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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

1. 4. 2015 - 18:00

Ehrlich

Ich erfinde keine Geschichten!

Viele fragen mich, ob alles, was in diesen Kolumnen steht, der Wahrheit entspricht. Deshalb sage ich euch heute am 1. April 2015, um weitere Missverständnisse zu vermeiden, dass alles, was ich euch erzähle, nur die Wahrheit ist! Ich enthalte euch nichts vor und Geschichten erfinden tu ich erst recht nicht!

Lügendetektor

CC BY-SA 2.0 von Gabriel Rodriguez flickr.com/chewie/

Schon seit frühem Kindesalter erzählte ich gerne, was in der Schule passiert ist. Meine Eltern fielen daher immer wie aus allen Wolken, wenn sie zum Elternsprechtag gingen. So waren so überrascht, dass mein Vater einmal dachte, die Lehrer würden über ein anderes Kind reden oder er habe gar die Schule verwechselt. Als ihm klar wurde, dass es doch kein Missverständnis gab und es wirklich um mich gehe, wurde er so traurig, dass er in die Kneipe nebenan ging und sich bis in die frühen Morgenstunden besoffen hat. Meine Mutter war danach so verärgert über meinen Vater, dass die beiden vergaßen, mich wegen meiner Schulgeschichten zu bestrafen.

Meine Ehrlichkeit ist auch in späteren Jahren ein besonderes persönliches Merkmal geworden. Meine Eltern hatten Bekannte, die uns oft in ihr Ferienhaus in einem Balkandorf einluden. Meine Eltern gingen ungern dort hin, da die Gastgeber wirklich schrecklich kochten. Es war fast ein Wunder, wie durch sie aus solch ökologisch reinen Produkten so unglaublich scheußliche Mahlzeiten entstanden. Die einzige Person, die immer alles aufaß, war ich. Das machte mich zum Liebling der Gastgeber. Ich war der lebende Beweis, dass sie köstlich kochen können. Nicht nur, dass ich die wie Gummi harten Rindersteaks immer aufaß, ich bat auch um Nachschub. Das versetzte die Gastgeber in Extase und brachte meiner Familie eine weitere Essenseinladung ein.

Mit Akzent

Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Im Radio und auch als Podcast zum Anhören.

"Die Leiden des jungen Todor"
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Die Wahrheit war, dass mir meine Mutter zu Hause immer weniger zu essen gab, damit ich nicht zunehme. Das war meine Rache an ihr. Sie konnte mich nicht stoppen, wenn ich meinen Teller mit scheußlichem Salat nachfüllte. Sie konnte auch nicht sagen, dass ihr das Essen nicht schmecke. Ich habe noch nie so viel gegessen, wie im Haus von diesen Leuten. Doch seitdem spüre ich immer einen leichten Gummigeschmack im Mund, wenn ich Rindersteaks esse.

Ich überlege mir ernsthaft, Politiker zu werden. Ich besitze alle dafür nötigen Qualifikationen: ich bin groß, schlank, unbestechlich (bisher hat auch niemand versucht, mich zu bestechen), intelligent und am wichtigsten - ehrlich.