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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 4. 2015 - 21:30

The daily Blumenau. Friday Edition, 10-04-15.

Berufliche Ergänzungs-Mittel, und die Ausweglosigkeit aus der dauernden Anpassung als alter Hut. #jt15

#medienpolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Im Pausen-Smalltalk mit dem Mann von Google Österreich, der später am Tag noch seinen Auftritt haben wird, fällt seinerseits der Begriff der Gegenveranstaltung, ehe ich ihn auf Ergänzung runterhandle (worauf wir uns dann eh leicht einigen können). Denn eine Gegenveranstaltung zu den eingeführten österreichischen Medientagen sind die österreichischen Journalismustage keineswegs. Bei den einen klagen die Chefitäten der Branche ihr Arbeitsleid, bei den anderen die bewusst agierenden unter den Journalisten. Darin gleichen und ergänzen sich die beiden Veranstaltungen.

Es gibt zwei große Unterschiede.
Zum einen tauchen bei den Verlegertagen (meist deutsche) Gastredner auf, die (nach dem Arbeitsleidgeklage) der Branche erklären wie sie mit Bravour und Ideenreichtum durch die Krise steuern sollen (ohne dafür den Beleg antreten zu müssen); bei den Journalistentagen kommen (auch gern deutsche) Gastredner, die die Ausweglosigkeit betonen.

Heuer war das Richard Gutjahr, einer der Topstars der Digital-Wissenden, die Mainstream-Version des Irokesen Lobo, der den Anwesenden in launigen (und, man muss der nachträglichen Kritik von Florian Stambula rechtgeben, höchst substanzlosen) Worten davon in Kenntnis setzte, dass es nix mehr werden wird mit einer Konsolidierung der Medienbranche. Untergangsgeweiht wäre man, jeder junge Mensch, der im klassischen Medien-Bereich beginnt, ein Opfer. Nur der riskierende Start-Up-Fredl sei noch ein Winner.

Abgesehen davon, dass die Mär von der Start-Up-Chance doch bereits den Weg aller Business-Punks gegangen ist, und abgesehen davon, dass der Verweis auf Unverwechselbarkeit, neue Blickwinkel und den steten Blick aufs Entwicklungs-Barometer die seit Jahren einzige Konstante im Überlebens/Abwehrkampf der Medien darstellt, abgesehen davon nahm Gutjahr am Ende des Panels, dem seine faktenlose Keynote voranging, eh alles wieder zurück. Er zitierte einen weisen Google-Chef, der den aktuellen, die Branche erschöpfenden andauernden Erneuerungszwang des Journalismus, das Hinterherhecheln hinter neoliberalem Aberglauben und Ausspielwegsorientierungslosigkeit als alten Hut entlarvt. Letztlich wäre es noch nie anders gewesen, das Tempo der Veränderungen wäre heute eben höher; ein Ausrasten, ein Verharren kaum möglich.

Als einer, der die Branche seit den späten 70ern genau verfolgt, nicke ich diesen Spruch ab: was sich früher nach vielleicht fünf oder sieben Jahren änderte, passiert heute innerhalb von einem oder zwei. Dass der Google-Mann neben mir mitnickt, liegt in der Natur des Zitierten.

Dazwischen haben sich Gutjahr, die Vertreterin von Vice, die humorlose Frau Herbst und der bereits erwähnte Vertreter von nzz.at unnotwendigerweise angebissen und zerfleischt (die einen wären wie eine Werbeagentur oder wie ein ausgelaufenes Alterfolgsmodell, die anderen wären nur hochgekochtes Brackwasser, der dritte bloß ein Hyper-Surfer usw). Das bringt der Grundsatz des Arbeitsleidgeklages so mit sich, vor allem, wenn der von Medientagen gewohnte Verleger-Zwang zum Weglächeln wegfällt. Dabei sind alle drei (und auch die moderierende Frau Brodnig, vormals Falter, jetzt Profil) behende in die Auslage springende Ausnahme/Vorzeige-Vertreter jener Speerspitzen der Medienbranche, die sich bei dem was sie tun, wirklich etwas denken. Was sie schon allein deswegen besonders macht. Und dabei ist es egal ob man wie Gutjahr die Lage reflektiert, wie Vice den Zugang ständig neujustiert, wie der nzz.at-Versuch den Weg über die inhaltliche Vertiefung sucht oder sich wie Brodnig als Expertin unabkömmlich macht.

Den Panels, in denen Selbstkritik und zeitgemäße Zerfleischung zur Grundausstattung gehören (bis auf den Chef von dasbiber, der erklärt sich und sein Projekt für komplett fehlerfrei und unangreifbar - wie konnte man auch auf eine andere Idee kommen) stehen auf der kleineren Bühne der Journalismustage kleine praktische Lectures entgegen, die so tief in die Lebensrealität eintauchen, dass für allzu viel Leid gar kein Platz ist. Was etwa Olivera Stajic über die Erfahrungen der Einbindung von Social Media in klassischen Journalismus zu erzählen hat, reißt so viele prinzipielle Fragen (wie die des Checks und Gegenchecks, der Herkunftsüberprüfung, der Instrumentalisierbarkeit, der sich die Medien jeden Tag aussetzen, der Blauäugigkeit, dem Nachteil der Unkenntnis vieler anderer Kulturen, diversen Manipulationsmöglichkeiten und sowieso dem Trickstertum etc) so konkret und mit soviel Verweisen in eine noch deutlich komplexere Zukunft an, dass Gutjahrs Lamento nur als Abgesangs-Narrativ einer versinkenden Patrizierkaste verstanden werden kann, dem ein neuer, von weniger abgestandenen Dünkeln beseelter Zugang folgen muss.

Und das ist der zweite große Unterschied zwischen den beiden Veranstaltungen, den ich ja noch schuldig geblieben bin: das was bei den Medientagen fehlt (oder nur in Sonntagsreden alibihaft angesprochen wurde) war bei den Journalismus-Tagen (wiewohl nirgendwo offiziell auf der Agenda) Dauerthema - die journalistische Ethik.

Und da sich im MQ bei #jt15 zwischen den vereinzelten Oldies und Stars wieder so viele sehr junge, womöglich erst angehende Journalisten tummelten, war auch die Gruppe da, die von diesen Ethik-Debatten womöglich am meisten profitieren wird. Denn die finden in den Redaktionen nicht und an/in den Ausbildungsstätten kaum/zu wenig/zu theoretisch statt. Und wenn die Journalismustage 2015 nur diesen einen Zweck erfüllt haben, ein paar ethische Grundsätze anzusprechen und sichtbar zu machen, dann hat es sich auch schon gelohnt.