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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

22. 3. 2015 - 12:50

Nie schmähstad

"Ich seh ich seh" ist der beste Spielfilm der Diagonale 2015. "The Sound of Music" sollte man aber auch endlich mal anschauen. Vielleicht eine gute Kombination für einen Filmabend.

Diagonale

Festival des österreichischen Films.

Heute ist der letzte Festivaltag, die Preisträgerfilme laufen abends noch einmal in den Festivalkinos.

Die FM4 Homebase Spezial zum Filmfestival vom Donnerstag, den 19. März, für 7 Tage on Demand.

"The Sound of Music" - Reloaded! Robert Stachel und Peter Hörmannseder von maschek kompilierten Dialoge des österreichischen Kinojahrgangs 2014/2015 zu Bildern des Welthits von 1965, den hierzulande kaum jemand gesehen hat. Die zwei von maschek haben "The Sound of Music" zur Vorbereitung auf die Preisverleihung der Diagonale angeschaut. Und es hat sich gelohnt. Julie Andrews wirft die Arme in die Luft auf einer Wiese, die zwei mascheks übernehmen die Tonspur: "Superwelt! Suuuperwelt!"
Es wird ein Medley der prägnanten Dialoge aus "Gruber geht", "Ich seh ich seh" und vielen anderen mehr, perfekt abgestimmt zur Bilderwelt des Musical-Films. Es war wunderbar, dass zwei mascheks gestern das offizielle Finale der Diagonale 2015 übernahmen.

Preisverleihung Diagonale 2015: maschek reden über "Sound of Music" drüber

Radio FM4

Eine lobende Erwähnung findet die internationale Jury für Christian Frosch und "Von jetzt an kein Zurück".

Auch oder gerade wenn sie etwa Ulrich Seidl mit "bekannt für Filme mit Fut-Arsch-Beidl" reimen für eine ihrer Videoeinspielungen. "Wir müssen Sie enttäuschen: Ulrich Seidl hat unseren Film produziert und wir sind nicht nackt", kontert Regisseurin Veronika Franz mit Nachsatz und Schmäh: "Wir haben uns zusammen gerissen". Der Große Diagonale-Preis ist mit 15.000 Euro dotiert, dazu gibt es Gutscheine im Wert von mehr als 6.000 Euro, und er wird einmal für die beste Doku und einmal für den besten Spielfilm verliehen. "Ich seh ich seh" von Veronika Franz und Severin Fiala ist der eine Gewinner, "Über die Jahre" von Nikolaus Geyrhalter der andere.

Severin Fiala und Veronika Franz

Diagonale/Alexi Pelekanos

Haben alles gemeinsam gemacht für ihr Spielfilmdebüt "Ich seh ich seh": Severin Fiala und Veronika Franz

Alles andere als uncool

"Ich seh ich seh" ist als Gemeinschaftsarbeit von Veronika Franz und Severin Fiala entstanden - bis hin zur Entscheidung, welche Nagelschere zum Einsatz vor der Kamera kommen sollte. Fiala war einst der Babysitter von Franz' Kindern und wurde in VHS-Kassetten für seine Dienste bezahlt. Mit den Zwillingskindern in den Hauptrollen von "Ich seh ich seh" spielte das Regieduo bis zur Bildkante für bestimmte Szenen. Vor Drehbeginn zog das Regieduo mit ihnen in die Drehlocation ein, kochte und bewohnte mit ihnen das Haus. Für "Ich seh ich seh" wurden Veronika Franz und Severin Fiala auch mit dem Thomas Pluch-Spezialpreis, dotiert mit 7.000 Euro, ausgezeichnet.

Für den Dokumentarfilmer Nikolaus Geyrhalter war diese Diagonale "ein bisschen viel auf einmal", wie er feststellte: "Das kenne ich so nicht in meinem Weltbild". Auf dieser Diagonale waren alle seine bisherigen Filme zu sehen, für den Filmemacher, Kameramann und Produzenten war es auch eine Verdichtung von zwanzig Lebensjahren in wenigen Tagen. "Mir ist gesagt worden, das mache man nicht mehr und es sei uncool, doch: Dank an meine Frau und meine Kinder, die es aushalten, dass ich berufsbedingt viel unterwegs bin."

Nikolaus Geyrhalter

Diagonale/Alexi Pelekanos

13 Filme umfasst das Werk Nikolaus Geyrhalters bis dato. Nächtes Projekt: Ein Film ohne Menschen im Bild.

Die Diagonale ist der Ort, wo Diskurs stattfindet, lobt Geyrhalter. Tatsächlich war das Q&A mit ihm und seinem Weggefährten Wolfgang Widerhofer zwei der besten Stunden dieser Festivalwoche. Und gleich noch ein Preis würdigt die Langzeitbeobachtung "Über die Jahre": Für die beste Montage wird Wolfgang Widerhofer ausgezeichnet, der seit 22 Jahren mit Nikolaus Geyrhalter zusammenarbeitet und mit ihm als Produzent auch "Über die Jahre" realisiert hat. Ihm gilt sein Dank und Barbara Pichler würdigt Widerhofer für das "tolle, intelligente und herzliche Festival, das du aufgebaut hast".

In der Kategorie Spielfilm gewinnt Karin Hammer für ihre Montage - früher sagte man stets Schnitt dazu - von "Von jetzt an kein Zurück". Sie nützte die Gelegenheit, um ein wichtiges Anliegen aus ihrem Arbeitsalltag zu thematisieren: Es sei ganz wichtig, dass CutterInnen nicht nur zwölf Wochen Zeit für die Montage eines Spielfilms bekämen, sondern generell mehr Zeit. "Man braucht immer wieder ein paar Tage, um etwas anderes zu machen, um einen anderen Blick zu kriegen".

Insgesamt wurden Samstagabend bei der Diagonale Preise im Wert von rund 165.000 Euro verliehen. Und es wird nicht mehr schaugespielt. "Okay, ich geb's zu, ich hab's vorher gewusst", sagt Gewinner Murathan Muslu und freut sich über den Schauspielpreis für seine berührende Darstellung in "Risse im Beton" von Umut Dag. Muslu bedankt sich mit Humor: "Geldpreise können Schauspieler auch gut brauchen - und ich brauchs wirklich!"

Eine Premiere für Ulrike Beimpold

An Regisseur Karl Markovics ging der mit 12.000 Euro dotierte Thomas Pluch Hauptpreis bereits Freitagvormittag für "Superwelt". Der Film läuft seit Freitag in den heimischen Kinos

Ulrike Beimpold hat sich für die Vorbereitung auf ihre Rolle in "Superwelt" einen Tag lang an die Kassa des Supermarkts in Eibiswald gesetzt, der ihrer Schwester gehört. Für ihre Darstellung einer Kassiererin und Ehefrau bekommt Beimpold den Schauspielpreis. "Mein Karl, mein Autor, mein Regisseur, mein Zurufer, der Erschaffer der Superwelt", sagt die Wienerin in ihrer Dankesrede und verrät: Der Preis ist die erste Auszeichnung für ihre schauspielerische Leistung überhaupt. Und das, obwohl Beimpold seitdem sie fünfzehn Jahre alt ist Mitglied des Ensembles am Burgtheater war ("Anekdoten einer Burgpflanze" heißt ihr Buch dazu), bis sie sich 2000 karenzieren ließ, um ihren Weg außerhalb zu suchen. Mit "Superwelt" ist sie angekommen. Und Kameramann Michael Bindlechner kommt wenige Minuten später auf die Bühne, um den Preis für die beste Bildgestaltung entgegenzunehmen. Der Schauspieler Rainer Wöss habe in den besten Momenten vor seiner Kamera getanzt, reicht er das Lob weiter.

Sasha Pirker und Lotte Schreiber haben gut lachen und den Preis für bestes innovatives Kino gewonnen

Diagonale/Alexi Pelekanos

Sasha Pirker wird sich einen neuen Computer kaufen. Mit Lotte Schreiber hat sie gut lachen und den Preis für bestes innovatives Kino gewonnen.

Hand in Hand kommen Sasha Pirker und Lotte Schreiber auf die Bühne, um ihren Preis für den besten innovativen Film für "Exhibition Talks" entgegen zu nehmen. Für den experimentalen Film, für das innovative Kino ist die Diagonale ein zentraler Blickpunkt und Lichtblick im Jahr. Bekommt man diese Arbeiten doch viel zu selten in Kinos zu sehen. "Wow, danke an die Stadt Graz für das Geld", freut sich Pirker, "jetzt kann ich mir endlich einen neuen Computer kaufen". Und maschek freuen sich, dass erstmals in der Geschichte der Preisverleihung der Diagonale ein Filmausschnitt gezeigt werden konnte. Ein berechtigter Seitenhieb.

"Ein übereifriger Journalist hat schon getwittert, wer die Preise gewonnen hat, und auch sonst sind wenige Leute im Saal", scherzt Robert Stachel zu Beginn. Kritik kommt als Witz am Besten an. Dass sich im Grazer Orpheum beinahe nur die GewinnerInnen einfinden, wenn die höchst dotierten Filmpreise des Landes vergeben werden, hat leider schon Tradition und ist irgendwie unwürdig. Die Party mit Sofa Surfer Wolfgang Schlögl am DJ-Pult war so gut besucht wie lange nicht.

Der Brenner geht nicht ganz leer aus

maschek auf der Bühne bei der Preisverleihung der Diagonale und auf der Leinwand Josef Hader

Radio FM4

Überraschung: nur ein einziger Preis geht an "Das ewige Leben", konkret an Martina List für das Kostümbild. Nach acht Wochen Vorbereitung für einen Dreh und einer Drehwoche wollte List gestern eigentlich ausschlafen. Doch dann kam der Anruf aus Graz und ihre Freude war groß. Isidor Wimmer, ausgezeichnet für das beste Spielfilm-Szenenbild in "Superwelt", ist auf Motivsuche für den neuen "Tatort" von Thomas Roth. Für das Sounddesign Kategorie Spielfilm wird Stefan Deisenberger für seine Arbeit für "Bad Luck" ausgezeichnet. "Er lötet an Keyboards oder reinigt seine E-Zigarette", vermutet ein Freund, der den Preis für Deisenberger abholt.

Für innovative Produktionsleistung - sprich dafür, sich ordentlich was zu trauen und allen Unkenrufen zu trotzen - wird die Allegro Film für "Das finstere Tal" und ebenso die FreibeuterFilm mit dem Preis bedacht. Das werde kein Film, das wäre viel zu langweilig, mussten sich die ProduzentInnen bei der Vorbereitung für "Macondo" anhören. Doch sie ließen sich nicht abbringen. "Macondo" wurde das Spielfilmdebüt von Sudabeh Mortezai, die zuvor die Dokumentarfilme "Im Bazar der Geschlechter" und "Children of the Prophet" gemacht hat, und war als einziger österreichischer Beitrag im Februar 2014 im Wettbewerb der Berlinale gelaufen.

Ausgezeichnet der Nachwuchs und der Künstler Neuwirth

Regisseur Lukas Valenta Rinner hat das Trainingscamp für die Endzeit "Parabellum" auch produziert. Sein Langspielfilmdebüt gefällt der Jugendjury des Landes Steiermark von allen Nachwuchsfilmen am Besten ob seiner komponierten Bilder, "die Gemälden gleichen", und der Tatsache, dass man hier in wenigen Dialogen nah an das Szenario Weltuntergang geführt wird.
Der Preis für den besten Kurzspielfilm geht an die Bildende Künstlerin, Fotografin und Kamerafrau Lisbeth Kovavic für "Minor Borders". Sie verweist beim Dank auf die Recherchegruppe Border Monitoring. "Subtil, fein, Siegerfilm" mit vier Rufzeichen notierte sich ein Jurymitglied und Jannis Lenz bekommt den Diagonale-Preis Kurzspielfilm für "Schattenboxer", der als Übung im Rahmen der Filmakademie entstanden ist.

Filmstill aus "Parabellum": eine verkommene technische Anlage in einer grünen Landschaft

Martin Shanly

Vorbereitung auf das Ende der Welt: "Parabellum" von Lukas Valenta Rinner punktet nicht allein mit unglaublicher Landschaft. Noch über die Diagonale hinaus ist die Ausstellung "Landschaft in Bewegung" im Grazer Kunsthaus zu sehen mit Arbeiten u.a. von jungen heimischen Künstlern wie Lukas Marxt und Markus Jeschaunig neben Arbeiten von James Benning oder Allen Sekula.

Im Vorjahr war dem Künstler Manfred Neuwirth die "Personale" auf der Diagonale gewidmet. Diesmal räumte er bei den Preisen mit seiner Doku "Aus einem nahen Land" ab: einmal für die Bildgestaltung und einmal für das Sounddesign, gemeinsam mit Christian Fennesz. Die Arbeit mit dem Gitarristen und "laptop guru" (© Pitchfork) Fennesz beginne mit dem Aufruf seiner Website, um zu sehen, wo dieser gerade in der Welt für Konzerte unterwegs sei, so Neuwirth.

Abschied der Diagonale-Ära Barbara Pichler

Last but not least bekommt die Intendantin der Diagonale der vergangenen acht Jahre den einmaligen "Diagonale Achievement Award" von der Generalversammlung der Diagonale. Sie habe das Festival des österreichischen Films zu ihrem persönlichen Anliegen gemacht mit ihrer profunden Liebe zu Film - das unterscheide sie wesentlich von anderen KulturmanagerInnen. Und in noch so anstrengenden Momenten habe sie sich ihr unbestechliches Lachen bewahrt. Barbara Pichler nimmt Abschied von der Leitung, weil "Festivals in Bewegung bleiben müssen".

Barbara Pichler, Johannes Holzhausen lehnen entspannt

Diagonale/Lukas Maul

Zeit zum Chillen oder für Barbara Pichler wohl noch besser zum Sportrudern

Das zukünftige Intendantenduo Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber hat die vergangene Woche als Besucher des Festivals genossen. In Wien sei es oft noch wettertechnisch grau, "während ihr im Ruderleiberl Green Smoothies aus Weck-Gläsern schlürft an der Mur", analysierte maschek Robert Stachel die Diagonale-Stadt Graz und ihre BewohnerInnen. "Wenn man das ganze Jahr da ist, wird das fad?"