Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "To Pimp a Butterfly"

Phekt

Geschichten aus dem Hip Hop-Universum und benachbarten Galaxien.

17. 3. 2015 - 11:40

To Pimp a Butterfly

"To Pimp a Butterfly", das neue Album von Kendrick Lamar, klingt wesentlich jazziger und sperriger als ihr Vorgänger, ist aber genauso faszinierend und vielschichtig.

Seit Erscheinen des Albums dominiert Kendrick Lamar aus Los Angeles die Timelines der sozialen Netzwerke. "To Pimp a Butterfly", der mit Hochspannung erwartete Nachfolger seines Rap-Meilensteins "Good Kid, M.A.A.D. City", ist geleaked und früher als geplant als Stream (und gleichzeitig als illegaler Download) im Netz gelandet. Im Minutentakt werden euphorische Kommentare, Lobeshuldigungen und Rezensionen geteilt. Questlove von den Roots ist "mind...blown" und die Imagine Dragons sagen "go get it".

Kendrick Lamar

Kendrick Lamar

Das Coverfoto von "To Pimp a Butterfly". Von Compton ins weiße Haus.

Mittelfinger an die Charts

"To Pimp a Butterfly" ist das dritte Album von Kendrick Lamar. Der Vorgänger "Good Kid, M.A.A.D. City" gilt zurecht als eines der besten Rap-Alben der letzten Jahre und hat quasi mit Erscheinungsdatum den Klassiker-Status erreicht. Kendrick Lamar seziert darauf das Leben in Compton in all seinen Facetten unter der Schirmherrschaft von Dr. Dre. Die Platte gleicht einem Hörspiel für Erwachsene und hat das Level für anspruchsvolle Rap-Alben in den 2010er Jahren um mehrere Ebenen nach oben verschoben. Dementsprechend groß war die Erwartungshaltung, ob die neue Platte das Niveau des Vorgängers halten kann. Nach einem Nachmittag mit "To Pimp a Butterfly" in heavy Rotation in den Kopfhörern kann ich mit gutem Gewissen sagen: Ja, sie kann. Und dabei klingt das Album in seiner Gesamtheit doch ganz anders.

Wieder handelt es sich um eine wunderschön konzipierte, einem Hörspiel gleichenden, Platte, die die Hörer zwingt, sich länger und intensiver damit zu befassen, möchte man der Musik und den Inhalten gerecht werden.

Der von vielen Acts und Labels angestrebten Chartkompatibilität wird ein großer Mittelfinger gezeigt. Die Grammy-ausgezeichnete Single "i" ist da noch die große Ausnahme.

Schwer beeinflusst wurde der Sound von "To Pimp a Butterfly" von Flying Lotus, der dem Album einen dicken Fingerabdruck verpasst hat. Der kalifornische Avantgarde-Elektronik-Hip Hop-Jazz-Held hat Kendrick Lamar mit seinem freigeistigen, experimentellen und mutigen Zugang zu Musik maßgeblich beeinflusst.

So verwundert es nicht, dass Kollegen aus dem Brainfeeder-Freundeskreis tatkräftig mitgewirkt haben: durch Thundercat am Bass, Robert Glasper an den Keys und Vokalisten wie George Clinton und Bilal dominieren musikalisch Einflüsse von Jazz und P-Funk die Soundästhetik von "To Pimp a Butterfly". Abrupte Tempo- und Stimmungswechsel innerhalb von Songs sorgen für Überraschungsmomente. Für die Tanzfläche wurde das neue Kendrick Lamar Album nicht konzipiert. Und das ist gut so.

Das war eigentlich schon der Vorbote für "To Pimp a Butterfly". "Never Catch" ist eine Kollabo von Kendrick Lamar mit Flying Lotus, die auf dessen Album "You're dead" veröffentlicht wurde.

Hood Politics

They tell me it's a new Gang in town
From Compton to Congress
It's set-trippin all around
Ain't nothing new but a flow
of new Demo-Crips & ReBloodlicans
Red state vs. a Blue state...
which one you governin'?

"To Pimp a Butterfly" ist das Album eines intelligenten jungen Mannes, der durch Glück und Talent den aufgrund sozialer Rahmenbedingungen vorgezeichneten Lebensweg als Gangbanger, Toter bzw. Häftling in einem der großen amerikanischen Hochsicherheitsgefängnisse durchbrechen konnte.

Da wo Kendrick und seine Familie herkommen, gibt es abgesehen von Basketball, Football, Baseball oder der Entertainment-Branche wenige legale Karriereperspektiven. Darüber hat er schon ausführlich auf seinem letzten Album gerappt.

"To Pimp A Butterfly" ist lyrisch die logische Weiterführung seiner bisher erzählten Biographie. Kendrick Lamar ist mittlerweile ein international hofierter Rap-Star mit viel Geld am Konto. Er lebt natürlich nicht mehr in Compton. Die Dämonen, mit denen er fertig werden muss, sind trotzdem nicht weniger geworden. Sie schauen nur anders aus. Wie geht man mit Erfolg und Reichtum moralisch richtig um? Wie widersteht man den Verlockungen des Showbiz? Wie nutzt man als erfolgreicher Künstler seine Macht und seinen Einfluss auf die Community richtig? Schon im Interview, das ich mit Kendrick Lamar vor zwei Jahren in München geführt habe, waren das Fragen, die ihn beschäftigt haben.

Kendrick Lamar Interview mit Phekt

Nora Groth

Ein Gespräch mit 2Pac

Der Song "How much a Dollar cost" handelt zum Beispiel von einem Obdachlosen, den Kendrick getroffen hat und der ihn zu diesem Song inspiriert hat. Ronald Isley von den legendären Isley Brothers sorgt mit vier gesungenen Zeilen am Ende des Songs für Gänsehaut.

Das passiert beim Hören des neuen Albums eigentlich permanent. Liest man dazu die Liner Notes, erfährt man zum Beispiel, dass für die Hintergrund-Chöre Künstler wie Bilal, Dr. Dre oder Lalah Hathaway (die Tochter des Soul-Sängers Donny Hathaway) engagiert wurden.

Pete Rock ist neben der Rapperin Rapsody auf "Complexion (a Zulu Love)" zu hören. Einem Song, der von den unterschiedlichen Nuancen dunkler Hautfarbe und den damit einhergehenden Komplexen innerhalb der afro-amerikanischen Community handelt.

Alte Weggefährten wie Schoolboy Q oder Ab-Soul hört man im Gegensatz zur Sängerin Anna Wise auf dem neuen Kendrick Lamar-Album nicht. Dafür den jamaikanischen Dancehall-Künstler Assassin, der im Refrain von "The Blacker the Berry" singt. Snoop Dogg hat ebenfalls einen Gastauftritt.

Für die Musik sind neben Flying Lotus, Thundercat, Terrace Martin und Robert Glasper der TDE-Haus und Hof-Produzent Sounwave, Lovedragon, Rahki, Boy 1-Da und Pharrell Williams verantwortlich.

"Mortal Man", der letzte Song des Albums (der fast 12 Minuten dauert), endet mit einem Gespräch und Fragen, die Kendrick Lamar seinem Idol, dem 1996 ermordeten Rapper 2Pac, stellt. Hier schließt sich der Kreis von "To Pimp a Butterfly", denn 2Pac erzählt Kendrick, dass seine Zeit limitiert ist und dass Veränderungen nur von innerhalb der Community kommen können. Daher ist es so wichtig, junge Menschen zu inspirieren.

Das Original-Interview mit 2Pac hat Anfang der 90er Jahre ein schwedischer Journalist geführt.

Die Idee zu dem Song hat Kendrick während einer Reise nach Südafrika gehabt.

How many leaders you said you needed then left ‘em for dead?
Is it Moses, is it Huey Newton or Detroit Red?
Is it Martin Luther, JFK, shooter you assassin
Is it Jackie, is it Jesse, oh I know, it’s Michael Jackson, oh

Gänsehaut.