Erstellt am: 17. 3. 2015 - 18:16 Uhr
Der Vater, der Bombenbauer
"Ich würde alles tun, was Du willst, aber ich stecke zu tief in dieser Scheiße und kann da nicht mehr heraus", schreibt Peter Bunjevac 1976 seiner Frau. Er und der Sohn sind in Kanada, die Frau und die beiden Töchter in Jugoslawien. Dorthin ist sie mit den beiden Mädchen geflüchtet. Weg vom aggressiven fanatischen Antikommunisten.
Mühsam kommt die Alleinerzieherin über die Runden. Die kommunistischen Großeltern helfen, unterstützen und prägen die Familie.
Dem Vater werden regelmäßig Fotos geschickt, die glückliche und gut versorgte Töchter zeigen.
Avant Verlag / Nina Bunjevac
1977 kommt Peter Bunjevac bei einem Autounfall ums Leben. Zumindest wird das der vierjährigen Nina so erzählt. Über zehn Jahre später erfährt sie die Wahrheit: Der Vater starb beim Bauen einer Bombe. Der Vater war Mitglied einer serbischen Terrorgruppe. Diese Tatsache beeindruckte Nina Bunjevac zunächst mal, erzählt sie im Interview. "I was like: Woooow!" War für sie doch eine Bombenexplosion um einiges interessanter als ein Autounfall. Dennoch kann sie sich kaum an die damaligen Gefühle erinnern. "When I think back I visualize it dark and foggy."
Mein Vater - Ein Held?
David Hawe
Dass ihr Vater ein Held sei, hört sie kurze Zeit später in der serbischen Enklave in Kanada. Dort will sie eigentlich nur ihren Bruder besuchen, bleibt aber, weil mittlerweile der Krieg ausgebrochen ist. "It feels really good when somebody tells you: 'Your father is a hero.' And for a short time I loved it and I loved the attention. But I still didn't understand all that nationalism."
Schnell erkennt sie die Gefahren von Nationalismus und auch, dass der Kampf der Kommunisten gegen Antikommunisten nicht nur den Krieg ausgelöst hatte, sondern sich auch in ihrer Familie spiegelte und diese entzweite.
Also beginnt sie zu recherchieren. Nach dem Leben und der Geschichte ihres Vaters ebenso wie nach den Ursprüngen des Konflikts zwischen Serbien und Kroatien. Ihren durchaus aggressiv und gewalttätig veranlagten Vater stellt sie dabei vielleicht zu sehr als Opfer von Misshandlungen und schwierigen Lebensumständen dar.
Sie wollte ein neutrales Bild von ihm zeichnen. "I didn’t want to paint him as a good guy or a bad guy. This is just a guy. And this is what happened to him. And then I let the reader draw their own conclusions."
Avant Verlag / Nina Bunjevac
So erzählt sie in "Vaterland" in präzisen Schwarzweißbildern die Geschichte ihres Vaters, die Geschichte Jugoslawiens und die Geschichte einer Radikalisierung. "This is really global – you can put my father in any religion, in any nationality. That's a portrait of somebody who gets radicalized."
Avant Verlag / Nina Bunjevac
"Don't air your dirty loundry" sei die Mentalität vieler traditionelle Gesellschaften, wie auch auf dem Balkan. In ihrer Familie habe man daher nicht über den Tod des Vaters und dessen Vergangenheit gesprochen. Ihre Mutter habe diese schmerzhafte Zeit bewusst verdrängt. Sie aber wollte dieses Schweigen brechen. Man könne aus "Vaterland" viel lernen.
"If this book gets into the hands of one person who is considering something crazy and something radical, I think I want them to see how that has immediate effects on the people close to them and on the family, then my job would be done. Just one person being reached is enough."
Ihre Mutter meinte: "Your father left you nothing – at least he left you a good story." Und diese erzählt Nina Bunjevac beeindruckend gut.
Nina Bunjevac in Wien
Nina Bunjevac kommt liest bzw. erzählt am 19. März um 19:30 Uhr in der Buchhandlung Hartlieb in Wien.