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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

19. 3. 2015 - 11:31

Truth or dare

Eigenwillig und schön besonders ist Gesa Olkusz' Prosadebüt "Legenden". Wieviel Poesie darin steckt, kann man beim Wortspiele Festival in Wien hören.

Das Versprechen des Romananfangs ist alles andere als ein geringes. Gesa Olkusz eröffnet mit einer Situation, die ihre LeserInnen vereinnahmt. So hatte man das vielleicht gar nicht geplant, doch sofort ist die Unausweichlichkeit raumgreifend.

„»Der Mann will sich töten«, hatte das kleine Mädchen gesagt, und mit dem nassen Daumen, den es sich zu diesem Zweck aus dem Mund gezogen hatte, auf mich gezeigt. Ich verharre in der Hoffnung, das Missverständnis werde sich aufklären, die Eltern den Irrtum des Kindes durchschauen und zügig weiterspazieren.“

Balanciert man aber auf einem Brückengeländer vor einer Kleinfamilie, ist man in Erklärungsnotstand. Filbert will sich nicht in den Tod stürzen, er will an ein Paar Stiefel herankommen, die an äußerst ungünstiger Stelle verloren gingen. Die Schuhe gehören seinem Tantchen, und mit der Verwandtschaft tun sich in diesem Roman die wahrlich schwierigen Verhältnisse auf. Eine absurde Begebenheit führt ins nächste Abenteuer. "Legenden" ist Titel und Programm. Einmal aufgeklappt, kann man es nicht sein lassen. Es sei denn, man hat etwas sehr Dringliches vor und man hat zudem für Rätselhaftigkeiten überhaupt nichts über.

Gesa Olkusz lächelt

Frederike Nass

Muss "Truth or dare" lieben: Gesa Olkusz

Es ist ein Taumeln zwischen Träumen, Erinnerungen und der Realität. Die Gegenwart lebt in Berlin, hier fügt sich das Leben noch geregelten Bahnen. Die Vergangenheit trug sich in einem russischen, nicht näher lokalisierten Dorf zu, in einem nicht datierten Krieg. Der verloren geglaubte Zusammenhang der Anekdoten stellt sich als alter Mann in Kanada heraus. Ist Filberts Großvater am Ende gar nicht den Heldentod als Widerstandskämpfer gestorben? Die Todesursache Kollision mit einem Elch jedenfalls betrifft in Wahrheit den Tod eines anderen Mannes, soviel sei verraten.

Das Cover zu "Legenden" von Gesa Olkusz zeigt eine Landschaft und in der Ferne ein Feuer und einen aufgewühlten Himmel

Residenz Verlag

"Legenden" von Gesa Olkusz ist 2015 im Residenz Verlag erschienen

Um die Geschichte eines Mannes, der die Wirren eines Krieges genützt hat, um sich von seiner Familie und seinem alten Leben abzusetzen und eine neue Identität anzunehmen, baut die deutsche Autorin Gesa Olkusz ein Labyrinth an Geschichten. Die Handlung hat sie verschachtelt. So tappen ihre LeserInnen wie Filbert länger im Dunkeln tappen.

Dieses Buch wäre furchtbar vertrackt, hätte Olkusz nicht ihre eigenwillige Erzählsprache, die betört. Poetisch mit einem so erfreulich reichen Wortschatz, imponiert sie mit Witz und bedient sich aller Möglichkeiten, die Literatur zu bieten hat. Mit einem gewissen Aureliusz taucht eine Figur auf, der keine Grenzen gesetzt scheinen. Aureliusz bewegt sich durch die Zeiten. Um die Vergangenheit zu rekonstruieren und die Wahrheit ans Licht zu bringen, ist Aureliusz alles erlaubt.

"Legenden" nimmt man am Besten an einem Wochenende in die Hand und legt es erst zur Seite, wenn man am Ende angekommen ist.

Wortspiele

Beim zweitägigen Wortspiele Festival wird Gesa Olkusz am 18. März, 21.00 Uhr, in Wien im Porgy & Bess aus ihrem Debüt lesen. Zu hören sind u.a. auch Nadine Kegele und Sandra Gugić mit ihren Debüts und Kristof Magnusson mit seinem "Arztroman".