Erstellt am: 13. 4. 2015 - 06:00 Uhr
Young Fathers: "White Men Are Black Men Too"
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Die Young Fathers sind ein Trio mit nigerianischen, liberianischen und schottischen Wurzeln. Die zwei MCs Alloysious Massaquoi und Kayus Bankole haben sich 2008 mit Producer und DJ Toots ‘G’ Hastings zusammen getan, nachdem sie sich bei einer U16 HipHop-Nacht, besser gesagt bei einer alkoholfreien Vorabendveranstaltung kennengelernt haben. Nüchtern und mit klarem Kopf begannen die Young Fathers an einem Soundkonzept zu arbeiten, dass der britische Guardian als ein "berauschend fremdes Sounduniversum, das nur von ihnen bewohnt wird" bezeichnet.
Die Young Fathers brachten zwei Mixtapes heraus und für ihr 2014 auf Big Dada erschienenes Debütalbum "Dead" bekamen sie im gleichen Jahr den britischen Mercury Music Prize.
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"White Men Are Black Men Too" heißt das Anfang April erscheinende neue Album der HipHop-Band. Ich verstehe den Titel als Indikator dafür, dass die Young Fathers Kategorien genau so wenig mögen wie ich, weder in der Musik noch beim Denken. Weiß, schwarz, Mann, Frau - welches sich selbst ein freies, denkendes Wesen nennende Geschöpf braucht diese Schubladen noch? Das will ich auch von den Young Fathers wissen.
"Moment, Wesen am anderen Ende der Telefonleitung!", gebieten mir die Young Fathers Einhalt. Kategorien sind nützlich und gefährlich zu gleich. Sie nehmen den Menschen ihre Freiheit, wegen ihnen wird immer noch gemordet, unabhängig davon, ob diese Kategorien in deinem Leben Legitimität haben oder ob du in der glücklichen Position bist, weniger als andere durch sie eingeengt zu werden. Aber mit Hilfe von Kategorien finden sich Menschen auch in der Welt zurecht, meinen die Young Fathers. Wir sollten erkennen, es ist ist nicht immer alles schwarz oder weiß. "White Men Are Black Men Too."
Den Schritt, alle Kategorien im Denken und in der eigenen Musik abzuschaffen, soweit wollen sie nicht oder noch nicht gehen. "White Men Are Black Men Too" ist ein Album, in dem die Themen Hautfarbe, Politik, Sex und Religion direkt angesprochen werden. Alloysious Massaquoi von den Young Fathers hat einen Brief zum Titel des Albums geschrieben, in dem er betont, dass der Name "White Man Are Black Man Too" eine Aufforderung ist zu debatieren, und zwar direkt und wenn es geht mit Hilfe des eigenen Hirns und Herzens und ohne die Verwendung von vorgefertigen, ewig reproduzierten Standardantworten.
"Ich fordere Gleichheit der Menschen und unterstreiche das durch die beste Musik, die wir jemals gemacht haben. Ein Popalbum, unsere Interpretation davon, was ein Popalbum sein sollte", schreibt er.
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"White Men are Black Men Too" ist überall entstanden im Jahr 2014. Ein Jahr, in dem die Young Fathers permanent auf Tour waren. Ich finde den Ansatz, den eigenen Klang und sich selbst einem Stresstest zu unterziehen, gerade nach dem Gewinn eines so prestigeträchtigen Preises wie den Mercury, ziemlich geil. Sich nicht ins teuerste Studio der Welt zurückzuziehen, wie Mimosen, weil wir haben ja jetzt Geld und sind wichtig, sondern in - wie sie sagen - "ihrem üblichen Loch im Boden" in Edinburgh, in einem Hotelzimmer in Illinois, in einem Proberaum in Melbourne und in einem Keller in Berlin aufzunehmen.
Für den finsteren Keller in Berlin haben sie sich etwas besonders Strenges überlegt. Sie haben sich mit der Nemesis jedes um Komplexität und Ambivalenz bemühten Künstlers und jeder Künstlerin konfrontiert. Die KategorisiererInnen, BesserwisserInnen, SimplifiziererInnen par excellence, Menschen wie ich, Musik- und andere JournalistInnen wurden ins Kellerstudio geladen, um das noch nicht fertige Album zu hören und für die Band zu kommentieren. Ein "keep your friend close, but your enemies closer"-Schachzug? Wollte ich von den Young Fathers wissen.
"Überzeugungsarbeit zu leisten, zu disktutieren und das Gegenüber auf seine Seite zu bringen ist tausendmal stressfreier, als Feindschaften und Oppositionen aufrecht zu erhalten", erzählen sie mir an anderer Stelle des Gesprächs. "Rassist zu sein und Vorurteile zu haben ist unglaublich anstrengend, ständig musst du dir überlegen, wer dein Feind ist und wen du aus welchen Gründen hasst, unglaublich, dass 2015 für den Scheiß noch irgendwer Zeit hat."