Erstellt am: 24. 3. 2015 - 11:37 Uhr
Nüchtern für immer
FM4 Auf Laut
Am Dienstag, den 24. März, ab 21 Uhr im Radio und im Anschluss für 7 Tage on Demand
Ich habe noch nie in meinem Leben Alkohol getrunken. Während der Maturareise auf Mallorca war ich der einzige, der die ganze Woche durchgehend nüchtern blieb. Nicht nur unter meinen MitschülerInnen, sondern vermutlich unter allen Menschen auf dieser Insel. Jeden Tag hat mich „Schnappi das Krodil“ mit gepitchter Stimme in diversen Techno und Hardstyle-Versionen geweckt. Trotzdem dachte ich kein einziges Mal daran, die Ballermann-Hölle mit dem gratis Whiskey-Cola von der Poolbar (neben Wasser war das damals das einzige Gratisgetränk im All-Inclusive-Paket) ein Stück erträglicher zu machen.
Wieso eigentlich?
Wenn ich Menschen erzähle, dass ich noch nie Alkohol getrunken habe, sind die meisten verwundert. Manche sagen dann, dass das gesünder und besser ist und dass sie auch weniger trinken wollen. Manche hingegen kommen aus dem Staunen nicht heraus und wissen gar nicht, wie sie reagieren sollen. „Wirklich gar nicht? Nicht mal einen Schluck? Auch nicht einen Radler? Wieso nicht?“ höre ich dann immer.
Und ich sage: "Nein, kein bisschen, keinen einzigen Schluck, nicht mal einen Radler. Und der Grund geht euch nichts an." Doch diese Antwort allein reicht meistens nicht. Die Gespräche gehen dann weiter zur Frage, ob ich denn ein strenger Muslim sei. Im besten Fall bin ich für die Skeptiker ein komischer Spießer. Übrigens ist Österreich keine Ausnahme. Auch in muslimisch geprägten Ländern bekommt man verwirrte Blicke. Zum Teil ist hier das Unverständnis noch größer. Im Grunde sind genau diese Reaktionen der Grund, wieso ich bisher keinen Alkohol getrunken habe. Nichts verunsichert die Leute mehr, als jemand, der einfach nichts trinkt.
dpa-Zentralbild/Jens Büttner
Ein verdammter Sturkopf
Zugegeben die Sozialisation macht viel aus. Ich bin nicht in einer Familie groß geworden, in der Eltern, Onkeln, Tanten oder sonstige Verwandte die Jugendlichen Schritt für Schritt bei Geburtstagsfeiern oder Familienfesten ins gesellige Trinken einführen.
In der Türkei werden viele junge Männer bei Hochzeiten ins Trinken eingeführt. Diese Gelegenheiten habe ich aber verpasst, weil ich türkische Hochzeiten meide wie die Pest. Vermutlich sind sie auch nur im betrunkenen Zustand erträglich. Letztendlich war ich ein verdammter Sturkopf und wollte um jeden Preis beweisen, dass ich dem Gruppenzwang nicht nachgebe.
Kein einfaches Leben
Dass in Österreich sehr viel getrunken wird, belegen Studien. Doch wenn man abstinent lebt, braucht man keine Statistiken um zu wissen, wie viel hier getrunken wird. Vor allem als junger Mann ist es manchmal ein wirklich hartes Leben. Kellner schauen einen komisch an und wollen sicher gehen, ob sie sich nicht verhört haben. „Cola oder doch Whiskey-Cola?“.
Wenn ich mit einer Frau in einer Bar bin und sie ein Bier und ich ein Cola bestelle, kommt die Bestellung oft verkehrt an. Ich bekomme das Bier und sie das Cola. Bei Frauen geht Abstinenz irgendwie noch durch, bei Männern ist es ein Tabu. „Du musst wohl heute noch mit dem Auto fahren?“ Nein muss ich nicht. Ich habe nicht mal einen Führerschein und jetzt gib mir mein Cola. Und an manchen Nächten trinkt man einfach nur Leitungswasser, weil es immer wieder Veranstaltungen und Locations gibt, die keine alkoholfreien Getränke anbieten.
dpa/Patrick Seeger
Insofern muss ich immer schmunzeln, wenn manche Menschen bei Alkoholverboten an öffentlichen Plätzen und ähnlichen Regulierungen, ein Bild von genussfreien Dystopien zeichnen. Zumindest was den Alkoholkonsum betrifft, sind wir zum Glück noch weit davon entfernt. Sollte irgendwann tatsächlich die totale Prohibition kommen, werde ich einen Schluck trinken. Versprochen.
FM4 Auf Laut: Über die größte Sucht der ÖsterreicherInnen
ÖsterreicherInnen trinken im EU-Vergleich überdurchschnittlich viel Alkohol. Über 1 Million Menschen sollen in Österreich alkoholkrank oder gefährdet sein. Tendenziell wird dabei die eigene Sucht unterschätzt.
Was gehört alles zu unbedenklichem Trinken und ab wann wird es gefährlich? Claus Pirschner diskutiert darüber mit der Suchexpertin Sonja Grabenhofer und mit AnruferInnen. Ab 21 Uhr live auf FM4. Du kannst anrufen und mitdiskutieren unter 0800 226 996.
Selbstest und Anlaufstellen
Österreichischer Suchthilfekompass
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Anton Proksch Institut - Therapiezentrum zur Behandlung von Abhängigkeiten