Erstellt am: 17. 3. 2015 - 14:31 Uhr
Euphorie und Melancholie
Diagonale
Festival des österreichischen Films. Graz, 17.-22. März 2014
Tägliche Berichterstattung aus Graz im Diagonale Tagebuch auf fm4.orf.at und auf orf.at/diagonale
Sondersendung zum Filmfestival: Donnerstag, 19. März, ab 19 Uhr in einer FM4 Homebase Spezial.
Olivier Vigerie
Was kann man verhauen in einem Film, in dem elektronische Musik die größte Liebe ist? Alles. Produzenten wünschen sich einen Film über die Stars einer Szene. Wenn schon ein Spielfilm zu French House, dann gleich einer über Daft Punk. "Oder über David Guetta", erzählt Mia Hansen-Løve in einem schönen Interview. Und außerdem wäre zu wenig Gewalt in der Handlung. Zu wenige Drogen im Drehbuch. Oder zumindest solle mit den Drogen was Amüsantes angestellt werden.
Nun, Daft Punk und Drogen haben ihren Part in "Eden", dem neuen Film der französischen Regisseurin Mia Hansen-Løve. Trotzdem musste sie zweimal den Produzenten wechseln. So geht es also selbst international renommierten AutorInnen des europäischen Kinos. Doch: Gut so. Denn "Eden" ist einer der bezaubernden Filme dieses Kino-Frühlings. Es ist ein Langzeitporträt eines jungen Mannes, der sich im besten wie im prekären Sinn in der Musik verliert.
Euphorie und Melancholie
Diese Gefühle ziehen sich durch "Eden". Von Nächten und vor allem den Tagen erzählt Mia Hansen-Løve in ihrem neuen Film über zwei Jahrzehnte der Entwicklung dessen, was nun unter EDM - electronic dance music - firmiert. Doch die Französin tut dies nicht langweilig lexikalisch. Keine Szene wirkt nostalgisch-verklärt. Die frühen Neunziger in Paris, sie wirken nicht fern. Ja, man will in diesen Film kippen, und Mia Hansen-Løve macht es einem leicht.
Jeder Spielfilm Hansen-Løves hatte bisher autobiographische Bezüge. Diesmal ist die Hauptfigur Paul nah an dem Leben von Hansen-Løves Bruder Sven, gemeinsam hat man das Drehbuch geschrieben. French House gilt seine Passion, er wird DJ und das für einige Jahre durchaus erfolgreich. Aber langfristig bleibt der große Durchbruch aus.
Thimfilm
"The seasons, the sunlight"
Am Anfang ist es ein Moment der Stille, nach einer Ausgehnacht in einem Wald. Da fliegt ein bunter Vogel über Paul (Félix de Givry). Wenige Flügelschläge nur, gerade lang genug, um zu erkennen, dass es eine Animation ist. Die weiteren magischen Augenblicke in "Eden" werden ohne Spezialeffekte auskommen. Mit Rucksäcken sind Freunde unterwegs von einem zum nächsten Rave. Beats klatschen und Vocals fragen: "Why don't you follow me?" Und am Rande einer Tanzfläche verkauft ein Mann Fanzines an Paul und seinen Freund, und prophezeit den jungen Männern, dass man noch von ihnen hören werde. Es ist das Jahr 1992.
Zur Einstimmung: Die Playlist des Soundtracks auf Spotify
Drei Jahre später ist Pauls Zimmer auf Wohnzimmer Recordings eingestellt, auf dem Futonbett liegen drei Freunde und hören zu. Nebenan schneidet Mama Zeitungsartikel über Ecstasy und Nervenschäden aus. Bei den ersten Sekunden der nächsten aufgelegten Platte bei einer Party sind die Freunde kurz verunsichert, ob damit alles in Ordnung ist. Es ist Daft Punks "Da Funk".
Noch ein weiteres Mal wird Daft Punk zentral ertönen. "They are all over", wird jemand aus einer Freundesrunde lapidar feststellen. Zusammengekommen ist man, weil jemand gestorben sein wird. In der Zwischenzeit ist man mit Paul auf Tour, begegnet Chicagoer House-Gesangsdiven, und findet Greta Gerwig (als amerikanische Studentin in Paris) und Pauline Étienne als Pauls Freundinnen so geradlinig wie entzückend. Paris, Chicago und New York hat selten jemand derart nebenbei zu Schauplätzen gemacht. Mia Hansen-Løve muss nicht alle Knöpfe eines Spektakels bedienen. Nie ist es zuviel, stets die richtige Dosis Emotion, die berührt. Mit unaufdringlicher Präzision legt sie Beziehungen offen. Da wird nicht viel gequatscht, um Verhältnisse klarzustellen. Es geht um Leben, das Nacht(arbeit)leben und um Beziehungsleben. Und die Dialoge haben einen feinen Witz.
Thimfilm
Zu Gast in Graz
Auch in Graz zu sehen beim Tribut an Mia Hansen-Løve:
Un amour de jeunesse (FR/DE 2011),
Le père de mes enfants (FR/DE/BE 2009),
Tout est pardonné (FR 2007),
Après mûre reflexion (FR 2004)
Mit 34 Jahren hat Mia Hansen-Løve vier Langspielfilme gemacht. Auf der diesjährigen Diagonale in Graz ist die Autodidaktin mit ihren Filmen zu Gast und wird in einem Werkstattgespräch Freitagmittag garantiert Einblicke in ihr Arbeitsleben geben. Ihre Filmschule seien die Arbeit als Filmkritikerin und die Sets von Olivier Assayas gewesen, in dessen Filmen "Les destinées sentimentales" und "Ende August, Anfang September" sie mitspielte. Seit 2009 ist Mia Hansen-Løve mit Olivier Assayas verheiratet.
Tickets zu gewinnen! Ein Abend mit French Touch
FM4 präsentiert die Österreich-Premiere von "Eden" diesen Freitag, 20. März, 21.00 Uhr, im KIZ RoyalKino in Graz statt. Anschließend an die Vorführung wird FM4-Filmexpertin Petra Erdmann mit Mia Hansen-Løve über den Film sprechen.
Für diese Premiere verlosen wir 8x2 Tickets.
Dafür würden wir gerne wissen: Wie nannte sich jener Vertreter von French House mit DJ-Namen, der bevorzugt mit einem gelben Plüschtier unterwegs war!
Der Einsendeschluss ist leider schon vorbei. Mr.
Oizo (oder für die Experten der bürgerliche Name Quentin Dupieux), war die Antwort. Die GewinnerInnen wurden bereits per Mail verständigt.
Und nach dem Kino geht es dann gleich weiter mit French Touch: bei der Diagonale Nightline präsentiert von FM4 bitten am Freitag Sebastian Schlachter (FM4 La Boum De Luxe / Vienna Wildstyle Rec) und DJ Tornquist (Schwarzes Herz) zum FM4 Club Eden. Der Eintritt ist frei.