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Jenny Blochberger

Film, Fantasy & Feminismus

12. 3. 2015 - 16:43

Terry Pratchett ist tot

Eine der unverwechselbarsten Stimmen der modernen Fantasy ist verstummt: Scheibenwelt-Autor Terry Pratchett ist tot.

“In the beginning there was nothing, which exploded.”

Kurz nachdem ich von Terry Pratchetts Tod erfahren hatte, habe ich gelacht. Laut aufgelacht sogar, ein- oder zweimal, und mehrfach gekichert, beim Durchlesen von Zitaten aus seinen Büchern. Der Mann mit dem Hut hat einfach so verdammt zitabel geschrieben - ein Bonmot jagt das nächste, seine Metaphern sind ebenso spielerisch wie treffend. Erschaffen andere Schriftsteller eine oder vielleicht drei Figuren, die ihre jeweiligen Werke überstrahlen, so hat Pratchett ein ganzes Sammelsurium an prägnanten Charakteren, aus denen sich jede/r seinen oder ihren Liebling heraussuchen kann: vom unfähigen Zauberer Rincewind über die bossy Hexe Granny Weatherwax, den gewissenhaften Polizisten Sam Vimes, die charakterstarke Hexenschülerin Tiffany Aching, Mort, den tollpatschigen Lehrling des Todes, den diktatorischen, aber erstaunlich vernünftigen Patrizier, den Bibliothekar der Unsichtbaren Universität (nebenbei ein Orang-Utan), die vernunftbegabte Truhe oder TOD selbst (mein persönlicher Liebling etwa ist Mustrum Ridcully, der etwas dumpfbackige Rektor der Unsichtbaren Universität).

Terry Pratchett

Rob Wilkins / Penguin Random House

“There is a rumour going around that I have found God. I think this is unlikely because I have enough difficulty finding my keys, and there is empirical evidence that they exist.”

Der Scheibenwelt-Zyklus war so etwas wie die literarische Entsprechung der Monthy Pythons: ironisch, wahnsinnig lustig und mit einem Cast an Charakteren, die Generationen geprägt haben. Man kann Pratchetts Romane als absurd-witzige, enorm unterhaltsame Fantasy lesen und es dabei belassen; es braucht aber keine In-deep-Analyse, um die in jedem Buch prominenten gesellschaftspolitischen Themen zu erkennen. Ob es um Macht und Demokratie geht oder um Sexismus oder Pressefreiheit oder Rassismus oder (Aber-)Glauben, Terry Pratchett hatte ein scharfes Auge für Ungerechtigkeiten und die Gabe, durch absurde Überhöhung genau diese bloßzustellen.

“It is said that your life flashes before your eyes just before you die. That is true; it's called Life.”

Wenn die Hexe Granny Weatherwax ihren Körper verlässt, um mit ihrem Geist herumzuwandern, legt sie zuerst ein Schild bereit: „I aten’t dead“ steht drauf. Es soll unangemeldete Gäste daran hindern, angesichts ihres leblosen Körpers panisch zu werden. Und wenn der liebenswerteste Tod der Literaturgeschichte einen der Sterblichen auf der Scheibenwelt holt, hat er oft noch ein paar aufmunternde Worte parat: “DON'T THINK OF IT AS DYING“, said Death. „JUST THINK OF IT AS LEAVING EARLY TO AVOID THE RUSH.”

Tod, Philosophie, Religion, das Menschsein an sich – niemand hat diese potenziell so pompösen Themen so geerdet, so humanistisch und allgemein verständlich abgehandelt wie Terry Pratchett in mehr als 70 Büchern.

“Stories of imagination tend to upset those without one.”

Oft wird Fantasy mit Eskapismus gleichgesetzt. Oft stimmt das auch, und manchmal ist das ja gar nichts Schlechtes. Den Werken von Terry Pratchett kann man dieses Etikett nicht umhängen – zu klar spiegeln sie unsere Welt und alles, was darin schiefläuft. Erst gestern habe ich etwa beim Lesen eines Artikels über einen umstrittenen Polizeieinsatz an Sam Vimes und seine Stadtwache gedacht, und wie getrieben der Polizeikommandant von Ankh-Morpork von dem Willen ist, mit der ihm verliehenen Macht richtig umzugehen. Auch ein Charakteristikum von Pratchett: er legt den Finger auf Wunden, aber letztlich glaubt er an das Gute im Menschen.

“Give a man a fire and he's warm for a day, but set fire to him and he's warm for the rest of his life.”

Im Jahr 2007 wurde bei Terry Pratchett Alzheimer diagnostiziert. Es handelte sich um eine Form, die früh einsetzt und langsam verläuft; er schrieb noch mehr und noch schneller, ohne dass die Qualität seiner Werke darunter litt. Zuletzt diktierte er seinem Assistenten, weil seine Hände ihm nicht mehr gehorchten. Stur wie er war, weigerte er sich, sich einfach in sein Schicksal zu ergeben. Er spendete große Summen an die Alzheimerforschung und setzte sich für Sterbehilfe ein, so präsentierte er etwa auch die TV-Dokumentation „Choosing to Die“. Laut BBC hat Pratchett selbst allerdings am Ende seines Lebens keine Sterbehilfe in Anspruch genommen.

Der Tod hat nun auch ihn abgeholt: Terry Pratchett ist heute im Kreise seiner Familie, mit seiner Katze auf seinem Bett schlafend, gestorben.