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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

23. 3. 2015 - 13:26

Schöne Sätze

Alltagsweisheiten, Banalitäten, Widersprüchlichkeiten und Oneliner. Unter anderem mit Josef Hader, Sibylle Berg und Björk.

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über Islam-Klischees
Der Islam ist mir nichts Fremdes, ich komme von einem Bauernhof. Kinderarbeit, Kopftuch tragende Frauen und Männer, die mehr dürfen als ihre Gattinnen, das sind mir seit der Kindheit wohlbekannte Lebensweisen.
(Playboy)

Lars Vilks, Zeichner, über Meinungsfreiheit
Man muss jede Politik beleidigen, man kann nicht aus Respekt eine Ausnahme für eine Politik machen.
(Der Standard)

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über die Grenzen der Komik
Ich glaube, man kann alles komisch behandeln, wenn man es richtig macht. Für Kabarett gilt da das Gleiche wie für Kunst: Man muss eine Spur Missverständnis in Kauf nehmen, wenn man etwas Interessantes machen will. Wenn die oberste Prämisse lautet, dass man nicht missverstanden werden will, dann erledigt sich die Kunst von selber. Das heißt, man muss Grenzen ausloten, doch es muss einem auch bewusst sein, dass man an Schrauben dreht.
(Der Standard)

Heinz Strunk, Komödiant, über deutschen Gegenwartsschlager
Das ist mir zu schrottig, vor allem sind die Texte so entsetzlich. Mir ist in letzter Zeit eine inflationäre Häufung von Begriffen aufgefallen wie Ewigkeit, Unendlichkeit, Unsterblichkeit und so weiter. Bei den Toten Hosen, von den Texten her ja auch eine Schlagerband, bei Helene Fischer, bei diesem schrecklichen Grafen. Überall schleicht sich so ein ätzendes Pathos ein. Das hat etwas ganz schlimm Deutsches. Ich habe da leider einen Hang, da was Nazimäßiges zu sehen.
(Musikexpress)

Heinz Strunk

Philipp Rathmer

Heinz Strunk

Sibylle Berg, Autorin, über Internettrolle als persönliche Feinde
Wenn man sich die Kommentare unter Essays von mir durchliest, steht das im Raum. Aber will man anonyme Netzhater Feinde nennen, oder einfach gelangweilte Männer in einer Lebenskrise, denen man Trost zusprechen sollte?
(Tageswoche)

Lars Vilks, Zeichner, über seine Mohammed-Karikaturen
Wenn Respekt und Meinungsfreiheit aufeinandertreffen, muss Meinungsfreiheit immer gewinnen und um jeden Preis verteidigt werden. Da darf es keinen Verhandlungs-Spielraum geben.
(Der Standard)

Dirk von Lowtzow, Musiker, über ernste Kunst und Unterhaltungskunst
Ich verabscheue bildungsbürgerliche Dünkel, aber gleichermaßen auch antiintellektuelle Ressentiments. Denn das ist das Reaktionärste, was es gibt. Es beeinhaltet immer die Forderung: „Jetzt soll mal Klartext gesprochen werden!“ Und das ist der schnellste Weg zu Pegida. Klartext ist das Schlimmste.
(Musikexpress)

Noel Gallagher, Musiker, über seinen Kollegen Kanye West
I read in the papers this morning that he got onstage at the Grammys, saying to Beck, „You should respect artistry and give Beyoncé that award.“ That cunt needs to look up the description of the word „artistry“. If Beck, the player of 14 instruments, is not an artist, then fuck me.
(Playboy)

Noel Gallagher

Sour Mash

Noel Gallagher

Bernhard Pörksen, Medienprofessor, über Verschwörungstheorien
Sie sind das kommunikative Symbol eines Diskursinfarktes, eines entfesselten Bestätigungsdenkens von unbedingt Wahrheitsgläubigen, die irgendwann nur noch aufeinander einbrüllen. Und das Netz, dieses wunderbar-plastische Medium, lässt sich leider eben auch benützen, um sich in eine Wirklichkeitsblase hineinzugoogeln, in der eine scheinbare Mehrheit sich permanent die eigene Meinung bestätigt. Diese Möglichkeit zur Selbstabschottung ist tatsächlich eine Gefahr. Was dagegen hilft? So viel und so oft mit denen reden und streiten, die noch irgendwie erreichbar sind.
(Der Standard)

Johann August Schülein, Soziologe, über religiösen Fundamentalismus
Religionen sind wie gesellschaftliche Normen überhaupt Richtlinien, die es uns ersparen, nachdenken zu müssen. Wir tun und denken, was als richtig gilt und können uns daran festhalten. Wenn diese gesellschaftlichen Leitplanken wegbrechen, wird jeder Fall im Leben zu etwas, das man mit eigenem Risiko individuell lösen muss. Das verlangt wesentlich mehr Aufwand und Denkleistung.
(Der Standard)

Bernhard Pörksen, Medienprofessor, über Verschwörungstheoretiker
Sie zeigen eine verunsicherte, in ihren Realitätsfundamenten erschütterte Gesellschaft und sind Indiz für eine Sehnsucht nach Deutungssicherheit in Krisenzeiten, die der Verschwörungstheoretiker mit seinen Weltformeln des Übels und seinen plakativen Schwarz-Weiß-Zeichnungen scheinbar befriedigt.
(Der Standard)

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über Fundamentalismus und Meinungsfreiheit
Die einen wollen das Prinzip der freien Meinungsäußerung verkleinern, um niemanden vor den Kopf zu stoßen; die anderen tun so, als wäre alles, was den Islam betrifft, grundsätzlich fundamentalistisch. Das ist Mediendemokratie - und geht am Thema vorbei. Das Prinzip der Meinungsfreiheit ist eine historische Errungenschaft, von der man keinen Zentimeter zurückweichen darf. Ein Großteil der Muslime in Österreich denkt genauso: Auch sie sagen, dass Religion nicht den Staat bestimmen soll. Man tut aber so, als würde sich ganz Europa nur in Pariser Vororten oder in Neukölln abspielen. Das stimmt einfach nicht. Es gibt Problemzonen, aber weitgehend haut's ja hin.
(Der Standard)

www.lukasbeck.com

Josef Hader

Morgane Polanski, Schauspielerin, über ihre Vorstellungen von Kino
I like the dark side. I like to be challenged. I like to be shaken. When I leave such a movie, I think „This is what I want to do to people. This is how I want to make people feel. This is what movie should do.“
(Interview Magazin)

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über die Düsternis seines neuen Films „Das ewige Leben“
Der Brenner beginnt also tief unten, und dann kommt er noch tiefer hinunter. Wir wollten mutig sein und nicht einmal den Ansatz eines Krimiversprechens machen.
(Der Standard)

Morgane Polanski, Schauspielerin, über ihre kindlichen Regiewünsche
Before wanting to be an actor, I wanted to be a director. As a child, I would invite friends to my house. I was very authoritaire. If my parents started to talk during the performance, I’d grab them and say, „Don’t speak. Don’t laugh. Watch!“
(Interview Magazin)

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über den Wiener Schmäh
Das wäre eine wissenschaftliche Untersuchung wert, ob dieser schwarze Humor vielleicht jüdischer Humor ist. Weil die Juden, die die Wiener Kultur geprägt haben, seit Jahrhunderten Witze machen mussten über traurige Dinge.
(Playboy)

Kim Gordon, Musikerin, über ihre Liebe zum Lärm
I still find making music really thrilling, whether its recording or performing. Extreme noise can be an incredibly cleansing thing.
(NME)

Kim Gordon

Dey Street Books

Kim Gordon

Marco Michael Wanda, Sänger, über den Druck, dem eigenen Boheme-Image zu entsprechen
Wir haben keine entrückten literarischen Figuren erschaffen, die wir nun selbst sein müssen. Allenfalls einen literarischen Kosmos. Aber wir sind keine Sklaven unseres eigenen Images oder meiner Texte. Wir können unterscheiden zwischen Arbeit und Alltag. Wir wollen uns nicht treu bleiben.
(kaput-mag)

Asia Argento, Regisseurin, über autobiografische Züge in ihren Filmen
Sie verbinden Kunst also automatisch mit der Person der Künstlerin? Manchmal wäre es gut, die beiden voneinander zu lösen, sonst reduziert man das künstlerische Produkt auf Klatsch.
(Spex)

Marco Michael Wanda, Sänger, über die Authentizität von Songtexten
Das hier ist schon Kunst. Aber Kunst hat für uns viel mit Handwerk zu tun und die Inszenierung ist nur eine Spielart davon. Natürlich sind wir letztlich konstruiert – jedes Gespräch ist konstruiert, das Herz ist konstruiert. Für uns ist es daher schwer, mit so einem Wort wie „Authentizität“ konfrontiert zu werden.
(kaput-mag)

Björk, Musikerin, über die Verarbeitung ihrer privaten Trennung in ihren Songs
Ich hatte Angst, dass die Songs zu privat, zu distanzlos sein könnten. Aber die Anthropologin in mir führte den Beweis an, dass das, was ich da erlebt habe, millionenfach und immer ähnlich passiert. Jede Trennung geht durch dieselben Stadien. Jede Trennung ist universal, nicht individuell (...) Ich weiß noch, dass es mich zum Schluss geradezu angewidert hat zu sehen, dass meine persönliche, schmerzhafte Trennung haargenau so verlaufen ist wie Millionen Trennungen davor und danach. Und gleichzeitig hat mich exakt dieser Aspekt des Programmiertseins total fasziniert.
(Spex)

Björk

One Little Indian

Björk

José "Pepe" Mujica, Ex-Staatspräsident von Uruguay, über seine politischen Träume
Wir wollten eine perfekte Welt. Wir wollten, dass Menschen mehr zu essen, ein Dach über dem Kopf, bessere Gesundheit und Bildung haben. Nichts ist schöner als das Leben, und gleich danach kommt die Gesellschaft. Der Mensch braucht die Gemeinschaft. Er ist, anthropologisch gesehen, Sozialist.
(Der Standard)

Björk, Musikerin, über ihre Heimatinsel
Sie dürfen nicht vergessen, dass Island weder die industrielle Revolution noch die Moderne und Postmoderne durchlebt hat. Island ging direkt vom Kolonialismus ins 21. Jahrhundert. Wir Isländer sind zu Beginn des Anthropozäns konfrontiert mit einer nahezu unberührten Natur – und einer durchdigitalisierten Welt. Das sind tolle, inspirierende Widersprüche, auch für meine Musik.
(Spex)

Josef Hader, Kabarettist und Schauspieler, über positives Denken
Ja, das ist ein bisserl Scheiße, ich weiß, aber mir hilft’s (...) Ich versuche, schlechte Ereignisse als Motor zu verwenden. Etwa wenn ein Drehbuch von mir abgelehnt wird bei der Filmförderung. Dann versuche ich, meinen Trotz und meine Wut über die Ablehnung so zu bündeln, dass ich das nächste Mal so gut schreibe, dass sie es nicht ablehnen können.
(Playboy)

Madonna, Sängerin, über ihre wichtigste Inspirationsquelle
Ich fühle mich von kreativen Leuten angezogen. Ich wollte nie die schlaueste Person im Raum sein, ich wollte die dümmste Person im Raum sein. Man will von Menschen umgeben sein, die einen denken lassen: „Oh Gott, was ist denn das für eine tolle Idee, warum bin ich da nicht draufgekommen?“
(Interview Magazine)

madonna

Madonna

José "Pepe" Mujica, Ex-Staatspräsident von Uruguay, über seine Lebensweise
Bescheiden, mit nur wenig Gepäck. Das ist meine bewusste Wahl. Wofür? Um Freizeit zu haben. Denn würde ich Geld anhäufen, müsste ich dauernd aufpassen, dass man mich nicht bestiehlt. Ich würde meine Zeit verschwenden. Und was man im Supermarkt nicht kaufen kann, das ist Zeit. Nun ja, vielleicht bin ich ein wenig Anarchist.
(Der Standard)

Sibylle Berg, Autorin, über das Älterwerden (1)
Ich habe mich gegen das Älterwerden entschieden, ich finde es nicht interessant. Ich lebe ewig. Oder so viel: Ich finde jede Form von Altersrassismus spießig. Man kann bis zum Ende alles immer neu erfinden, wenn man sich ein wenig Mühe gibt und nicht stehen bleibt.
(Tageswoche)

José "Pepe" Mujica, Ex-Staatspräsident von Uruguay, über seinen Lebensabend
Jetzt gehe ich aufs Grab zu. Natürlich ganz langsam (lacht). Der Tod ist Teil des Lebens. Man kehrt zurück zur Quelle. Aber bis das eintrifft, werde ich weiter politisieren. Ich halte nichts von einem Leben als Pensionist. Ich würde vor Traurigkeit in einer Ecke sterben. (Der Standard)

Sibylle Berg, Autorin, über das Älterwerden (2)
Wir leben in einer Art kollektiver Altersangst. Alle sagen: Jung wollen wir nicht mehr sein, aber alt auch nicht. Denn es heißt ja, irgendwann von der Welt zu verschwinden. Eine unglaubliche Kränkung ist das doch, dass die Welt ohne einen selbst weiterbestehen wird. Mit vierzig ist bereits die Zeit einer Depression gekommen, die heute elegant Burnout heißt. Die Frage, ob man noch Zeit hat, alles zu ändern, hängt für viele mit der schmerzhaften Einsicht zusammen, dass man auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar wird und ab fünfzig keine Hypotheken mehr bekommt. Das ist doch alles schwer zu ertragen.
(Tageswoche)

Sibylle Berg, Autorin, über Sex in Langzeitbeziehungen
Bei meinen umfangreichen, ich möchte fast sagen streng wissenschaftlichen Studien fand ich wenige, die in einer festen Beziehung nach zehn Jahren noch glücklich mit ihrem Geschlechtsleben waren. Also miteinander. Viele bauen sich Gerüste, beginnen Sadomaso-Entfremdungspraktiken, gehen fremd, trennen sich darum oder verzichten einfach auf die wilde Leidenschaft zugunsten der tiefen Liebe, was ich als die eher annehmbare Variante erachte. Aber mich fragt ja meistens keiner.
(Der Standard)

Sophie Turner, Schauspielerin in „Game of Thrones“, über den Moment, als sie als Minderjährige zum ersten Mal selber die Serie sah
Es war das Krasseste, was ich bis dahin gesehen hatte. Und dann diese ganzen nackten Brüste, die ständig aufblitzten. Schlimm war auch, dass ich die Personen ja auch kannte! Sie sind wie Geschwister für mích, und dann siehst du sie plötzlich nackt. Das wollte ich echt nicht sehen. Aber man gewöhnt sich daran. Wir sollten uns künftig alle nackt ausziehen und unsere Genitalien zeigen, wenn ein neuer Darsteller ans Set kommt.
(Interview Magazin)

Sibylle Berg, Autorin, über das Verlangen nach intensivem Sex
Es ist vermutlich immer der beste Sex der Welt, wenn man hormonell außer Kontrolle ist. Wie oft haben die meisten schon in einer neuen Liebesbeziehung gedacht: Wir sind wie füreinander gemacht. Es passt perfekt. Nie war einer/eine so schön. Habe ich so tief empfunden. Es sind Hormone. Und deren erwiesener Drogeneffekt
(Der Standard)

Dirk von Lowtzow

Christian Stipkovits

Dirk von Lowtzow

Dirk von Lowtzow, Musiker, über deutsche Gangster-Rap
Wenn du heute über Sex und Drogen und Nutten rappst, das ist letztendlich bildungsbürgerlich. Weil wir da endlich wieder ein echtes Künstlersubjekt haben, das leidet und vielleicht geläutert wird, das durch seine Schmerzen geht. Das ist dann deutsche Dichtung.
(Musikexpress)