Erstellt am: 29. 3. 2015 - 13:22 Uhr
Tasse halb leer
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Schamgefühl, Eifersucht und emotionales Unwohlsein sind schöne Motoren für schöne Lieder und gute Kunst. Sich selbst unsicher und blöd fühlen – das beflügelt die Gedanken. Von Gewinnern und souveränen Premiumtypen der Gesellschaft, von geglückten Lebensläufen will ja keiner hören und lesen.
Das in Philadelphia ansässige Quartett Hop Along wird mit seinem demnächst beim Indie-Giganten Saddle Creek erscheinenden zweiten Album voller krachigem Indiepop und fein aus der Garage gerotztem Bierdosenrock ein bisschen durch die Decke gehen, mit ihrer aktuellen Single bohrt die Band noch einmal mit einer kleinen Geschichte in einem normalen alltäglichen Leben aus der 9 to 5 Welt nach. Gern wünscht man sich von der Kunst Unvernunft, Wahnsinn, Voodoo, Surrealismus, Science Fiction, Schabernack und Hexenbeschwörung, manchmal kann auch eine möglichst realitätsnahe Abbildung uns bekannter blöder Verhältnisse Freude bereiten.
Hop Along
"Waitress" nennt sich der gut aufgekratzte neue Song von Hop Along und darum geht es an der Oberfläche und in erster Linie: Wie das so sein kann, wenn man den Menschen, die einem durchaus unangenehm begegnen können, den Kaffee und die Teller hinstellen muss und dazu vielleicht auch die Knete nicht so super stimmt.
Gleichzeitig umkreist, umschifft und umspielt Frontfrau Frances Quinlan hier mit noch selten gehörter Stimme - absolutes Alleinstellungsmerkmal von Hop Along - die Töne, torkelt, zerbricht, jubiliert und singt von dem schlichten Umstand, wenn man einer Person just gerade in diesem Moment nicht begegnen möchte, der Situation aber nur schwer entfliehen kann. Man versteckt sich auf Einkaufsstraßen in Hauseingängen und duckt sich in der U-Bahn weg, um nicht mit achtelbekannten Menschen darüber reden zu müssen, was man denn gerade so macht.
Die Hauptfigur im Song "Waitress" erwischt es doppelt unangenehm: Der Gang, die gerade ihren Arbeitsplatz betreten hat, scheint die neue Liebe einer ehemals geliebten Person anzugehören. Man kennt sich von Fotos. Kann jemand anderer den Tisch übernehmen? "I just wish you and your friends would leave", singt Frances Quinlan, die Gruppe bleibt jedoch bis zum Ende, bis der Laden schließt, ein Aufeinandertreffen ist unvermeidlich.
Dass das alles so schlimm nun auch wieder nicht ist, ist Hop Along klar, sie singen davon mit jugendlichem Überschwang und überbordender Young Adult Angst und wissen, dass die heißen Stiche der Beklemmung der Popmusik Feuer geben.