Erstellt am: 10. 4. 2015 - 15:51 Uhr
Wir Feiglinge
Kann sich noch wer an die Raucherabteile in ÖBB-Zügen erinnern? Niemand wollte dort wirklich drinnen sitzen, weil sich Kleidung und Haare schon nach wenigen Augenblicken mit dem kalten Rauch vollgesogen haben, sogar RaucherInnen haben sich dort meist nur für eine „kurze“ Zigarette aufgehalten. 2007 haben die ÖBB dann einen Kundenwunsch umgesetzt, und ein generelles Rauchverbot in allen Zügen erlassen. Kaum jemand trauert diesen Raucherabteilen heute noch nach.
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dpa/A3464 Rainer Jensen
Die ÖBB konnten sich das leisten. Wegen des Rauchverbots würden sie wohl kaum KundInnen verlieren, aber wie würde das bei einem Lokal aussehen? Lange Zeit war man sich da nicht sicher. Dezidierte Nichtraucherlokale waren selten, doch in letzter Zeit ist auch hier eine Entwicklung zu beobachten wie vor Jahren in den ÖBB-Zügen: Nichtraucherbereiche sind – zumindest untertags – knallvoll, während die Raucherbereiche verwaisen. Manche Cafés, wie etwa das alteingesessene Café Central in Innsbruck, haben darauf schon reagiert und machen ihre Lokale komplett rauchfrei.
Wieso war das nicht schon früher möglich? Wieso haben sich WirtInnen nicht getraut, ihre Lokale als Nichtraucherlokale zu führen, oder wieso haben wir uns nicht getraut, Nichtraucherlokale einzufordern oder zu besuchen? Haben in unserer kapitalistischen Welt ernsthaft alle übersehen, dass es kein Angebot für eine große Nachfrage gibt? Wohl kaum.
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dpa/Armin Weigel
Viel eher ist diese Nachfrage erst mit veränderten Lebenseinstellungen gekommen, die von einem Gesundheitsdenken geprägt sind: Wir wollen gesünder leben, gesund altern, uns selbst optimieren. Was damit einhergeht, ist ein Verzicht auf Stoffe und Aktivitäten, die gesundheitsschädlich sind: Zigaretten, Alkohol, fettes Essen, alles Sachen, die gleichzeitig irgendwie Genuss und Lust versprechen. Dieser Verzicht kann ein harter Kampf sein, nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene, und wenn eine Band wie Wanda bejubelt wird, die auf der Bühne und in ihren Text den "verbotenen" Genüssen, dem Rauchen und dem Saufen, huldigt, ist das ein Ausdruck davon.
Niemand will als "lustfeindlich" dastehen. Deshalb ist es auch immer leichter, als gemischte Gruppe aus RaucherInnen und NichtraucherInnen in ein Raucherlokal zu gehen als woanders hin, wo RaucherInnen verzichten müssen. Der neue Gesetzesentwurf zum Nichtraucherschutz kommt uns da gelegen. Wir wollen, dass uns etwas verboten wird, damit es uns leichter fällt, uns "richtig" zu verhalten. Wir sind schwach und wir sind feig. Das Rauchverbot erspart uns endlich den Vorwurf der Lustfeindlichkeit, es erspart uns Verlockung und Versuchung. Wieso etwas selber regeln, wenn wir uns auch mit einem Gesetz behelfen können? Und wenn wir grad dabei sind, sollten wir auch gleich unserem Alkohol- und Essenskonsum einen neuen gesetzlichen Rahmen geben.