Erstellt am: 13. 4. 2015 - 11:52 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 13-04-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
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Wenn es keine reale Konkurrenz gibt, dann muss eine künstlich(e) geschaffen werden; sonst fehlt der Thrill - und der ist in der Medienöffentlichkeit unserer Tage unverzichtbar. Das gilt für Autokraten, die sich ganz bewusst eine (möglichst schrille) Opposition herbeipimpen, ebenso wie für von vornherein entschiedene Fußball-Meisterschaften. Und im Gegensatz zu etwa Deutschland, wo der Titelgewinn von Bayern München auch schon vor Saisonbeginn feststeht, wo aber auch die Fights um die Champions-League-Plätze oder den Abschied aus der Gelddruckerliga wirklich interessant sind, entsteht die Spannung in der österreichischen Liga nur aus dem Hurra-Gekreische der Alice Schaleks-Verschnitte der Branche. Es ist nämlich echt egal welcher Kleinhäusler absteigt, und auch wer als Zweitplatzierter nicht über die erste CL-Qualirunde hinaus kommt ist wenig interessant.
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Der Höhepunkt dieser virtuellen Erregtheit war die Vorab-Stilisierung des gestrigen Matches SK Rapid vs Red Bull Salzburg als mögliche Meisterschaftsentscheidung.
Fakt ist: Rapid benötigte neben dem Heimvorteil und einer Angstgegner-Bilanz a) das letzte Defensiv-Aufgebot des Gegners, b) einen absurden Ausschluss und c) eine erstmals so auflaufende Baby-Abwehr um mit Ach und Krach zu einem Remis zu kommen. Von einer Begegnung auf Augenhöhe kann also nicht ernsthaft die Rede sein.
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Die Unterschiede waren in den schlimmen Coaching-Fehlern des zweitplatzierten am allerdeutlichsten zu erkennen. Die erste Halbzeit bestritt Zoran Barisic mit einem strategischen Untoten, dem alten Hofmann-Loch. Opfer war diesmal der überforderte Mario Pavelic, über dessen Seite und mit dessen tatkräftiger Mitwirkung zwei der drei Salzburger Tore fielen. Außerdem stellte er mit Stefan Schwab einen Akteur neben, vor oder zwischen seine beiden etatmäßigen Sechser, ohne ihn dafür zu instruieren. Schwab trottete 90 Minuten übers Feld ohne (s)eine Rolle zu finden. Das solcherart völlig diffuse 4-3-2-1, bei dem sich lange niemand für die Seiten zuständig fühlte (ehe Florian Kainz dann letztlich beide Flanken gleichzeitig übernahm) offenbarte mehr Planlosigkeit als ich Barisic bisher zugetraut hätte.
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Erst in Halbzeit 2 kehrte Rapid zu seiner Werkseinstellung (dem ausrechenbar-öden 4-2-3-1) zurück, verabsäumte aber die Chance, es zu einem rollenden 4-1-4-1 umzumodeln - weil eben Schwab wieder nicht wusste, was er sollte. Deshalb gab es dann auch abseits der (per guten Tempo-Konterstößen) erzielten Tore weder sinnstiftende Spielkontrolle noch mehr als vielleicht zwei weitere Chancen. Dank Barisic' Nicht-Coaching verpasste Rapid die Möglichkeit, gegen das schwächstmögliche Salzburg mit der letzten Notverteidigungs-Variante und einem Mann weniger wirkliche Augenhöhe zu erzielen. Absurdes Highlight im Nixdenker-Programm: den rotgeweihten Pavelic so lange im Spiel belassen, bis er rausfliegt.
Hütter stellte seinerseits sein wieder sehr klares 4-2-2-2 nach dem Ausschluss mit zwei Handgriffen auf ein 4-2-3 um und konnte trotz großer Personalnot, Unterzahl und Unform einiger Akteure das Basislager erreichen.
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Was bei Rapids schludriger Performance nur im Meta-Text sichtbar wurde, zeigte sich beim anderen selbsternannten europareifen Wiener Verein, der Austria, in viel deutlicherer Peinlichkeit: quod licet Iovi, non licet bovi.
Wohl weil es zuletzt Guardiolas Bayern und auch andere europäische Spitzenvereine mit einer Dreier/Fünfer-Abwehr versuchte, wandte Neo-Coach Ogris dieses Mittel auch am Samstag an. Gegen das mächtige Grödig stellte er ein 5-4-1-Bollwerk und erreichte so einen Punkt, der den 7. Tabellenplatz einzementiert.
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Dreier/Fünfer-Abwehr ist aber nicht Dreier/Fünfer-Abwehr. Das was Guardiola oder, um nicht so weit rauszugehen, die Rieder seit Gludovatz oder Damir Canadi derzeit bei Altach des Öfteren spielen lassen, hat mit dem, was Ogris hinstellt, eher gar nix zu tun.
Erstgenannte kombinieren die (seit der WM 2014) wieder durchaus übliche Dreierkette mit vorgelagerten Außenverteidigern als erste Aufbaureihe, dichte Pressing-Maschine und durch Verschieben in die Tiefe und die Breite unausrechenbare Defensiv-Unit, zweiteres belebt einfach das, was zu seiner Zeit in den 80ern und 90ern angesagt war: holzfüßiges Wegklopfen. Der Austria-Aufbau bestand das gesamte Spiel über aus weiten Bällen in den leeren Raum.
Das wiederum hat mit der dahinterstehenden Spielphilosophie von Bayern, Ried oder den Canadi-Teams nichts zu tun. Dort dient die Dreierketten/Fünferabwehr-Variante als zusätzliche taktische Variante in einem fetten Strauß an Möglichkeiten, die allesamt einer grundsätzlichen Denke untergeordnet sind. Wie sie auch in Salzburg herrscht, wo man die nämliche Variante schon allein wegen des eklatanten Innenverteidiger-Mangels (die Nicht-Nachbesetzung der Planstelle Schiemer stellt sich immer mehr als Fehler heraus) nicht spielen kann.
Bei der Austria - aber auch bei Rapid - ist man davon aktuell kilometerweit entfernt. Ohne Land in Sichtweite bekommen zu können.