Erstellt am: 12. 4. 2015 - 15:23 Uhr
Ausländerfeind oder linker Trottel?
Drüber reden will kaum jemand, zu viel sei schon gesagt worden. Zu viel hätten die Medien aufgebauscht. Zu viel sei falsch interpretiert worden. Und zu wenig sei man informiert worden. Lokalaugenschein in der Bregenzerwälder Gemeinde Alberschwende.
![© ORF Scheune mit Transparent "Wir sind Asyl"](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/image-53_body.jpeg)
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Die Kirche markiert den Dorfkern, daneben zwei Wirtshäuser, nur wenige Meter darunter der Hermann-Gmeiner-Saal. Der große Sohn der Gemeinde, Gründer der SOS-Kinderdörfer hat ein großes Erbe hinterlassen: Jedes Kind soll ein Dach über dem Kopf haben und versorgt werden. Daran knüpft auch Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann an.
![© ORF Die Bürgermeisterin](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/buergermeis_body_small.jpg)
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Sie und Hunderte andere Menschen aus Alberschwende wollen fünf von Abschiebung bedrohten Männern auch weiterhin ein Dach über dem Kopf geben. In einem alten Haus der Gemeinde, nur wenige Gehminuten vom Dorfplatz entfernt. Das Haus hat die verstorbene Besitzerin der Gemeinde vererbt – es soll für soziale Zwecke genutzt werden. Seit Ende Jänner bietet es also das Dach über dem Kopf für acht Aslybewerber aus Syrien – alle sind sie Akademiker.
![© ORF Einige der Flüchtlinge](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/tisch-1_body_small.jpg)
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Drei der Kriegsflüchtlinge können ihre Asylanträge in Österreich stellen, die anderen fünf sollen laut dem Dublin-III-Abkommen in Ungarn um Asyl ansuchen - in dem Land, in dem sie während ihrer Flucht zum ersten Mal aufgegriffen wurden. Doch Ungarn ist kein sicheres Land für Flüchtlinge, immer wieder gibt es starke Kritik: Menschen würden eingesperrt, geschlagen, Essen und Trinken würde verweigert. Diese unmenschlichen Bedingungen hat auch Ibrahim Z., einer der Asylbewerber, ertragen müssen. Darüber reden will er aber nicht mehr – zu groß ist die Angst.
In Alberschwende hat er weniger Angst. Ibrahim und seine sieben Mitbewohner wollen bleiben. Schließlich haben sie sich schon gut integriert, haben Freunde gefunden und sprechen schon gut Deutsch – und fließend Englisch. Er habe seine Heimat bereits einmal verlassen müssen, erklärt Ibrahim. Ein zweites Mal wolle er das nicht. Dabei bezieht er sich auf Alberschwende.
![© ORF BürgerInnen tragen sich in Liste ein](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/initia_body_small.jpg)
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Das Dublin-Abkommen formuliert ein Recht, aber kein Gesetz. Das heißt: Die österreiche Asylbehörde kann diese Menschen abschieben, muss aber nicht. Viele BewohnerInnen von Alberschwende wollen, dass die Männer aus Syrien bleiben. Unter dem Titel „Wir sind Asyl“ engagieren sie sich und hängen selbstgeschriebene Transparente an Hauswände. Gut 150 Menschen haben sich außerdem in eine Telefonliste eingetragen, im Notfall – sollte die Exekutive plötzlich vor der Tür stehen – wollen sie da sein.
Rückblick
![© ORF Haus](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/haus-11_body_small.jpg)
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In der Nacht auf Ostermontag reißen fünf betrunkene junge Männer aus dem Dorf Transparente von den Häusern. Als sie von Mitgliedern der Initiative „Wir sind Asyl“ zur Rede gestellt werden, kommt es zu einer Auseinandersetzung. Später in der Nacht versuchen die Randalierer sogar, gewaltsam in das Asylheim einzudringen, eine Scheibe wird eingeschlagen, einer der Männer schlägt sich die Hand an der Hausfassade blutig. Am nächsten Tag werden die ortsansässigen Burschen gefasst. Die Aktion habe sich gegen die Initiative gerichtet, nicht gegen die Aylswerber, erklären sie. Von der Polizei wird dieser Vorfall als Lausbubenstreich eingestuft, einen rechtsradikalen Hintergrund sehe man nicht.
Ähnlich bewerten das viele DorfbewohnerInnen. Besoffen seien die Burschen, dumm sei das gewesen. Eine Wirtin erzählt von einer Frau, die sich nicht mehr auf die Terrasse des Gasthauses sitzen traut. Sie geniere sich für ihren Sohn - er war einer der fünf Randalierer.
Einige der Befragten fühlen sich schlecht informiert. Man habe über den Willen der Dorfbewohner hinweg bestimmt, eigentlich habe man die Bevölkerung überhaupt nicht nach ihrer Meinung gefragt, erzählt ein Bewohner. Und überhaupt: Die Mehrheit in Alberschwende sei gegen diese Initiative. Dem widerspricht ein Jüngerer. Die Fronten seien verhärtet: „Ist man gegen diese Initiative ist man ausländerfeindlich, ist man dafür, ist man ein linker Trottel.“ Eine Positionierung sei schwierig, auch er fühlt sich von Seiten der Gemeinde schlecht informiert.
Außerdem würden sich jetzt Vorurteile und schlechte Stimmung gegen die Asylwerber verstärken, das mache ihn traurig. Er hat die Asylbewerber im Fußballverein kennengelernt, kennt die Geschichte ihrer Flucht und versteht, warum sie in Alberschwende bleiben wollen. Nicht alle im Dorf wüssten das, erklärt er, und diese wüssten es deshalb auch nicht besser. Mehr Information wäre gut gewesen.
![© ORF Versammlung](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150415/vers_body_small.jpg)
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Wie aber hätte man unter Zeitdruck alle informieren sollen, fragt eine Jungmutter. „Wenn man jeden nach seiner Meinung fragt, kommt nie etwas zustande. Es hat einen Infoabend gegeben, danach war mir alles klar. Ich bin froh, dass sich die Alberschwender gemeinsam aufstellen. Die Männer aus Syrien sollen hierbleiben.“
FM4 Auf Laut
Am Dienstag, 14. April, geht es in FM4 Auf Laut ab 21 Uhr um die Initiative „Wir sind Asyl“ in Alberschwende. Anrufen und Mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996 (Österreich) oder aus dem Ausland: +43-1-503-63-18.
Gleich danach gibt es die Sendung auch für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage zum Anhören.