Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "I Am the Cosmos"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

15. 3. 2015 - 15:58

I Am the Cosmos

Der Song zum Sonntag: Tame Impala - "Let It Happen"

Das Getöse da draußen in der Welt betrübt uns, zerknirscht uns, erzählt uns nichts über unser eigenes Leben. Wenn uns wieder einmal alles als zu viel und zu hässlich erscheint, dann wollen wir wegblenden, ausfaden, durch neue Türen der Erkenntnis schreiten.

Die neue Single des australischen Projekts Tame Impala, Vorbote auf das demnächst erscheinende dritte Album, ist wieder einmal ein schön vernebelter, wenn nicht gar verrauchter Song über das Ausklinken aus doofen Zusammenhängen, die Entgrenzung, die Flucht.

Man soll es doch einfach geschehen lassen, sagen uns die Stimmen in unserem Kopf, sagt uns der Song "Let It Happen" - ein Lied gegen das gute alte Zugrundegehen an den Normen und Zwängen. Deswegen dauert das Stück auch gleich fast acht Minuten. Tame-Impala-Mastermind Kevin Parker inszeniert in Interviews und seinen Songs gerne, dabei recht unpeinlich und reflektiert die beliebte Außenseiterrolle, zeigt sich als der Grübler-Typ, der von dem ganzen Treiben um ihn herum unberührt bleibt, sich aber da und dort auch selbst in die Ecke stellt. "Lonerism" nennt sich ausdrücklich das 2012 erschienene zweite Album von Tame Impala.

Tame Impala

Tame Impala

Im Zentrum, ganz weit draußen: Kevin Parker

So wird das Unternehmen Tame Impala auch meist als echte Band wahrgenommen – tatsächlich ist es das jedoch fast ausschließlich in der Live-Situation. Im Studio ist Kevin Parker ganz der genialische Eigenbrötler, der auf 500 Spuren und Kanälen sein barockes psychedelisches Space-Orchester anschichtet. Sicherlich, immer wieder kommen Gäste und Kollegen vorbei, Parker ist jedoch alleiniger musikalischer Direktor – anders als ihr ausladender, verdaddelter Sixities-Rock vielleicht suggerieren könnte, ist Tame Impala keine Jam-Band.

Das Stück "Let It Happen" wirkt nun auch eindeutig wie von einem Produzenten angerichtet und bei aller Trippigkeit nicht wie von einem Haufen Hippies zusammengeklopft. Der Song lässt Parkers oft beteuertes Interesse an elektronischer Musik deutlicher als bisher durchwirken und die Macht des Studios als Instrument in ganzer Pracht erstrahlen. Im Mittelteil stockt und eiert das Stück, hängt wie eine skippende CD oder ein mit dem letzten Saft laufender Kassettenrekorder und stellt so noch einmal deutlich heraus, dass hier gerade eben nicht "live" gespielt wird. Hier ist ein Mann sein eigener Dirigent seiner Töne, Geräusche, Sounds, seiner Welt.

"It's always around me, all this noise / But not really as loud as the voice saying / Let it happen, let it happen (It's gonna feel so good) /Just let it happen, let it happen", singt Kevin Parker gleich in der ersten Strophe und begibt sich auf die Reise, raus aus dem System. "All this running around / I can't fight it much longer", heißt es später.

Nach dem zart schmelzenden, harmonieseligen Popsongwriting in Paisley- und Batik-Tönen im ersten Teil morpht "Let It Happen" in Hälfte zwei geschmeidig hinein in einen lange Zeit rein instrumental gehaltenen Dance-Track: ein lasziver Disco-Groove, üppige Synthesizer-Spielereien, immer wieder heftiges Schrauben an den Frequenzen.

Gegen Ende leiert eine funky Vocoder-Robo-Voice, die auf einer Platte des Electric Light Orchestras oder dem letzten Album von Daft Punk nicht falsch wäre, auch ein albern kerniges Gitarrensolo hat Platz, ehe Kevin Parker ganz am Schluss, wieder mit glöckchenheller Stimme, die optimistische Wahrheit spricht: "Maybe I was ready all along". Langsam verblasst der Song, wird leiser und leiser, driftet weg, bis er schließlich verschwunden ist.