Erstellt am: 2. 4. 2015 - 17:04 Uhr
Die Verbesserung der Erde
Bitter gleitet Vincent Price als titelspendender "The Last Man on Earth" im gleichnamigen, 1964 erschienenen Film durch trostlose, karge Szenarien. Beklemmung und Anspannung dominieren den Film, lange ist es still, oft passiert nichts. Dann wieder tötet der nach einer Seuche letzte auf Erden verbliebene Mensch meist betont unrasant vampirähnliche Kreaturen, die nun den Planeten bevölkern. Es bleibt langsam und klamm.
Die kürzlich angelaufene, von FOX produzierte US-Show "The Last Man on Earth" teilt mit dem Horror-Klassiker mit Price den Namen und Parallelen in der Ausgangslage, schlägt aber in seinen bislang acht ausgestrahlten Episoden eine gänzlich andere Tonlage an, bemüht das gegenteilige Tempo. Die von Hauptdarsteller – er wird entgegen der Behauptung im Titel nicht der einzige bleiben - Will Forte (Saturday Night Live, 30 Rock, MacGruber) mitentwickelte Serie "The Last Man on Earth" ist eine Comedy.
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Den Plot, dessen Variantenreichtum angesichts der Prämisse der Show endlich scheinen muss, treibt die Show überraschend zügig voran. Musikalisch untermalt wird das Ganze von beschwingtem Seventies-Rock, Easy Listening oder gut gelaunten Slide-Gitarren aus der Wüste, Hauptverantwortlicher für den Soundtrack ist Devo-Mann Mark Mothersbaugh, der unter anderem immer wieder auch Wes Anderson musikalisch unter die Arme greift.
In einer sehr nahen Zukunft, die wie die Gegenwart anmutet, dem Jahr 2020, hat ein Virus die Menschheit dahingerafft, als vermeintlich letzter Mann und Mensch Phil Miller gondelt Forte auf der Suche nach anderen Überlebenden durch die gesamten USA und muss auf der Landkarte enttäuscht und alleingelassen Bundesstaat für Bundesstaat durchstreichen.
Andere Shows würden dieses Szenario in Hinblick auf mögliche Thrills, Schockmomente und Verzweiflungstableaus zwei Staffeln lang melken, "The Last Man on Earth" erledigt diesen Ablauf in einer wenige kurze Minuten langen Montage gleich am Anfang der ersten Episode. Danach hat es sich Phil in einer Villa in Tucson, Arizona bequem gemacht und begreift das Alleinsein als Spielplatz der Möglichkeiten: Sein neues Zuhause hat er mit bedeutenden Gemälden, geilen Mitbringseln und Symbolen von Kapitalismus und Popkultur dekoriert: Echte Van Goghs und Rembrandts, ein Trikot von Michael Jordan, Michael Jacksons rote Lederjacke, Dorothys rote Schuhe aus dem "Wizard of Oz".
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Rasieren und Duschen werden abgeschafft, der Swimmingpool wird zur Toilette umgewidmet, seine Tage bringt Phil mit Alkohol, Masturbation und albernen Spielchen zu, die ihm früher nicht möglich gewesen werden: Auf Parkplätzen kegelt er von ihm selbst aus Aquarien errichtete Skulpturen mit Bowlingkugeln nieder, bringt Autos zum Explodieren, lässt sich in einer Ritterrüstung von der automatischen Tennisballmaschine beschießen. Irgendwann wird alles langweilig, sind die Gespräche mit Gott, mit nach "Castaway"-Manier bemalten und zu Notfreunden umfunktionierten Bällen und die Liebe zu einer Schaufensterpuppe nicht mehr ganz erfüllend.
Nach nicht einmal einer Episode, nach knapp 15 Minuten bereitet Phil den Suizid vor, als wie aus dem Nichts eine junge Frau auftaucht: Die großartige Kristen Schaal (30 Rock, Bob's Burgers, Flight of the Conchords) lässt ihre Figur, die regelkonforme Carol, mit der Awkwardness der Normalheit und Gutherzigkeit funkeln: Carol glaubt auch in den Zeiten nach der Menschheit an Gesetz und Moral und wird so zum optimistischen Gegenpol des verlotterten, egoistischen Phil.
Es geht in "The Last Man on Earth" nicht um postapokalyptische Spannung oder die Klärung der Katastrophe, vielmehr um kammerspielhafte Versuchsanordnungen und die Beleuchtung menschlicher Macken und Charakterschwächen. Phil, der letzte Mann, ist eben nicht Heilsbringer und Erlöser. Meistens ist das sehr lustig, "The Last Man on Earth" überstrapaziert im Vergleich mit dem hohen Tempo des Plots die klar schon im Wesen der Show verankerte Skurrilität der Situation aber glücklicherweise eben nicht und haushaltet auch mit der Gagdichte. So bekommt die ganze Angelegenheit eine seltsame Aura von Glaubwürdigkeit.
Aus der Not geborene Sympathien lassen Phil und Carol immer wieder verdrängen, dass sie einander doch gehörig auf die Nerven gehen. Schon bald werden einige wenige weitere Figuren Phils kaputtes Idyll der Maßlosigkeit und Egalheit stören und in dem Klotz das Verlangen erwecken, doch einmal wieder so etwas wie Zivilisation vorzutäuschen.
Selbst wenn die Motive dafür bloß Geltungssucht und gekränkter Gockelstolz sein mögen. So wird hier im Allerkleinsten eine neue Gesellschaft erprobt, es kommt zu Eifersüchteleien und Neid, hinter all dem Witz wird in Verhaltensmustern und intermenschlichen Zwängen nachgebohrt. Das Wunderbare an der Welt, so dürfen wir wieder einmal erfahren, aber auch die Hölle - das sind bekanntlich die anderen.