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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

13. 4. 2015 - 18:27

Crowdfunding. Drei Versuche.

Das Versprechen von Crowdfunding lautet: Gebt uns Geld, wir machen etwas Großartiges daraus und ihr habt auch etwas davon. Geht sich das aus?

Im Herbst 2013 beschließe ich, drei konkreten Crowdfunding-Projekten eine Chance zu geben. Die Bedingungen: Es soll sich um technische Innovationen handeln, sie sollen umsetzbar wirken, nicht mehr als jeweils 100 Dollar kosten und am Ende will ich auch irgendetwas in der Hand halten, das vielleicht sogar einen praktischen Nutzen für mich hat.

Nachdem Kickstarter - die größte Crowdfunding-Plattform - eine Kreditkarte voraussetzt, konzentriere ich mich bei der Suche auf Indiegogo, das sogar etwas älter, wenngleich lange nicht so erfolgreich ist.

Über mehrere Monate hinweg beobachte ich die Kampagnen auf Indiegogo und entscheide mich als erstes für ein Projekt namens Ion-Glasses, das sich später aus rechtlichen Gründen in Weon-Glasses umbenennt. Das Versprechen des Teams: Die erste Alternative zu Google Glass, wenn auch im Vergleich zu diesem Computer auf Augenhöhe eher low-tech gedacht. Aber immerhin: Per Bluetooth soll die Brille mit meinem Smartphone kommunizieren, mich mittels LED & Summer über Ereignisse unterrichten und dank zweier Knöpfe auch Funktionen am Handy steuern können. 79 Dollar kostet der Spaß, im Februar 2014 soll der Rahmen ausgeliefert werden. Ich bestelle gemeinsam mit 730 anderen und warte gespannt.

Die beiden anderen Projekte entdecke ich Anfang 2014, zunächst den Inputstick, ein USB-Stick, mit dem ich quasi jeden Computer von meinem Handy aus steuern kann. Einfach anstecken, Android-Telefon via Bluetooth damit verbinden und schon ist es die Tastatur, die Maus, das Gamepad des Computers oder der Spielkonsole. Außerdem soll es auch als sicherer Passwortmanager dienen. Klingt interessant, ich überweise 39 Dollar.

Als letztes entscheide ich mich für ein Lederarmband, das gleichzeitig USB-Speicher, Handylade- und Datenkabel ist. Das Teil nennt sich Athene, schaut ganz gut aus, kostet 23 Dollar und soll noch im Frühjahr ausgeliefert werden. Das Team dahinter holt sich von 635 Leuten über 19.000 Dollar.

In der Warteschleife

Der InputStick

Michael Fiedler, Radio FM4

Anfang April 2014 kommt Post vom polnischen Entwickler des Inputsticks, Jakub Zawadzki, der mir eine kleine Schachtel mit dem USB-Stick schickt. Zwei Apps sind zu dem Zeitpunkt schon fertig, weitere sind seither gefolgt. Das Teil funktioniert, wie es soll: Einfach an einen USB-Port stecken und schon kann das Handy die Maus ersetzen oder als Tastatur dienen. Es wird zur Fernbedienung für den Computer. Bis heute verbessert Zawadzki Interface und Funktionen der Apps und die Firmware des Sticks und dokumentiert das auch in seinem Blog. Aber: eine praktische Anwendungsmöglichkeit, die mir meinen Alltag irgendwie erleichtert, will mir bis heute nicht einfallen.

Im Mai 2014 kommt das bislang letzte Kampagnen-Update vom Armband Athene, dessen Entwickler schon vorher in Verruf geraten sind, nachdem eine exakte Kopie ihres Produktes auf der chinesischen Handelsplattform Alibaba.com aufgetaucht ist. Sie schreiben, es gäbe technische Probleme bei der Herstellung, versuchen zu beruhigen und versprechen den BackerInnen, sie würden ihr Produkt bekommen. Seither herrscht Funkstille. Trost finden einige der Abgezockten in den Kommentaren zur Kampagne: "And this, ladies and gentlemen, is the dark side of crowd funding." schreibt da einer. Indiegogo selbst schweigt zur Sache. Dass die Plattform die InitiatorInnen von Kampagnen offenbar nicht einmal auf deren Existenz überprüft, sorgt in solchen Fällen natürlich für einen Vertrauensverlust, der kaum wieder gut zu machen ist. Zu allem Überfluss lässt Indiegogo auch von vornherein als Abzocke erkennbare Kampagnen zu, etwa einen Quantengenerator, der sogenannte Freie Energie erzeugen soll.

Die Geduld und ihr Ende

Auch die kluge Brille Weon lässt auf sich warten. Auch da sprechen BackerInnen bereits von Abzocke und verlangen ihr Geld zurück. Auch hier antwortet das Kampagnen-Team selten auf die vielen Anfragen und Kommentare, bringt kaum Neuigkeiten und vertröstet auf die nahe Zukunft. Kurz vor Weihnachten 2014 kommt das bislang letzte Update. Ziemlich genau ein Jahr nach dem geplanten Auslieferungstermin werde ich auf Twitter Zeuge eines Dialogs zwischen Weon und einem Kunden, der offenbar kurz darauf sein Exemplar zugestellt bekommt. Ich schreibe ein patziges Mail und bekomme als Antwort bloß die Versandbestätigung eines großen Logistikunternehmens. Ein paar Tage später trudelt ein recht zerknautschtes Packerl ein, darin liegt aber unbeschädigt die Weon-Brille. Um die dazugehörige App auch noch zu bekommen, braucht es ein weiteres Mail, weil Google das Programm aus dem Playstore geworfen hat. Das Erfährt man aber ausschließlich in einem Facebook-Posting. Das großteils spanische Entwicklungs-Team ist entweder ziemlich verpeilt oder wirklich überfordert. Auch wenn ich meine Smartglasses letztlich bekommen habe, warten immer noch jede Menge UnterstützerInnen auf die Auslieferung ihres Exemplares.

Die Weon-Glasses und die App

Michael Fiedler, Radio FM4

Weon-Glasses unterscheidet sich fundamental von so gut wie allen Konkurrenzprodukten: Die Brille schaut einfach wie eine Brille aus und hat auch die Basisfunktionen einer Brille. Der Technologie-Journalist Nilay Patel formuliert in seiner ausführlichen Review der Apple Watch das "Law of Wearable Success":

"In order to be successful, any given piece of wearable technology has to be useful the entire time it’s on your body. Prescription glasses sit on your face, but improve your vision all the time, so they’re successful. Sunglasses sit on your face and make you look cooler all the time, so they’re successful. Google Glass sits on your face, but mostly does nothing, so it’s a failure.

Die Steuer-App ist zwar noch ein wenig fehleranfällig und stürzt manchmal ab, ist aber übersichtlich und selbsterklärend. Ein Software Developer Kit soll in nächster Zeit erscheinen und weitere Apps ermöglichen.

Weon-Glasses ist eine gut designte optische Brille, sie gefällt mir, ich trage sie gerne. Und zusätzlich hält sie mich über eingehende Anrufe, Nachrichten und Mails sowie ein paar andere Dinge auf dem Laufenden. Ich habe aufgehört, ständig auf mein Handy zu schauen. Wenn etwas wirklich Wichtiges passiert, blinkt eine LED in meinem Augenwinkel. Dazu kann ich die Musik, die Kamera oder das Mikrophon bedienen. Wenn ich das möchte, warnen mich die beiden mit einander verbunden Geräte davor, wenn sie von einander entfernt werden - ein Diebstahl- oder Verlustschutz.

Die Brille hat keinen Bildschirm, projiziert mir auch nichts auf die Netzhaut, sie nimmt keine Sprachbefehle entgegen und hat keine Kamera eingebaut. Das ist ok, dafür muss sich auch niemand fürchten, ich würde sie oder ihn mit der Brille filmen oder gerade die neueste Folge Better call Saul schauen, während ich sehr interessiert zuzuhören scheine.

Das Erfolgrezept

Das Ding ist relativ simpel und genau das hat mich auch damals, im Herbst 2013 davon überzeugt, mir völlig unbekannten Menschen 79 Dollar für etwas zu geben, von dem sie selbst kaum mehr als eine Vorstellung hatten. Eine Crowdfundig-Kampagne ermöglicht ErfinderInnen nicht nur genug Kapital für den Start einer Produktion aufzustellen, sie bekommen das Crowd-Feedback gleich mitgeliefert. Denn wie eine Idee bei den vielen potentiellen KundInnen ankommt, sagt recht viel über ihr späteres Potential aus.

Das USB-Armband hat fast doppelt so viel Geld bekommen, als die angebliche Marketing-Firma, die es sich angeblich ausgedacht hat, ursprünglich wollte. Heute gibt es ähnlich Produkte wie Sand am Meer. Viele werden vermutlich sogar von den selben Leuten gemacht. Weon-Glasses hat sein Ziel von 60.000 Dollar etwas überschritten. Das Interesse ist da und angesichts des vorläufigen Rückzuges von Google-Glass haben alternative Smartglasses gerade ganz gute Chancen.
Den Inputstick hingegen haben nur 18 Personen unterstützt und dem Entwickler nicht einmal ein Drittel des erhofften Kapitals gebracht. Er funktioniert, aber wer braucht so etwas? Anyone?