Erstellt am: 25. 3. 2015 - 13:59 Uhr
Die lustige Literaturwelt
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Im Radio und auch als Podcast zum Anhören.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es im FM4 Shop.
Vor meinem Auftritt gehe ich auf der Messe spazieren. Ich schwimme im Büchermeer. Alle mögliche Länder, Sprachen und Kulturen sind dort präsent. In der Zentralhalle der Messe sind Fernsehstudios der verschiedenen Kanäle des deutschen Bildungsfernsehens aufgebaut. Dort diskutieren ernsthafte, echte Autoren die ernsthaften Probleme, vor denen Europa steht. Die russische Bedrohung, die Schuldenkrise, der Zerfall der multikulturellen Gesellschaft. Was will ich wohl mit meinem Büchlein mit völlig unernsten Kurzgeschichten erreichen?
Ich wandere weiter durch den Messedschungel. Ich finde einen serbischen, einen kroatischen, einen montenegrinischen und einen rumänischen Stand. Einen bulgarischen Stand gibt es nicht. Ich könnte sonst ein paar Bulgaren zu meiner Lesung einladen. Ich fühle mich verloren und allein. Obwohl ich jeden Tag mein Buch mit meinen gesammelten FM4-Kolumnen irgendwo vorstelle, habe ich Angst. Ich habe ein Hemd an. Meine Mutter hat es mir speziell für diese Angelegenheit geschenkt. Da meine Mutter glaubt, dass ich dick wie ein Nilpferd bin, ist mir das Hemd zwei Nummern zu groß. Ich fühle mich wie Demis Roussous in seinen frühen Jahren. Er ist ja immer in einer Robe aufgetreten.
Ilias Dahimene
Ich versuche mich aufzuheitern, indem ich an den japanischen Sumoringer bulgarischer Herkunft Kalojan Mahljanov-Kotooshu denke. Er ist zwar riesig, aber er wurde am Anfang seiner Kariere verspottet. In einem Interview sagt er aber: "Am Anfang musste ich die großen Meister am Rücken kratzen, jetzt wird mein Rücken von anderen gekratzt!" Ich wäre so gerne Kotooshu. Er hat es in Japan leicht, er muss nur seine Kämpfe im Ring gewinnen. Oder wie auch immer dieser Sandkreis im Sumo heißt. Und ich stehe hier gegen die Weltliteratur. Das ist ein von vornherein verlorener Kampf.
Die Lesung fängt lustig an. Der Moderator kann meinen Namen nicht richtig aussprechen. Er sagt, er habe es fünfzehn Minuten geübt und trotzdem nicht ganz geschafft. Ich lächele ihn an. Ich fühle mich wie Bill Murray in "Lost in Translation". Ich suche nach meiner Scarlett Johansson im Publikum. Ich sehe rotwangige deutsche Bürger und wie Pikachu gekleidete Jugendliche, die für die parallel laufende Mangamesse da sind und sich anscheinend verirrt haben. "Mein Name ist Todor Ovtcharov und ich repräsentiere Österreich", sage ich und alle lachen. Mein Name im Zusammenhang mit Österreich löst immer Gelächter aus. Es ist viel leichter vor lachenden Leuten vorzulesen.
Das Publikum lacht auch, wenn sie meine Geschichten über die Leiden eines Bulgaren in Wien hören. Ich bin ein Beispiel des "gescheiterten Multikulturalismus" in Europa. Nach der Lesung unterhalte ich mich mit einigen Frauen, die sich für Bulgarien interessieren. Sie finden es herrlich, dass ich ein österreichischer Autor bin. "In Österreich finden sie immer so lustige Autoren!", sagen sie.