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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

22. 3. 2015 - 15:23

What it feels like for a girl

Frauenbiografien diese Woche in Flimmern. Von Kim Gordon bis zu Angela Merkel.

Flimmern

Der assoziative Wochenrückblick von Natalie Brunner

Dinge, die wir sehen wollen, Dinge, die wir nicht sehen wollen, beschäftigen uns diese Woche in Flimmern. Sehen und schlagen hören wollen wir das tapfere Herz von Lizzie Velásquez. Lizzie wurde einst als hässlichste Frau der Welt beschimpft. Nicht etwa, weil sie sich wie Donnatella Versace so viel Botox unter die Haut gespritzt hatte, dass sie einem nicht alternden, aber dennoch zerfallenden Zombie gleicht, sondern weil sie mit einem nicht diagnostizierten Symptom geboren wurde, welches verhindert, dass ihr Körper Fett speichert.

Vor neun Jahren fand Lizzie auf Youtube ein Video namens "World's Ugliest Woman" und musste feststellen, dass sie selbst in dem Clip zu sehen war. Das Video hatte acht Millionen Klicks und war mit Kommentaren versehen, die sie als unwertes Leben beschimpften und zum Mord aufriefen. Lizzie dachte sich, die dürfen nicht gewinnen, und ging in die Offensive. Sie startete einen eigenen Youtube-Kanal, in dem sie ihr Leben und ihre Krankheit beschrieb. Aufgrund des großen Erfolgs gelang ihr auch die unabhängige Finanzierung ihres Kinofilm-Projekts "A Brave Heart" via Kickstarter. Der Anti-Bullying-Film der inzwischen 26-Jährigen feierte diese Woche beim SXSW Festival Premiere.

Unser Lieblingszitat der Woche kommt, wie könnte es anders sein, vom griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis, der als Reaktion auf das scheinbar gefälschte Mittelfinger-Video meinte: die deutschen verdienen bessere Medien. Dem schließen wir uns an, im Speziellen nachdem diese Woche bekannt wurde, dass zur Bundestagswahl 2017 ein Spielfilm über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel herausgebracht werden wird. Die Opposition sprach von einem Personenkult, der in demokratischen Staaten nicht angebracht sei. Dass Kritisches über Merkel in dem Film zu sehen sein wird, ist so gut wie ausgeschlossen, nachdem der Produzent des Films als Motivation für das Projekt angab, dass Merkel charmant und weltweit bekannt ist und es Zeit wird, ihre Biografie einem globalen Publikum zu präsentieren.

Girl in a Band

farber

Kim Gordon von Sonic Youth hat ihre Biografie selbst geschrieben. Das Buch beginnt mit dem Ende von Sonic Youth. Das erste Kapitel ist ein herzzerreißendes sich den Schmerz von der Seele Schreiben, damit wieder ein nicht tränenverhangener Blick auf die eigene Geschichte möglich wird. Wir sehen die Größe und Stärke einer der coolsten und souveränsten Frauen der Welt, die auch öffentlich trauern kann ohne Würde zu verlieren.

Die Kim Gordon-Autobiografie heißt "Girl in a Band", benannt nach der blöden Frage, die Kim Gordon am öftesten gehört hat: "Wie ist es, als Mädchen in einer Band zu spielen?"

Carrie Brownstein von Sleater Kinney, die letzte Woche in Berlin das beste Konzert gespielt haben, das ich jemals versäumt habe, hat anlässlich der Erscheinung von "Girl in a Band" ein öffentliches Interview mit Kim Gordon geführt, in dem wir fast mehr über Carrie Brownstein erfahren als über Kim Gordon.

Die Sleater Kinney-Schauspielerin und Portlandia-Co-Autorin wird nächstes Jahr eine Autobiografie veröffentlichen. Die Frage, die sie am öftesten gehört hat, war: "Ist es eine absichtliche Entscheidung, eine reine Frauenband zu sein?" Carrie fand das derart bizarr, dass sie begonnen hat, Kollegen, die sie interviewen, die Frage zu stellen, ob es eine absichtliche Entscheidung war, in einer rein männlichen Band zu spielen. Ein sehr schöner Moment, wie sie einer kichernden Kim Gordon die irritierte Reaktion von Eddie Vedder beschreibt.

Ist es eine absichtliche Entscheidung, eine Frau zu sein?

Die kuwaitische Künstlerin und Musikerin Fatima Al Qadiri, die in ihren Arbeiten sehr oft Identitäten und Zuschreibungen thematisiert, spricht in diesem Talk darüber, dass diese Frage eine Rolle spiele, aber nicht auf der Ebene, auf der sie gestellt wird.

Auf die Frage, wie man es schaffe, in einer Welt, in der man Stereotypen konfrontiert wird, frei im Denken und im Werk zu sein, antwortet Al Quadiri für mich überraschend: "Du musst einfach ignorieren, dass du eine Frau bist. Du musst so handeln, als wärst du nicht anders. Lass es nicht zum Problem werden. Diese Kämpfe werden so bald nicht enden. Stell dich ihnen, indem du nicht zulässt, dass du verletzt wirst, und hab mit den Menschen so viel Geduld und Nachsicht wie möglich."