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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 3. 2015 - 15:36

Watch the Throne

Der Song zum Sonntag: Kendrick Lamar - "King Kunta"

Letzte Woche hat also das verfrüht in die Welt entlassene Album "To Pimp A Butterfly" von Kendrick Lamar ein bisschen, wie man sagt, das Internet kaputtgemacht. Zu Recht. Auf dieser schön verdaddelten, zerfahrenen, an allen Ecken und Enden zitternden und vibrierenden Platte, aus der die große freie Liebe für den Jazz spricht und die immer wieder auseinander zu fallen droht, ist das Stück "King Kunta" das hittigste.

Selbst wenn auch hier viel los ist, kann man sich es mit "King Kunta" doch recht gut in einem Groove bequem machen. Dabei ist der Track so üppig und opulent mit vieldeutigen Bildern, Anspielungen und Verweisen auf afroamerikanische Geschichte gespickt, mit Rückgriffen nach Afrika, mit Zitaten aus und Referenzen an sogenannte Black Music.

An der Oberfläche und in erster Linie verhandelt "King Kunta" ein Rap-Topmotiv: Unserer Protagonist ist heute der King, er hat sich von ganz unten nach oben gearbeitet. Der Titel des Songs bezieht sich auf Kunta Kinte, der Mitte des 18. Jahrhunderts aus Gambia in die Sklaverei in die USA entführt wurde. Kinte ist die Hauptfigur des Romans "Roots: The Saga of an American Family" und der TV-Show "Roots" aus dem Jahr 1977. Die Serie "Roots" war ein landslide Erfolg und ist heute noch von enormer historischer Signifikanz, ihr Umgang mit dem Thema Sklaverei seinerzeit von noch unbekannter Eindringlichkeit und Klarheit.

Der Song ist im Moment mal wieder aus dem Internet verschwunden. Mit ein bisschen Suchen kann man ihn vielleicht finden.

"King Kunta, Everybody Wanna Cut The Legs Off Him", rappt Kendrick Lamar und spielt damit auf den Umstand an, dass Kunta Kintes rechtes Bein amputiert wurde, um seine Flucht von der Plantage zu verhindern. Lamar meint damit freilich die vielen, vielen Typen, die ihn unten halten wollen. Es wird nichts nutzen. Hier spiegelt Lamar wieder die Opposition von ganz unten und ganz oben.

Kendrick Lamar

Kendrick Lamar

Ein anderes Motiv, das ein hier besonders selbstsicher agierender Kendrick Lamar oft bemüht, ist das "Yams": Yams - ursprünglich eine Nutzwurzel mit intensivem Geruch, weitverbreitete Zutat in der afrikanischen Küche, einerseits als Essen für Arme verschrien, anderswo, Dialektik, als Symbol für Wohlstand und Status angesehen.

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Gleichzeitig kann "Yams" oder "Yam" als Codewort für die Droge Crack verwendet werden und in weiterer Folge auch als Metapher für Macht, Kraft, Energie herhalten. Kendrick Lamar jongliert die Bedeutungsebenen, wendet "Yams" im Zusammenhang mit Bill Clinton (von der Macht verführt) an und mit dem einflussreichen afroamerikanischen Comedian Richard Pryor, der bekanntlich seinen Größenwahn durch großzügigen Drogenkonsum noch befeuerte.

Dazwischen verkündet Lamar die Wahrheit, dass er seine Heimat Compton zurück auf die Rap-Landkarte gebracht habe, disst die Trittbrettfahrer und vertritt die ein bisschen opihafte, aber klar weit verbreitete These, dass Ghostwriting im HipHop so ziemlich das Letzte sei. Im Vorbeigehen zitiert er Michael Jackson, Jay-Z, James Brown und gibt Barack Obama einen kleinen Seitenhieb.

Bei aller Emphase und allem Nachdruck und Gewicht in Text und Vortrag ist das Stück "King Kunta" in musikalischer Hinsicht luftig und locker. Talkboxspielereien, comichafte Quietsch-, Blubber- und Burp-Geräusche, ein federleichter Basslauf, überzuckerter Chorgesang, ein überkandideltes Spacegitarren-Solo, an dem George Clinton eine Freude hätte. "We Want the Funk!" heißt es am Schluss überschwänglich. Ein Aufbegehren, eine Selbstvergewisserung, bitter, arrogant, witzig, albern. Hier ist alles drin.