Erstellt am: 25. 3. 2015 - 17:25 Uhr
Von Anfang an auf sich selbst hören
"Ma Folie" beginnt als klassische Liebesgeschichte, beziehungsweise als jene Illusion, die man Liebe auf den ersten Blick nennt: Hanna ist Erasmusstudentin in Paris, in einer Bar sieht sie Yann: Augenkontakt, ein verstohlenes Lächeln hier, eine Hand vor den Augen da, er geht ihr nach und schon ist es um die beiden geschehen. Andrina Mračnikar hält sich nicht lange mit der kitschigen Romanze auf, sondern baut von Anfang an Momente der Verunsicherung und kleine Grabenkämpfe ein in die Beziehung zwischen der Therapeutin und dem jungen Mann, von dem man nur weiß, dass er in einer Band spielt und Sohn einer Deutschen und eines Rumänen ist, ein.
Yann setzt Hanna von Anfang an unter Druck, subtil zunächst, indem er Hals über Kopf nach Wien kommt und bei ihr einzieht. Doch innerhalb kürzester Zeit schlägt sich seine Eifersucht in Gewalt nieder. Gänzlich aus Hannas Perspektive erzählt, ist "Ma Folie" Liebesgeschichte, Psychothriller, Horror und, nicht zuletzt, ein Film über die manipulative Kraft der Bilder.
Thomas Maier
2005 hat Andrina Mračnikar den Carl-Mayer-Drehbuchpreis für das Treatment zu "Ma Folie" bekommen. jetzt, zehn Jahre später kommt der Film in die Kinos. Ein langer Weg von Irrungen und Wirrungen hin zu einem selbstbewussten Spielfilmdebüt, wie sie im Interview erzählt:
Anna Katharina Laggner: Weshalb hat die Entwicklung des Buchs so lange gedauert, beziehungsweise war das überhaupt lang?
Andrina Mračnikar: Ja, es war eine lange Zeit. Ich habe mir damals auch gedacht, dass es viel schneller gehen wird. Ich hatte Schwierigkeiten mit einer Produktionsfirma und habe in der Drehbuchentwicklung lange das Gefühl gehabt, dass mir Dinge vorgegeben werden oder dass es schwierig ist, das Eigene durchzusetzen und zu finden.
Die Grundidee der Geschichte würde ich so zusammenfassen, dass die gegenseitige Fremdheit in Beziehungen zu einem totalen Vertrauensverlust führen kann, bis hin zu einem Grauen, das in den Wahnsinn führt. Was war die Schwierigkeit für dich bei der Entwicklung des Drehbuches?
Von Anfang an gab es diese Liebesgeschichte zwischen Hanna und Yann und dass diese Geschichte sich zum Thriller und zum Grusel entwickelt. Und die lettres filmés waren immer ein sehr wichtiges Element. Das sind gefilmte Liebesbriefe, die Yann an Hanna schickt. Sie haben etwas sehr Essayistisches, sind am Anfang sehr romantisch und werden dann immer gruseliger und bringen ein Horrorelement in den Film. Die Schwierigkeit war das Herausarbeiten von einem Grundthema - das hat am Ende mit meiner Dramaturgin Kathrin Resetarits gut funktioniert. Das Grundthema, das sich in jeder Szene findet, ist Vertrauen, Misstrauen, Spiegelung, wer macht sich ein Bild von wem, wer projiziert was in wen, von was macht man sich ein Bild und wie vertraue ich meiner Wahrnehmung. Im letzten Schreibprozess was es die Herausforderung, das in jeder Szene widerzuspiegeln und jeweils einen anderen Aspekt davon zu zeigen.
Wie wichtig ist dramaturgische Beratung für dich? Im Prozess des Schreibens ist es ja wichtig, dass man die Geschichte bei sich selbst behält und da können DramaturgInnen auch sehr stark beeinflussen und einem die Geschichte entziehen.
Man ist in so einem Schreibprozess, gerade wenn es der erste Langspielfilm ist, unsicher und wird durch verschiedenste Dinge noch mehr verunsichert. Es ist immer schwierig, wenn andere Leute dazukommen und ihre Meinungen abgeben, weil man meistens aus einer Grundidee ganz viele verschiedene Filme machen kann. Deswegen kann die Arbeit mit Dramaturgen auch eine ganz falsche Richtung nehmen und einen weit von dem wegbringen, was man eigentlich will und wollte. Bei mir war das ein langer Prozess. Am Ende bin ich wieder zu dem gekommen, was mir wichtig ist. Ich war dann im Schreiben schon sehr verunsichert und hab über einen großen Umweg wieder zu dem gefunden, was eigentlich mein Thema ist. Ich denke, dass gute Dramaturginnen und Dramaturgen das können müssen und sollen, dass sie den Autorinnen und Autoren helfen, das Eigene herauszuarbeiten.
War da auch schon Verzweiflung dabei?
Ja, bis zu dem Punkt, dass ich keinen Satz mehr schreiben konnte.
Es kann ja manchmal auch gut sein, dass man etwas lange liegen lässt. Denkst du dir jetzt im nachhinein, da hätte man sich sehr viel sparen können oder hat es die Umwege gebraucht, um dann in voller Stärke zu dem zu finden, was du willst?
Das ist eine schwierige Frage. Viele dieser Umwege hätte es, glaube ich, nicht gebraucht. Es waren nicht all diese Umwege nötig, um mich jetzt zu diesem Punkt zu führen.
Filmladen Filmverleih
Auch die Produktion deines Filmes war nicht ganz einfach. Es ist dein Langspielfilmdebüt, aber du warst ja vorher schon durchaus erfolgreich mit kürzeren Arbeiten, etwa "Der Kärntner spricht Deutsch", einer 60-minütigen dokumentarischen Arbeit. War es schwierig, eine Produktionsfirma zu finden?
Ich muss sagen, jetzt am Ende, mit dem Produzenten Lukas Stepanik und extrafilm war es nicht schwierig für mich, weil ich das tun konnte, was ich wollte, weil ich das Gefühl hatte, da wird mir nicht reingeredet. Ich konnte eigentlich alles selbst entscheiden, ob es jetzt um den Cast geht oder welche Szenen ich streiche oder nicht. Natürlich gibt es finanzielle Zwänge, aber die gibt es immer.
Es ist für viele junge Regisseurinnen und Regisseure schwierig, eine Produktionsfirma zu finden, wo sie eine produktive Meinung hören, wo jemand Anteil nimmt an einem Projekt ohne sich einzumischen.
Ich sehe das in meinem Umfeld: in Österreich drehen viele ihre ersten, zweiten Langspielfilme ohne Produktionsfirma oder mit ganz kleinen, eigenen Produktionsfirmen und damit auch mit sehr kleinem Budget, weil sie diese langen Drehbuchprozesse umgehen wollen. Und weil es schwierig ist, dass man eine Produktionsfirma findet, die die gleiche Idee vom Stoff und vom Film hat. Und wo man gemeinsam das gleiche Ziel verfolgt.
War es auch für dich schwierig, die richtige Produktionsfirma zu finden?
Ja.
Besteht die Herausforderung also darin, die Balance zwischen fruchtbarer Zusammenarbeit und Einmischung von außen zu finden?
Ich glaube das Wichtige ist, die gemeinsame Grundidee und Grundvision - Vision ist ein seltsames Wort - eine Vorstellung von einem Film zu teilen. Und was ich wichtig finde, ist Grundvertrauen und dass man auf Augenhöhe miteinander spricht. Wenn man als junge Filmemacherin beginnt, ist das schwierig. Das fand ich in der extrafilm sehr schön, dass man auf Augenhöhe miteinander reden konnte und dass ich gewusst habe, der Lukas Stepanik vertraut mir, dass ich das kann, was ich tue.
Was hast du aus diesen, doch auch negativen Erfahrungen in der Entwicklung des Filmes für dich gezogen? Was möchtest du auf jeden Fall beim nächsten Film anders machen?
Vielleicht von Anfang an mehr auf mich zu hören und meiner Idee mehr zu vertrauen und mir das auch nicht ausreden zu lassen. Weil es ist mein Film, es ist meine Idee, wer kann da besser wissen, was richtig ist, als ich. Das habe ich für die nächsten Projekte gelernt: Dass niemand anderer so gut weiß, wie die Geschichte sein soll, wie ich. Das ist ja nicht nur eine Laune von mir, sondern macht das Produkt besser. Je mehr Leute mireden, desto schwammiger wird das Ganze. Dann einigt man sich auf Kompromisse und die Sachen stimmen hinten und vorne nicht. Deswegen hat die Autorenschaft, die man auch Unabhängigkeit nennen kann, auch den Vorteil, dass das Produkt besser und klarer wird, und nicht schwammig.