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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

4. 4. 2015 - 12:54

Stürzt das System

... oder stürzt euch wo runter. Der tschechische Schriftsteller Emil Hakl beschreibt in "Acht Tage bis Montag" das nicht wirklich richtige Leben im Falschen.

Cover des Buches "Acht Tage bis Montag" von Emil Hakl: eine breite Treppe im Freien, hinten gehen drei Silhouetten.

braumüller

"Acht Tage bis Montag" ist in der Übersetzung von Mirko Kraetsch im Braumüller Literaturverlag erschienen.

Es ist zum Verzweifeln, wahrscheinlich. Zumindest ist es ziemlich beschissen. Wobei, eigentlich ist eh alles ganz normal. Aber vielleicht ist das das Problem? Der tschechische Autor Emil Hakl weilt bei einem Literaturfestival in Oslo, gegenüber vom Literaturzentrum ist gerade Ötzi ausgestellt (die Eisleiche, nicht der Schlagersänger), und kurz zuvor hat Anders Breivik fast 80 unschuldige Menschen ermordet. Im Gepäck des Autors ein Buch über die RAF (die Rote Armee Fraktion, nicht die Royal Air Force). Zwischen Lesung, Spaziergang und Cafébesuch tauscht er sich via Chat mit seiner Freundin Kája über die Abendgestaltung nach seiner Rückkehr und mit seinem Kumpel Evžen über Onlinegames aus. Sargweitwurf. So weit, so lakonisch.

So weit, so lakonisch

Mit diesem Setup sind die wichtigsten Fäden der Geschichte schon gesponnen. Der Ich-Erzähler arbeitet sich durch ein paar Wochen seines Lebens, oder eigentlich lässt er das Leben auf sich zukommen und durch sich hindurch fließen. Die ehrliche Liebe zu seiner jungen, nicht sehr selbstbewussten Freundin und ihre Gespräche über Literatur und Theater. Die von zynischen Dialogen geprägte Freundschaft zu Evžen, das Interesse für Geschichte, Motive und Irrungen des bewaffneten Aufstands Einzelner gegen das kapitalistische System.

Etwas stimmt nicht im System

Der Autor Emil Hakl alias Jan Beneš.

Archiv Emil Hakl

Emil Hakl ist das Pseudonym des Prager Autors Jan Beneš. Nach "Treffpunkt Pinguinhaus" und "Regeln des lächerlichen Benehmens" ist "Acht Tage bis Montag" sein dritter auf Deutsch erschienener Roman.

Langsam verdichten sich die Fäden zu dem unguten Gefühl, dass etwas nicht stimmt in diesem System, das hier noch recht jung ist, in dem einem trotzdem Vieles nur allzu bekannt vorkommt. Die allgegenwärtige Überwachung, korrupte System-Profiteure, die Existenzen einzelner Familien im Handumdrehen zerstören können. Die Machtlosigkeit des Einzelnen, das Gefühl, dem System ausgeliefert zu sein, und gleichzeitig in stupiden Tretmühlen ruhig gestellt zu werden.

Aber ist das wirklich so? Oder ist da nicht einfach jemand, dem es zu gut geht, der sich vom Leben unterfordert fühlt? Das mag jeder für sich selbst entscheiden, trotzdem verdichtet sich eben dieses Handlungs-Netz zu der so logischen wie lakonischen Konsequenz. Mehr interessehalber als aus Wut oder voller Überzeugung entsteht der Gedanke, etwas Großes zu tun, ein Zeichen zu setzen. Das System oder zumindest einen seiner Profiteure zu treffen.

Das richtige Leben im Falschen?

Emil Hakl spinnt die Handlungsfäden gekonnt, die witzigen, ironischen wie geistreichen Dialoge und die Wendungen der Geschichte verdichten das Netz mehr nebenbei als gewollt. Er spielt mit den Widersprüchen im Leben Linksintellektueller, im Niemandsland zwischen intellektuellem Anspruch als Systemkritiker und trister Wirklichkeit als machtloser, aber dieses falsche Leben genießender Bohémien.

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Es macht Spaß, vielleicht gerade weil die Milieus und die Gedankengänge so bekannt sind, der selbstironischen Melancholie der Protagonisten zu folgen. Und am Schluss, am Montag, findet man sich selbst emotional verstrickt im Netz des Emil Hakl, zwischen NSA-Paranoia und RAF-Nostalgie, zwischen der Wut aufs System und dem Bobotraum aus Jazz und Rotwein, zwischen Doom 3 und der Feigheit vor der Macht.