Erstellt am: 13. 3. 2015 - 15:46 Uhr
Steuern sollen steuern
Eines vorweg: Eine Steuerreform ist kein Geschenk einer großzügigen Regierung. Nein, eine Steuerreform wird alle paar Jahre notwendig, um etwa Verluste der Steuerzahlerinnen durch die "kalte Progression" auszugleichen. So werden auch die Netto-Effekte dieser Reform in einigen Jahren verbraucht sein - was dann bleibt sind die Gegenmaßnahmen, also: Steuererhöhungen. Dabei zählt Österreich schon jetzt zu den Staaten mit der höchsten Abgabenlast.
Und dennoch war sie notwendig, die Entlastung von vor allem mittleren Einkommen, also jener Menschen, die man zum Teil als "Nettozahler" bezeichnet - jedenfalls aber jener Menschen, die morgens aufstehen müssen und einer geregelten Arbeit nachgehen. Es gilt der Grundsatz: Wer in der Früh den Wecker stellt und arbeiten geht, geht soll am Ende des Tages mehr haben als jemand, der den ganzen Tag im Bett bleibt. Trotz allem kommen aber genau diese Nettozahler immer mehr unter Druck:
In der Mitte wird es eng
Laut einem Narrativ, das man beinahe schon als Konsens bezeichnen darf, nimmt sich das oberste Vermögens-Dezil zunehmend aus der Pflicht, durch Steuervermeidung entstehen den Volkswirtschaften jährlich hunderte Milliarden Verlust - ganze Industrien stehen Rechenschieber parat um hier kreativ zu helfen. Währenddessen werden die Transfer-Nettobezieher immer mehr, und damit auch die Last für den Sozialstaat. Eine Zwickmühle, die wohl nur international gelöst werden kann. Trotz allem sind auch nationale Regierungen gefragt, lenkend einzugreifen. Also Schritte zu setzen, die mehr sind, als reine Symbolpolitik.
Anhand dieser Eingangsvoraussetzungen möchte ich die kolportierten Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung zur Steuerreform 2015 nun aus der Perspektive eines jüngeren Arbeitnehmers kommentieren. In mehreren Punkten:
0. Mehr in der Tasche?
Das erklärte Ziel war, wie anfangs erklärt, Einkommensverluste (wie sie etwa durch die kalte Progression entstehen) abzugelten. Und damit mehr Kaufkraft zu schaffen, davon erwartet man sich Impulse für die Binnennachfrage - und damit wieder eine Belebung des Wachstums. Das ist auch gemeint, wenn von der "Selbstfinanzierungskraft" so einer Reform zu lesen ist. Und ja - hier hat sich das Tarifmodell tatsächlich verbessert. Etwa wird der Eingangsteuersatz, ab 11.000 Euro, bei 25% liegen. Der höchste Steuersatz soll dann ab einer Million bei 55% sein. Und das hat natürlich für alle Einkommen Auswirkungen - bei einem Bruttogehalt von 2100 Euro pro Monat bleiben damit jährlich 900 Euro mehr in der Tasche. Diese Reform war, ich wiederhole mich, überfällig. Und die Aufregung speist sich eher aus den Finanzierungsmaßnahmen die dieser Reform gegenüberstehen.
APA
1. Die Vermögenden sollen einen Beitrag leisten
Die Faymann-SPÖ ist mit dieser ganz klar selbst auferlegten Latte in die Verhandlungen gegangen - und in jeder Hinsicht gescheitert. Es wird weder echte Vermögens- noch Erbschaftssteuern geben. Dafür hat man sich zweierlei soziale Barbiturate ausgedacht, also ja, reine Symbole. So wird erstens der Spitzensteuersatz ab einer Millionen Jahreseinkommen auf 55% erhöht, die Zahl derer, die das betrifft, ist überschaubar. Und zweitens will man die Grunderwerbssteuer erhöhen. Auch innerhalb der eigenen Familie (z.B. beim Erben) werden damit vermutlich 2 - 3,5% vom Verkehrswert des Elternhauses fällig. Was daran fairer oder besser als an einer echten Erbschaftssteuer ab einem Freibetrag von einer Million Euro sein soll muss man wohl die ÖVP fragen. Oder die SPÖ, die das als "Gerechtigkeit" verkauft.
2. Erhöhung der KESt (Kapitalertragsteuer)
Tatsächlich ist es nicht so, dass viele Mittel- oder Kleinverdiener besonders gewaltige Einkommen aus Kapitalerträgen erzielen, seit Banken unsere Guthaben gerade noch homöopathisch verzinsen. Nachdem aber die Lohnsteuer-Erhöhung ab einer Millionen vielleicht ein paar hundert Menschen betrifft, möchte man gegengleich auch Kapitaleinkünfte stärker besteuern. So sollen etwa Dividenen künftig mit 27.5% statt wie bislang 25% besteuert werden. Sparbücher will man ausdrücklich davon ausnehmen, das wird allerdings schwierig, weil man für so eine Ausnahme eine Verfassungsmehrheit im Parlament braucht. Am Ende könnten also doch 27.5% KESt für alle stehen.
3. Erhöhung von ermäßigten Umsatzsteuern
Derzeit gilt für einige Waren in Österreich ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 10%. Und während Lebensmittel oder Medikamente weiterhin so besteuert werden, will man etwa Schnittblumen, Tierfutter oder Kino- und Konzertkarten in Zukunft mit 13% USt belegen. Gerade eine Massensteuer wie die Umsatzsteuer trifft aber generell Menschen, die große Teile ihres Einkommens konsumieren (müssen) und ist insofern sozial problematisch. Oder, um es sarkastisch zu sagen: "Der Pöbel braucht eh nicht ins Burgtheater."
4. Steuervermeidung und Hinterziehung bekämpfen
Davon erwartet man sich bis zu zwei Milliarden. Falls dem wirklich so ist, muss sich die Regierung die Frage gefallen lassen, warum man erst jetzt damit beginnt. Um dies zu bewerkstelligen, möchte man an mehreren Schrauben drehen, eine davon heißt Registrierkassenpflicht. Grundregel: Für jeden kleinen Braunen muss ein Beleg her. In Griechenland hat man das seit 2010 bereits eingeführt, in Österreich hat sich bislang die Wirtschaftskammer gesträubt. Man kann der Regierung also viel Glück dabei wünschen, wenn sie nun plötzlich auf ähnliche Pferde wie die griechische Syriza-Regierung setzt, ein bisschen Skepsis ist aber jedenfalls angebracht. Und das führt mich auch schon zum
5. Resümee
Aufgeregte Stimmen berichten uns, dass alleine in der Eurozone jährlich 1000 Milliarden Euro an hinterzogenen und getricksten Steuern draufgehen, diese Lücke können auch die fleißigsten Arbeitnehmer und Unternehmen kaum mehr füllen. Alleine deswegen muss man sich wundern, warum etwa in Griechenland eine Liste mit hunderten Steuersündern jahrelang - bis jetzt - so gut wie ignoriert wurde. Deswegen muss man sich aber auch wundern, wie zäh und langsam Dinge wie Lux- oder Swiss-Leaks aufgearbeitet werden.
Und deswegen muss man sich auch wundern, warum etwa das österreichische Bankgeheimnis noch immer unverrückbar in der Landschaft steht. (Obgleich "Die Presse" nun meldet, dass das Bankgeheimnis durchlöchert wird, alle genauen Details gibt es heute Abend, wenn die Regierung vor die Presse tritt.)
Und deswegen kann man sich schließlich auch darüber wundern, dass nun das Überschreiben eines Einfamilienhauses in der Familie empfindlich teurer wird - während echte Erbschaftssteuern ausbleiben. Und die ÖVP sogar noch stolz darauf ist.
In Österreich steht eine Staatsschuld von etwa 270 Milliarden privaten Finanzvermögen von rund 650 Milliarden gegenüber. Davon besitzt das reichste Prozent der Österreicher mehr als ein Drittel, eine Konzentration von Reichtum, die a) sich weiter zuspitzt und b) kaum etwas zum Steueraufkommen beiträgt. Sollte die Regierung wirklich ein bisschen Willen gehabt haben hier anzusetzen, also eine tatsächlich gerechtere Entlastung von Leistungsträgern auf die Beine zu stellen - dann ist sie mit dieser Reform wohl gescheitert.