Erstellt am: 16. 3. 2015 - 17:47 Uhr
Junge profitieren weniger
Seit Freitag sind Details zur Steuerreform bekannt, Bundeskanzler Werner Faymann hat sie ja als „größtes Entlastungspaket“ der Zweiten Republik bezeichnet. Denn: Die Lohnsteuer wird gesenkt, damit mehr Geld bleibt für ArbeitnehmerInnen. Zur Gegenfinanzierung wird es aber keine Erbschafts- und Vermögenssteuern geben, sondern z.B. eine höhere Mehrwertsteuer auf Kino- und Theaterkarten und eine höhere Grunderwerbssteuer auf Immobilien.
Wir haben Margit Schratzenstaller, Steuerexpertin vom WIFO, zum Interview gebeten und sie gefragt, wie sich die Steuerreform auf junge Menschen in Österreich auswirkt, was sie zur Kritik sagt, dass es keine Erbschafts- und Vermögenssteuern geben wird, und ob es mit den jetzt angekündigten Reformen getan ist.
Mitarbeit bei den Fragen: Robert Zikmund
Wie betrifft diese Reform junge Menschen? Da gibt es die einen, die jubeln und sagen, das bringt den Jungen total viel, die andern sagen, auf die Jungen wurde vergessen…
Margit Schratzenstaller: Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Es ist so, dass von der Lohnsteuersenkung tatsächlich der größte Teil der lohnsteuerpflichtigen Menschen profitiert. Nicht nur über die Senkung des Tarifs, sondern auch über die Erhöhung der Negativsteuer, die auch diejenigen entlastet, die so wenig verdienen, dass sie gar keine Steuern zahlen. Bei den unselbständig Beschäftigten ist das eine große Gruppe, nämlich 30 Prozent. Prozentual werden aber natürlich am meisten die mittleren Einkommen entlastet. Das spricht dafür, dass man in nächsten Reformschritten, die dringend notwendig sind, auch die Sozialversicherungsbeiträge senkt. Um so die untersten Einkommen zu entlasten.
WIFO
Die Bundesjugendvertretung hat an der Steuerreform kritisiert, dass viele Jugendliche von Arbeitslosigkeit betroffen sind und dass es für sie immer schwieriger wird, zu Erwerbsbeginn in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Daher hätten sie von der Lohnsteuersenkung wenig, sie seien aber von der Mehrwertsteuer-Erhöhung überproportional betroffen.
Es ist auf jeden Fall so, dass das die jungen Menschen besonders trifft, die in den unteren Einkommens-Bereichen stark vertreten sind. Und die damit prozentual nicht so profitieren wie die mittleren Einkommen, wo das Durchschnittsalter höher ist. Das spricht dafür, dass man Sozialversicherungsbeiträge senkt, aber auch die Lohnnebenkosten für die Unternehmen. Denn es ist weder für die Arbeitsnachfrage noch für das Arbeitsangebot gut, wenn niedrige Einkommen so stark belastet sind. Und ja, sicher sind Jugendliche von den Teuerungen im Kulturbereich betroffen. Gleichzeitig glaube ich aber, dass die Gegenfinanzierung die Entlastungen nicht aufwiegen kann. Also unterm Strich sollte für jeden mehr übrig bleiben.
Welche Auswirkungen sehen Sie für junge Familien?
Gezielte Entlastungen für Familien sind überschaubar. Was man gemacht hat, ist, dass man den Kinderfreibetrag von 220 Euro auf 440 Euro pro Jahr verdoppelt hat. Das entlastet aber nur Leute, die überhaupt so viel verdienen, dass sie etwas von der Steuer absetzen können. Aber wie gesagt, durch die allgemeine Tarifsenkung werden natürlich auch die Familien entlastet.
Was ist mit den Frauen? Trägt diese Steuerreform dazu bei, die Lohnschere zu schließen? Oder gibt es mehr Ungleichheit unter den Frauen, wie es Grünen-Abgeordneter Rossmann sagt?
Wenn ich eine Einkommens- und Lohnsteuersenkung so gestalte, dass die mittleren Einkommen besonders stark entlastet werden, dann sind Männer relativ mehr begünstigt. Damit verteilt sich das Volumen der gesamten Steuerreform zu einem Drittel auf die Frauen und zu zwei Drittel auf die Männer. Umgekehrt hätten die Frauen auch schlechter wegkommen können, wenn man nur die Tarife gesenkt hätte und nicht über die Negativsteuer eine gewisse Kompensation im unteren Einkommens-Bereich erzielt hätte. Es wäre generell ein wichtiger Schritt – auch um Erwerbshemmnisse für Frauen abzubauen, die ja oft in Teilzeit arbeiten, dass man die Sozialversicherungsbeiträge senkt. Das belastet die Frauen, genau wie die Jungen, die tendenziell weniger verdienen, besonders stark.
Kritik kommt von den jungen SozialistInnen, die meinen, dass das große Problem unserer Zeit, die Verteilungsgerechtigkeit, gar nicht angegangen wurde. Stimmt das?
Sämtliche Steuervorschläge, die mit der Erhöhung von vermögensbezogenen Steuern zu tun haben, haben keinen Niederschlag gefunden. Ein bisschen in Form der Erhöhung der Grunderwerbssteuer, aber das ist keine gezielte Belastung von höheren Einkommen. Ich würde es so sehen: So sehr jetzt eine Entlastung der Arbeitseinkommen gelungen ist, es steht auf jeden Fall noch eine Strukturreform an. Und die muss nicht nur, aber auch den Bereich der vermögensbezogenen Steuern umfassen. Als Ökonomin kann ich nicht sagen, ob das ein Gerechtigkeitsproblem ist oder nicht. Als Ökonomin würde ich aber anmerken, dass ich es bedauerlich finde und es anmahnen würde - wie auch die Europäische Kommission in ihrer letzten Ländereinschätzung für Österreich angemerkt hat -, dass man Erbschafts- und Vermögenssteuer wieder einführt, um mit den zusätzlichen Einnahmen weiter die Arbeitseinkommen entlastet.
In Österreich gab es übrigens bis 2008 eine Form der Erbschaftssteuer. Bis zu einem Urteil vom Verfassungsgerichtshof, das besagt, dass die Bewertungsvorschriften für Grundstücke gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Seitdem hat keine Regierung sie wieder eingeführt.
Von echten Vermögens- oder Erbschaftssteuern, ab einer Million Freibetrag, wären nur ganz wenige betroffen, dennoch gibt es in der Bevölkerung große Skepsis. Woran könnte das liegen?
Einerseits liegt das daran, dass wir bis vor kurzem wenig genaue Daten zur Verteilung von Vermögen in Österreich hatten. Das hat sich gebessert, durch die Erhebungen der Österreichischen Nationalbank gemeinsam mit der EZB. Die haben gezeigt, dass Vermögen in Österreich besonders ungleich verteilt ist. Und zum Teil liegt es auch an dieser Unkenntnis, dass diese Skepsis gegenüber vermögensbezogenen Steuern so groß ist. Viele meinen, dass sie davon betroffen wären, obwohl das bei einer geeigneten Ausgestaltung gar nicht der Fall wäre. Wenn man Erbschaftssteuern wieder einführen würde mit hohen Freibeträgen, dann würde das nur sehr hohe Erbschaften betreffen. Das wären nur ein paar Prozent der Erbschaften, denn entsprechend der ungleichen Vermögensverteilung sind auch die Erbschaften sehr ungleich verteilt. Diese allgemeine Skepsis beruht also auf Unkenntnis, aber auch darauf, dass viele Leute sich zur Mittelschicht oder zur eher begüterten Schicht zählen, die in Wirklichkeit gar nicht dazugehören.
Man hört oft, dass Umsatzsteuererhöhungen sehr unsozial sind, weil sie die Ärmsten am stärksten treffen – weil für sie die ohnehin teure Theaterkarte noch weniger leistbar wird. Was ist das für einen Zeichen, gerade für Kultur die Mehrwertsteuer zu erhöhen?
Das Thema ist recht komplex. Es gibt Güter und Dienstleistungen, wie die berühmten Kinokarten, die die unteren und die mittleren Einkommen relativ stark treffen. Weil das ja ein Massenvergnügen ist. Da gibt es aber auch andere Güter und Dienstleistungen, deren Höherbesteuerung die oberen Einkommen betrifft, das sind die Hotelübernachtungen oder auch die Staatsoper und das Burgtheater. Was die Wertschätzung oder eben Nicht-Wertschätzung von Kunst und Kultur betrifft: Die ermäßigte Umsatzsteuer hat ja eigentlich den Zweck, dass sie aus sozialpolitischen Gründen untere und mittlere Einkommen vor einer zu hohen Belastung bewahren sollen. In diesem Katalog sind aber viele Güter und Dienstleistungen drinnen, wie eben die Theater- und Opernkarten, die nicht unbedingt den unteren und mittleren Einkommen zu Gute kommen. Ich finde, man könnte Kunst und Kultur mit gezielteren Maßnahmen fördern als mit einer Steuererleichterung, die da ein bisschen mit der Gießkanne agiert. Und die außerdem nicht transparent ist! Das finden sie in keinem Förderungsbericht und die wird ja auch nie wieder auf den Prüfstand gestellt. Da halte ich direktere Förderungen für das geeignetere Mittel.
Also zum Beispiel günstigere Tickets für Jugendliche oder Erwerbslose auszubauen, anstatt generell steuerlich zu fördern?
Genau. Eigentlich müsst man die Einrichtungen jetzt mit direkten Subventionen ausstatten. Das ist ein Pferdefuß, den ich sehe - die steuerliche Begünstigung wurde gestrichen, ohne Ersatz zu bieten. Das halte ich nicht für ganz unproblematisch.