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Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

7. 4. 2015 - 18:46

Leer, aber sexy

Eine neue Agentur für Leerstandsmanagement will Kreativlinge mit Raum versorgen. FM4 Auf Laut stellt die Frage, ob Leerstand als Allgemeingut verstanden werden kann.

Bevor die Wiener Wirtschaftsuniversität den neuen WU Campus im Prater besiedelte, stieg im Stuwerviertel die Anzahl leerstehender Häuser. EigentümerInnen warteten auf den goldenen Zeitpunkt, zu dem sich die beste Rendite aus Sanierung, Ausbau, Verkauf oder Neuvermietung holen ließ.

Nachdem die Wiener Wirtschaftsuniversität aus ihrem alten Gehäuse an der Spittelau ausgezogen ist, steigen nun die Leerstände im Alsergrund aufgrund des studentischen Kaufkraftschwunds. Ob konjunktureller, struktureller oder spekulativer Leerstand: es ist ein Politikum.

Ins ehemalige Büro der neuen WU-Rektorin sind dieser Tage ein Architekt, eine Immobilienwirtschafterin und eine Sozialanthropologin gezogen. Die drei teilen sich mit einer Malerin, einem Videocutter, einem Gastronomen und einem weiteren Architekten Büroräume, in denen sie als Agentur Nest eine neuartige Dienstleistung anbieten: Leerstandsmanagement.

Plan vom Alsergrund

Leerstandsmelder

Die Liechtensteinstraße aus Sicht des interaktiven Leerstandsmelders.

Zwischennutzung im Leerstand

Willi Hejda von der IG Kultur begrüßt die neue Agentur. Die Freude darüber, dass sich endlich einmal was zum Thema Leerstand bewegt, dämpft nur, dass die Stadt Wien die Geduld der unabhängigen Kulturszene stark strapaziert.

Da die Agentur Nest nur zwischen privaten Immobilieneigentümern und kommerziellen start ups bzw. kreativwirtschaftlichen Ein-Personen-Unternehmen vermitteln wird, bleiben sowohl der Raumbedarf nicht-kommerzieller Initiativen als auch der Leerstand von Gemeindeimmobilien unbehandelt.

Im rot-grünen Regierungsübereinkommen von 2010 plante die Bundeshauptstadt noch eine eigene Agentur für "Zwischennutzung":

Die "Agentur für Zwischennutzung" sammelt aktiv Meldungen über Leerstände von städtischen, bundeseigenen oder privaten Räumen und bietet diese auf Anfrage an.

Bis heute lässt die versprochene Agentur für Zwischennutzung aber auf sich warten.

Beispiel Reindorfgasse - rein oder raus?

Bis vor wenigen Jahren prägten etwa Geschäftsleerstände die Reindorfgasse im 15. Wiener Gemeindebezirk. Ein paar türkische Frisörläden und alte Cafes und Gasthäuser, sonst sah man hier verstaubte Schaufenster und leere Auslagen.

Wenn du heute durch die Gasse spazierst, siehst du in den Auslagen teure Fixie-Fahrräder, Geschenke für Retrogamer, Mode für Hipster und Avantgarde-Kunst. Ausgehend von der Gasse verändert sich das ganze Grätzel. Der totgeglaubte Schwendermarkt nebenan soll wiederbelebt werden und auch am Sparkassaplatz eröffnen neue Lokale.

Niedrige Mieten und Zwischennutzung von leerstehenden Objekten ermöglichen dem 15. Bezirk eine Imagepolitur. Die Geschäfte, die leer stehen, werden von Tag zu Tag weniger.

Leere Auslage

Ali Cem Deniz

Leerstandspolitik

In FM4 Auf Laut diskutieren wir ab 21 Uhr über Leerstandspolitik in Wien, Linz, Amsterdam - und in Deiner Gegend?

Im Studio zu Gast ist der Politikwissenschafter Raphael Kiczka, der Leerstand als "urban common" betrachtet, also der Allgemeinheit gehörend. Warum bleiben manche (urbanen) Räume ungenutzt? Wer verfügt über sie in welcher Form? Kann Leerstand als Allgemeingut verstanden werden? - Anrufen und Mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996 (Österreich) oder aus dem Ausland: +43-1-503-63-18.