Erstellt am: 23. 3. 2015 - 13:34 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 23-03-15.
#fußballjournal15
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Das Interessante an der Inthronisation von Andreas Ogris als Austria-Trainer ist nicht die Tatsache, dass es passiert ist - das war eh alles schon lange klar - sondern die Begründung, die der Sportdirektor mitlieferte.
Und auch die Tatsache, dass der nämliche Sportdirektor, Franz Wohlfahrt, letztlich nur eine kuriose österreichische Parodie auf das international übliche Anforderungs-Profil dieser Position ist (sein Konzept besteht ja darin kein Konzept zu haben) hat da keine abschwächende Wirkung.
Die Begründung lautet: Er ist ein Austria-Urgestein und spricht die Sprache der Spieler.
In diesem Satz liegt die ganze Tragik einer gesamten ehemaligen Fußballer-Generation, die aktuell immer noch zu viele wichtige Positionen verstopft.
Die Tatsache, dass Wohlfahrt ein echter alter Austrianer ist, hat der Parodie einer Task-Force, in der sich ein paar fußballferne VIPs sonnten, ehe sie Herrn Prohaskas Vorschlag blind folgten, bei Wohlfahrts Kür zum Sportchef ja schon genügt. Folglich und folgerichtig genügt sie auch Wohlfahrt nun in seiner Wahl.
Umgeben von seiner Philosophie-, Konzept- und Planlosigkeit setzt er dann noch ein zweites Argument hinzu. Ogris spräche die Sprache der Spieler.
Fataler kann man sich gar nicht irren.
Andreas Ogris spricht mitnichten die Sprache der Spieler, die in der Liga-Saison 2014 ihre Arbeit verrichten.
Im Gegenteil.
Ogris spricht die Sprache der ehemaligen Spieler, die von Prohaska und Wohlfahrt und den vielen anderen aus den anderen Klüngeln. Das ist eine Sprache, die großen Teilen der Funktionärs/Bestimmer-Schichten, guten Teilen der Medien-Öffentlichkeit gefällt. Vor allem, weil sie alle selber mit dieser Sprache sozialisiert wurden und sie für die genuine Sprache, die das österreichische Fußballspiel braucht, halten.
Einschub: ein mir bekannter österreichischer Filmregisseur redet, seit ich ihn kenne, von seinem Projekt die Geschichte der Ogris-Brüder zu verfilmen. Er ist im selben Bezirk aufgewachsen und tradiert die Schlawiner-Mythen rund um Figuren wie Ogris oder auch Pacult, die sowas wie Bezirkskaiser, Gangleader waren, und die Helden der Subkuktur ihrer Umgebung.
Dieses Faszinosum ist universell. Überall schauen die Jüngeren zu den älteren Local Heroes auf. Mit den Jahren und über ein, zwei Generationen hinweg bleibt zwar noch der Mythos - die Sprache jedoch ändert sich; und zwar dramatisch. Einschub Ende.
Die Werte, für die etwa die Ogris-Brüder standen (totale Abgrenzung gegen alles von außen, Hass auf Maturanten und "Bessere", rustikales Arbeitsethos bei gleichzeitiger Tachiniererei, Bruch aller Regeln, Rebellion gegen Konventionen, alles immer mit dem Kopf durch die Wand) sind heute weiter weg von der Lebensrealität als die Schlaghosen-Mode.
Die aktuelle Fußball(er)-Kultur ist entweder migrantisch geprägt (und somit durchaus erfolgs/aufstiegsorientiert) oder maturantisch/fußballakademisch. Hört einmal den jungen Kickern beim Reden zu: die meisten haben das sachlich-flache Sprechhochdeutsch drauf, dass die jungen Menschen heutzutage eben sprechen.
Die alte Prolo-Scheißminix-Kultur samt der farbenprächtigen Sprache existiert nur noch in Reminiszenzen.
Wenn Andi Ogris seinen Bauch vorschiebt und seinen Spielern in dieser seiner Sprache, mit seinen Worten und den mitschwingenden Werten etwas aus der alten Zeit erzählt, dann setzen die geistig ihre IPod-Kopfhörer auf. Zu den Themen, die sie bewegen (Smartphone, Musik, Gaming, neue Medien, soziale Vernetzung, Absicherung durch Anpassung in einer unfreundlichen Arbeitsumgebung) hat ihnen jemand wie Ogris nichts zu sagen. Die Geschichten aus seiner erfolgreichen Vergangenheit sind wie die Stories, die Opa vom Krieg erzählt: gähn.
Das große Geheimnis von Trainern, die selber keine großen Kicker waren, ist genau das: sie nerven ihre Spieler nicht mit explizit oder implizit erzählten Heldentaten, die maximal punktuelle Motivation bringen können (das Krankl-Phänomen halt). Und die schlauen unter den guten Ex-Spielern (die Stögers und Hasenhüttls) lassen es.
Hasenhüttl etwa fällt in Interviews dadurch auf, dass er sich und seine Spielerkarriere nachträglich extrem kritisch sieht, sich letztlich als selbstzufriedenen und vorschnell zu satten Ex-Star charakterisiert, der sein Potential nicht ausgeschöpft hat.
Von Andreas Ogris wird man derlei Selbstkritik nicht hören.
Noch etwas hat Hasenhüttl unlängst gesagt: Die heutige Spielergeneration will respektvoll behandelt werden. Die Fußballer hinterfragen auch mehr als früher. Damit beschreibt er das Denken hinter der aktuellen "Sprache der Spieler" exakt.
Dem was Wohlfahrt unter der "Sprache der Spieler" versteht, steht das Denken und Handeln der neuen Generation diametral entgegen.
Das ist keine Schande, sondern der Lauf der Zeit und der Welt. Eine Schande ist es, das nicht erkennen zu wollen oder - wie ich annehme - nicht erkennen zu können. In dieser Fehleinschätzung liegt die Tragik.