Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "In meiner WG lebt ein Flüchtling"

Paul Pant

Politik und Wirtschaft

20. 3. 2015 - 16:33

In meiner WG lebt ein Flüchtling

Seit Jänner läuft das Projekt „Flüchtlinge Willkommen“. Dabei werden Flüchtlinge in WGs vermittelt, damit sie nicht in Massenquartieren wohnen müssen. Bei Lisa und Eva wohnt seit 6 Wochen Muhammad aus Pakistan.

"Why is the horse going inside the house?" Den Satz bekommt man in der WG von Lisa, Eva und Muhammad unvermittelt entgegengeworfen, wenn man ausdrücken will, dass einem etwas nicht ganz koscher vorkommt. Dann wird gelacht. Der Running Gag ist beim ersten gemeinsamen Internet-Video-Abend-Schauen entstanden. Beim "interkulturellen Beschnuppern" stolperten die drei über Pippi Langstrumpf. Weil man das kennen muss, wenn man in Österreich lebt, hat Muhammad einen Crashkurs in Kinderserien bekommen. Dass Pferde in Häusern leben, zusammen mit Mädchen mit roten abstehenden Zöpfen, fand er allerdings ein wenig verstörend. Bis heute.

WG-Zimmer statt Massenquartier

Ein eigenes Zimmer, davon können viele Flüchtlinge, die in Heimen und Erstaufnahmezentren untergebracht sind, oft nur träumen. In einer Situation, wo Flucht und Asyl in Europa zunehmend als Problem diskutiert werden, müssen viele Flüchtlinge viel zu oft abgeschirmt und ausgegrenzt am Rande unserer Gesellschaft leben. Das lange Warten im Asylverfahren als Zaungast zermürbt. Die Konsequenzen daraus: Lagerkoller, Depressionen und Hoffnungslosigkeit. Vermeidbare Folgeprobleme. Auch der 38-jährige Muhammad kann endlose Geschichten davon erzählen. Über vier Jahre dauert seine Flucht mittlerweile. Von Pakistan über Griechenland nach Österreich, dann Dänemark und nun wieder Österreich, wo sein Asylverfahren derzeit läuft. Ein typischer Schengen-Fall.

Eva Linkeseder, Lisa Linkeseder, David Zistl sitzen auf einer Couch im Wohnzimmer.

Radio FM4 / Paul Pant

Eva und Lisa Linkeseder in ihrer WG mit David Zistl von "Flüchtlinge Willkommen". Ihr neuer Mitbewohner Muhammad blieb lieber hinter der Kamera, da ihm zu viel Öffentlichkeit nicht recht ist.

Die beiden Cousinen Lisa (21) und Eva (22) hörten von dem Projekt "Flüchtlinge Willkommen" das erste Mal im Radio. "Wir waren sofort davon begeistert und haben noch am selben Abend das Formular ausgefüllt", erzählt Lisa. Ihr dritter Mitbewohner, Evas Bruder, war gerade am Sprung nach Prag, wo er nun für zwei Semester studiert. Für sein WG-Zimmer in der hellen Wohnung am Hernalser Gürtel suchten sie also ohnehin einen neuen Mitbewohner. Nur ein paar Wochen später stand Muhammad zum Vorstellen vor der Tür, vermittelt von Flüchtlinge Willkommen. "Es hat von Anfang an sofort gepasst", sagt Eva Linkeseder. "Eigentlich haben wir ihm schon beim ersten Treffen zugesagt."

Lachen und kochen

Das Geld für die Miete wäre durch die Grundversorgung von Muhammad allerdings nicht abgedeckt gewesen. Ein Spendenaufruf auf Facebook hat aber innerhalb von 24 Stunden auch dieses Problem gelöst, erzählt Lisa. 18 Freunde, Bekannte und Menschen, denen die Initiative gefällt, haben die Miete für 8 Monate vorgestreckt. Nun wird in der WG vor allem Deutsch gelernt und gekocht. Die beiden Cousinen, die selber viele Monate durch Indien gereist sind, lieben die indische und pakistanische Küche. Ein glücklicher Zufall, dass Muhammad ein leidenschaftlicher Koch ist, der auch Kochkurse in einem Sozialprojekt gibt. Bei der Schärfe müsse man ihn aber noch ein wenig zügeln, lacht Eva.

Mehr als Wohnungsvermittlung

Die Deutsch-Österreichischen Plattform Flüchtlinge Willkommen will mit dem Projekt etwas gegen die prekäre Wohnsituation von Flüchtlingen unternehmen. Seit dem Start vor knapp zwei Monaten haben sich 50 WGs bzw. Personen gemeldet, erzählt David Zistl, einer der Initiatoren von Flüchtlinge Willkommen. Die Plattform vermittelt nicht nur Wohnraum, sondern hilft den neuen Vermietern gemeinsam mit NGOs und SozialarbeiterInnen auch beim Weg durch den Bürokratie-Dschungel und bei Betreuungsfragen. Denn was so einfach klingt, ein leerstehendes Zimmer einem Flüchtling geben, ist ganz und gar nicht so einfach und für Private ohne Hilfe von Organisationen fast unmöglich. So konnten seit Beginn der Aktion immerhin drei Flüchtlinge bei ihren neuen QuartiergeberInnen einziehen.