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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 4. 2015 - 13:50

The daily Blumenau. Friday Edition, 03-04-15.

Schuldlose Führer, schwule Heteros und andere Opfer. Ein Wochenrückblick.

#demokratiepolitik #sexualpolitics

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Irgendwie war ich nicht so recht da, diese Woche. Hat mit einem Finalisierungs-Termin am 31.3. und einer kleinen Erkrankung direkt danach zu tun. Not aus Tugend -> Wochenrückblick.

1) war der Führer nur ein Opfer seiner schlechten Berater?

Die neue Chefin einer marginalisierten Partei, deren Erbhof ein schnell vermoderter Grabhügel ist, muss sich in ihren Antrittserklärungen mit dieser Vergangenheit auseinandersetzen und sagt da, dass der alte Chef des BZÖ Probleme mit seiner "schlechten Menschenkenntnis" hatte. Es waren also die Berater, das Umfeld, wohl die sogenannte Buberl-Partie, die mit Meischberger, Grasser oder Westenthaler anfing und mit Petzner endete.

Das ist eine durchaus beliebte Strategie, um überlebensgroße Mythen ideologischer Bewegungen zu schützen: der Führer selbst war gar nicht so... der wusste das Schlimme nicht... der wurde von seinen Vertrauensleuten hintergangen... etc... Mit dieser global präsenten (aber im deutschsprachigen Raum in seiner Perfidie perfektionierten) Taktik hat sich schon eine ganze mit Schuld beladene Generation implizit aus der Verantwortung genommen. Sie, die sie ja selber nur der Person der Gröfaz verfallen waren, wären quasi Mit-Opfer des Täuschungsversuchs der bösartigen Umfelds, dass auch den (eigentlich guten) Hitler missbraucht hatte. Ein beliebtes Narrativ vieler Mitläufer aus der Nachkriegszeit. Eines, das in jeder Ideologie funktioniert, Hauptsache die Herrschaftsform ist eine autokratische, die einen Großteil der Bevölkerung hinter sich bringt. Das träfe auf die Anfangs-DDR ebenso zu wie aufs heutige Russland, Erdogans Türkei, Orbans Ungarn oder eben Haiders Kärnten.

Diese Strategie ist deshalb so erfolgreich und wird deshalb so gern angewendet - und floss der neuen BZÖ-Chefin auch deshalb so ungefiltert aus dem Mund - weil sie auf einen populären Mythos referenziert: der Anfälligkeit von Genie/Wahnsinn bei großen Führerpersönlichkeiten und der Personalisierung von historischen Entscheidungen.
Die Wahrheit dahinter, dass nämlich all diese Leader ein System etabliert haben, innerhalb dessen (und mit ihrer Zustimmung) die wichtigen Prozesse automatisiert werden (wo dann die Eichmanns dieser Welt wertvolle Dienste leisten), wird dadurch elegant weggeblendet. Mit diesem Wegschauen schützt sich der Fan schon prophylaktisch, kann so immer sofort zum Getäuschten, oder zum Co-Getäuschten mutieren. Wiewohl es zumindest jedem Kärntner möglich war, das System Haider früh zu erkennen.

Das niedrige Diskurs-Niveau der Aufarbeitung dieser dunklen Zeit (das sich etwa in der flotten Niederschlagung dieser kleinen Fußball/Korruptions-Episode zeigt) und die Angst davor, den vielen der Vergangenheit Nachtrauernden an den Karren zu fahren, machen Entschuldigungs-Arien der Marke Trodt-Limpl erst möglich. Wahrhaftiger werden sie dadurch nicht.

2) das Manderl, die neue Männlichkeit und das Hetairoi

Distanzierung vom System Haider gibt es - vor allem in den eigenen Reihen, bei der von Haider auf rechten Vordermann gebrachten FPÖ - nur in einem einzelnen Segment; dem der Sexualität, besser den sexual politics.

Seit Jahren betont die neue Führung - auch unter Benutzung des Aushängeschilds HC Strache und seiner privaten Status-Meldungen - die strikte Heterosexualität des nationalen Lagers; um sich von der offen gelebten Bisexualität des Haider-Camps abzusetzen. Manchmal sogar mit rüden homophoben Abwürfen.

Die alte Richtschnur-Weisheit, dass dann, wenn die Homophobie besonders derbe geäußert wird, selber latente (und im ideologischen Glauben dringend zu bekämpfende) Homosexualität dahintersteckt, muss in diesem Fall nicht greifen. Zu tief sitzt immer noch der Schock innerhalb der nationalen Kernschichten, sich Haider, dem politischen Genius, aber dem sexuell-liberalen Teufel ausgeliefert zu haben und seiner Ausweitung der gewohnten Kampfzonen machtlos zusehen haben zu müssen.

Dass Haiders sexual politics letztlich nur eine Fortführung altgriechischer und -römischer Traditionen war, dass latente und ausgelebte Homosexualität in anderen theoretisch viel strikteren Kulturkreisen durch deren Natur der Männerbündelei stark entwickelt hat (die Qualität der Libyen-Kontakte ist kein Zufall), dass Abwertung von Frauen als Haushalts- und Gebärmaschinen (wie im rechtsrechten nationalen Lager üblich) gleichzeitig die Aufwertung der Männerfreundschaft, dem Hetairoi im alexandrinischen Sinne nach sich zieht, ist dabei kein Thema.

Es geht dabei nicht um eine Aufarbeitung samt Beschäftigung und vielleicht Neujustierung allzu überkommenen Altvattrigkeiten, sondern ausschließlich um die Festschreibung der Heteronormativität, um die Fiktion einer weiteren Bedrohung einer zunehmend entrechteten Mehrheitsgesellschaft. Zu den Ausländern und den linken Gscheidhansl'n, die uns Jobs und Frauen wegnehmen, zu den Frauen, die jetzt schon in der Hymne vorkommen wollen, kommen dann auch noch die vielen Sonstwas-Sexuellen, die uns in unserer Stammtisch-Verschwitztheit bedrohen.

Ich bin im übrigen in meinem privaten Umfeld mit der Absurdität konfrontiert, dass eine gute Freundin einer sehr guten Freundin meiner Frau die Freundin des nämlich Volksverdummungssängers ist und im Freundeskreis der Spruch, dass der G. doch kein so Schlechter sein könne, weil er doch mit einer guten Frau und so, kursiert.
Mir sagt das nur, dass die sprechende Lederhose kein Volltrottel, sondern ein sehr genau Berechnender ist.

Es oblag jüngst Straches scheinunpolitischem Arm, dem völkischen Sänger Gabalier sich hier als Rächer der Entrechteten zu stilisieren, und das einzufordern, was in Österreich eh weitestgehend und gesetzlich (teilweise gegen EU-Standards) festgeschriebene Machtverhältnis-Standards sind. Sich in einer weinerlichen Pose zu beklagen, dass die Mehrheitsverhältnisse durch zunehmende Minderheiten-Rechte bedroht sind, entbehrt zwar jeder Grundlage (ist in etwa so real wie die Bedrohung der Pegida-Dresdner durch die 0,irgendwas Prozent Muslime dort) und entlarvt sich schnell als unwürdiges Löwingerbühnen-Schaustück, kommt aber dort, wo es an/hinkommen soll, gut an.
Dort nämlich wo der Bierzelt-König Gabalier als jemand angesehen wird, der brave und schöne Werte vertritt (die man - im besten aller Fälle - nicht an die Rechtsnationalen abtreten will), fallen Ku-Klux-Clan-Botschaften wie die seiner Amadeus-Rede auf fruchtbaren Boden - weil an ihre Ideologiefreiheit geglaubt wird.

Die Umkehrung des Opfer-Diskurses, die von rechtsnationaler Seite (letztlich eh schon seit '45, zuletzt aber wieder recht) stark betrieben wird, ist an Widerlichkeit kaum zu überbieten. Weil auch sie aber bereits seit den in Teil 1) angesprochenen Ausreden-Diskursen gute österreichische Tradition hat, fällt sie mittlerweile nicht mehr auf.

Fakt ist: hätte sich die FPÖ - direkt oder indirekt - mit der sexuellen Orientierung des Systems Haider auseinandergesetzt und womöglich einen differenzierten Standpunkt erreicht, dann wäre sie um eine Angriffsflanke umgefallen, die in künftigen Wahl- und sonstigen Auseinandersetzungen noch wichtig werden wird. Denn der Spruch, dass man es ja doch noch sagen würde dürfen, dass man sich als Manderl, das auf Weiberl steht, zunehmend auf bedrohtem Posten sieht, der wird in die politische Rhetorik der FPÖ Eingang finden; noch dazu mit dem Verweis, dass er ja nicht aus den eigenen Reihen, sondern aus der Mitte der Gesellschaft komme.

Dass die Rechtsaußen-Äußerungen eines Gabalier nichts mit Werten der Mitte oder der Mehrheitsgesellschaft zu tun haben, dass die Forderung nach Toleranz nur die zynische Umkehr von Minderheitenrechten ist und sich eine wahrhaft tolerante Gesellschaft eben dadurch auszeichnet, dass sie auch dort toleriert wo es wehtut - das wiederum ist eine andere Geschichte.