Erstellt am: 31. 3. 2015 - 16:00 Uhr
Hot Chip
Wenn man AC/DC ist, könnte man selbst im Rollator auf die Bühne fahren. An Mick Jaggers jugendliches Gesicht erinnert sich vermutlich kein Groupie mehr. Und bei Cher hat man sich längst an ein singendes Ersatzteillager gewöhnt.
Wie also in Würde altern im Pop?
Steve Gullick
Hot Chip haben sich dieser unangenehmen Frage nicht nur im FM4-Interview in Berlin gestellt. Das Thema dient den Electro-Poppern aus London auch als Grundlage für das neue, am 15. Mai erscheinende Album „Why Make Sense“. Hier erste Auszüge aus dem Gespräch.
In „Huarache Lights“, dem Vorabsong zum Album, heißt es im Text: „Replace us with things that do a better job“. Leidet ihr an einer Midlife Crisis oder ist bei euch der Kulturpessimismus ausgebrochen?
Beides! Aber vordergründig stellen wir uns die Frage, ob man mit Mitte 30 noch die Popmusik machen kann und sollte, die wir machen - also in erster Linie in Richtung Club gedacht.
Und das Ergebnis? Mit einer Folk-Platte von Hot Chip ist wohl in Zukunft kaum zu rechnen?
Die Unsicherheit hat sich mit der Aufnahme des Albums schnell gelegt. Dennoch haben wir die Frage offen gelassen. Wir hoffen, dass das Album die passende Antwort gibt. Aber das zu beurteilen, liegt nicht in unserer Hand.
Wolltet ihr euch mit dieser Ansage auch vom nerdigen Image eurer Band befreien? Seit Bestehen von Hop Chip werdet ihr an Innovation und Hipness gemessen.
Wir sind schon lange nicht mehr „ahead of the curve“. Im Gegenteil: Wir sehen, dass wir auf dieser Kurve immer weiter zurückrutschen. Wichtig war uns, diesbezüglich ehrlich zu sein und nicht so zu tun, als ob alles so wie immer ist. Es klingt banal, aber es geht um die Frage, ob man noch wirklich zu dem steht, was man macht.
Ist das der Grund, warum ihr das Album erstmals live in einem Studio eingespielt habt und noch tiefer in der Dance History stöbert als schon bisher?
Afroamerikanische Musik ist die Grundlage von Hot Chip. Das ist, was wir lieben und wir umarmen diese Liebe auf dem neuen Album ganz heftig (lacht). Die Musik ist viel direkter als bisher. Und ja, das liegt natürlich an dem Umstand, dass nicht alles aus meinem Rechner kommt, sondern quasi im Studio von sämtlichen Mitgliedern der Band umkomponiert und eingespielt wurde.
Man darf ja noch kaum etwas verraten vom neuen Album, aber für mich klingt es ein bisschen wie der etwas aufgewecktere Bruder der letzten Daft Punk Platte, was Style und Anmutung betrifft.
Was sie gemeinsam haben, ist die Liebe für eine bestimmte Phase von Clubmusik – Ende der 70er- / Anfang der 80er-Jahre. Und der Umstand, dass beide Alben richtig altmodisch im Studio aufgenommen wurden und man sich dabei sehr viel Zeit gelassen hat. Aber ein direkter Einfluss sind Daft Punk nicht.
Nochmal auf die Textzeile von „Huarache Lights“ zurückkommend. Der Co-Founder von Apple, Steve Wozniak, hat unlängst in einem Interview die Befürchtung geäußert, dass Computer bald den Menschen ablösen könnten. Du hast, umgemünzt auf die heutige Musikproduktion, etwas Ähnliches gesagt.
Klingt komisch aus dem Mund eines Soundtüftlers, nicht? Aber ja, die Software wird immer intelligenter und proaktiver. Es lassen sich dadurch relativ einfach sehr beeindruckende Resultate erzielen, aber auch kompositorische Mängel überdecken. Was aus meiner Sicht viel bedenklicher ist: die Unschärfen und kreativen Fehler, also alles Menschliche, geht durch die zunehmende Dynamik der automatisierten Abläufe verloren. Was einem als Musiker, der damit sein Geld verdient, auch Sorgen bereiten sollte: die Automatisierung kostet gerade sehr vielen Menschen ihren Job, angefangen bei Orchestermusikern bis zu Studiotechnikern, und wir stehen hier erst am Anfang einer Entwicklung. Also ich bin voll bei Wozniak.
Das neue Hot Chip Album heißt „Why Make Sense“. Was war das Sinnloseste, das du in letzter Zeit getan hast?
Ein Album aufnehmen, dafür drei Jahre brauchen, viel Geld hineinstecken und es dann am Tag der Veröffentlichung auf Spotify zum Streamen freigeben. To me that doesn't make any sense!