Erstellt am: 1. 4. 2015 - 15:35 Uhr
Lenhardts Spielejahr 1984
Heinrich Lenhardt
Er ist einer der dienstältesten Spielejournalisten im deutschsprachigen Raum und vor allem für seinen amüsanten Schreibstil bekannt. Nach drei Jahrzehnten des Testens von Computerspielen hat Heinrich Lenhardt nun ein Buch geschrieben: "Lenhardts Spielejahr 1984" – eine historische Aufarbeitung und eine Erinnerung an den Anfang seiner Karriere.
Das Jahr 1984 ist in Bezug auf digitale Spiele historisch besonders interessant: Es liegt zwischen dem Zusammenbruch der Videospielindustrie ein Jahr davor und ihrer Neuerfindung ein Jahr danach als das Nintendo Entertainment System in den USA und Europa auf den Markt kam und das moderne Games-Zeitalter einläutete. 1984 war ein Jahr dazwischen, in dem einerseits versucht wurde, am Bestehenden festzuhalten, wo aber auch viel experimentiert worden ist.
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Als vieles begann
Journalist vom alten Schlag, der nur schreiben will? - Mitnichten. Heinrich Lenhardt war auch früh im TV und auf den ersten CD-ROMs unterwegs.
"King's Quest", "Boulder Dash", "Elite" oder "Summer Games" – alles Spiele bzw. Spieleserien, die 1984 erstmals erschienen sind. Es war der Beginn des Aufstiegs der Heimcomputer, denn von Spielkonsolen wollte nach dem Zusammenbruch der Industrie erst mal niemand was wissen. Mit Computern konnte man hingegen viel mehr machen als nur spielen! - Doch schlussendlich haben natürlich trotzdem alle am liebsten damit gespielt.
Heinrich Lenhardt hat 1984 seine Journalistenkarriere als 19-jähriger Praktikant bei der "Happy Computer" begonnen. Eigene Games-Magazine gab es damals im deutschsprachigen Raum noch nicht, Spieletests waren ausschließlich in Computerzeitschriften untergebracht. Diese waren sehr Technik-fixiert und richteten sich nur geringfügig an "normale" Anwender/innen sondern mehr an Fachleute. Heinrich Lenhardt konnte aber weder (technisch) Basteln noch Programmieren. Er wollte über Spiele schreiben. Mit digitalen Spielen als Kulturgut war es damals noch nicht so weit her, sie waren vielmehr "Programme", zunächst auf der selben Ebene wie eine Tabellenkalkulation oder eine Textverarbeitung.
Heinrich Lenhardt
Doch dank seines sympathischen Auftretens, Esprits und natürlich eines ansprechenden Schreibstils wurde Heinrich Lenhardt auch als Techniklaie Spieletester und hat 1984 begonnen, sich mit den Computersystemen der damaligen Zeit vertraut zu machen: Atari 800, Apple II, Spectrum, C64, und so weiter. Gut 30 Jahre später folgt nun der Blick zurück, bei dem natürlich alle vorgestellten Titel aus 1984 nochmal gespielt wurden.
Aus damaliger und heutiger Perspektive
Heinrich Lenhardt stellt jedes der 50 ausgewählten Spiele in einem historischen als auch zeitgenössischen Kontext vor. Die Artikel werden durch eigene ältere und manchmal auch fremde Textausschnitte ergänzt – mal kommen sie von früheren Journalistenkollegen, mal von den Spielemachern selbst. Einige der Spiele in "Lenhardts Spielejahr 1984" sind bekannte Namen, von anderen hat man wiederum noch nie gehört. Oder kennt jemand "Park Patrol", "Whistler's Brother" oder "The Castles of Dr. Creep"? Die Vorstellung unbekannterer, aber interessanter Games, die weitgehend in Vergessenheit geraten sind, war dem Autor beim Konzipieren und Schreiben des Buches wichtig.
Heinrich Lenhardt schafft den Spagat, lexikalisches Wissen amüsant aufzubereiten und mit kleinen Anekdoten auszuschmücken. So erfährt man zwischendurch etwa so manche Begebenheit aus den damaligen Redaktionen des "Markt & Technik"-Verlages und auch, dass Mitte der 80er Jahre schon einige bemerkenswerte Innovationen am Start waren - etwa erste Echtzeitstrategiespiele ("The Ancient Art of War") oder die erste Game-Sandbox mit dem Weltraumspiel "Elite".
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fm4.ORF.at/games
Schade nur - vor allem wegen Lenhardts locker-lustigem Schreibstil -, dass neben den alphabetisch sortierten Games-Vorstellungen nicht mehr über die damalige Spielezeit allgemein geschrieben wurde. Für Einsteiger/innen und jüngere Gamer/innen ist "Lenhardts Spielejahr 1984" deshalb oft nicht immer einfach nachzuvollziehen. Für Spielekultur-Fans und Retro-Menschen ist das E-Book dafür umso geeigneter.