangreich aus.
https://www.kickstarter.com/projects/doublefine/double-fine-adventure/description
Eindeutiger verhält sich das Verhältnis zwischen Gebenden und Nehmenden hingegen beim Crowdinvesting, einer speziellen Version des Crowdfunding, wo man als Geldgebende/r zum Mikroinvestor wird und (junge) Firmen unterstützt. Neben Altruismus und Enthusiasmus geht es dabei ganz klar auch um eine Geldanlage, wo am Ende mehr rausschauen sollte als man reingesteckt hat.
Wie präsentiere ich mich?
Crowdfunding auf FM4
- "Geld geben für tolle Projekte" (Robert Glashüttner)
- "Crowdfunding. Drei Versuche." (Michael Fiedler)
Egal in welcher Form man Crowdfunding betreibt: Um Geld zu bitten, ist und bleibt nicht einfach. Man muss sich gut überlegen, was man bieten und liefern kann, um würdevoll die Hand aufzuhalten. Dann stellt sich die Frage, in welcher Weise man bittet und wen man als seine Kernzielgruppe sieht. Eine kreativ arbeitende Person wird sich anders präsentieren als ein junges Unternehmen. Dazu kommt natürlich auch noch der jeweilige Bereich bzw. die Branche, in der man sich bewegt.
Die Auswahl der Rewards, die die Unterstützer/innen bzw. Backer bekommen, ist wichtig: Biete ich nur Goodies und besondere Dinge an, oder verkaufe ich mich auch selbst? Das gemeinsame Essen sieht man öfter, auch die Musikerin Clara Luzia etwa hat in ihrer Crowdfunding-Kampagne um 250 Euro einen persönlichen Brunch angeboten. Die Linie zwischen der offenen Begegnung mit Menschen, die einem Geld geben wollen und einem etwas seltsamen Beigeschmack, wenn man sich gewissermaßen selbst zur Ware macht, ist dünn. Nicht jede/r kann daraus eine eigene Kunstform machen, wie Amanda Palmer es in ihrem populären TED-Talk und dem dazugehörigen Buch zeigt und beschreibt.
Start-ups und Jungunternehmer/innen haben es oft noch schwerer, denn von ihnen wird erwartet, dass sie sich schwungvoll, innovativ und dynamisch präsentieren - auch, wenn das Ergebnis oft ziemlich krampfig und mitunter unfreiwillig komisch ausfällt. Nicht jede/r hat das Zeug zur locker-flockigen Selbstpräsentation, doch der Imperativ der lauten Onlinevideowelt unserer Gesellschaft lässt zurückhaltende Menschen immer weniger oft zu - auch, wenn sie in ihrer eigentlichen Tätigkeit noch so gut sind.
Conscious Crowdfunding
Weil die gesellschaftliche Durchdringung von Crowdfunding immer größer wird und es mehr Erfahrungswerte über den üblichen Verlauf einer Schwarmfinanzierungskampagne gibt, werden die Unklarheiten und Missverständnisse zunehmend geringer. Die verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen tragen ihren Teil dazu bei. Dennoch schadet es nicht, sich wohl als Kampagnenleiter/in als auch als Backer immer bewusst die Frage zu stellen, wen und warum man um Geld bittet bzw. weshalb man es geben möchte und was man sich davon erwartet.