Erstellt am: 11. 3. 2015 - 18:13 Uhr
Von Linz in die Bronx
Im Herzen von Linz, ein paar Gehminuten hinter dem Dom, liegt das Studio von Flip. Man kennt ihn hierzulande in erster Linie als Produzent und Rapper von Texta. Seit Tag 1 ist er für die Musik der Linzer Rap-Crew verantwortlich. Das soeben erschienene TNT-Album #HMLR von Texta und Blumentopf basiert ebenfalls größtenteils auf seinen Beats.
Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Hip Hop in Österreich ohne Flip anders klingen bzw. ein wichtiger Impulsgeber fehlen würde.

Alex Hertel
Seit mehr als zwanzig Jahren versorgt er heimische Rap-Talente mit Beats, fördert die Szene durch Konzerte, die er in der Linzer Kapu veranstaltet, unterrichtet einen Audio-Lehrgang an der Kunstuni Linz, spielt mit Texta im Musiktheater, legt in Clubs als DJ auf, betreibt das Label Tonträger Records und fährt nebenbei noch ziemlich gut BMX. Was bei anderen für fünf Karrieren reicht, bringt Flip unter einen Hut. Mit einer charmanten Bescheidenheit und einem Hang zum Understatement. Wenn jemand den Titel "hardest working man in Austrian Hip Hop" verdienen würde, dann mit Sicherheit Flip.
Von der Kapu ins Studio
Seit den frühen 2000er Jahren ist Flip für ziemlich jedes Rap-Konzert verantwortlich, das in der Kapu stattfindet. Und das sind nicht wenige. Amerikanische Old-School-Rap-Pioniere, zeitgemäße Underground-Helden der Szene und österreichische Acts teilen sich regelmäßig die Bühne dieser kleinen, aber sehr feinen Location.

Flip
Manchmal, wenn der Vibe stimmt, lädt Flip seine Gäste am Tag nach dem Konzert zu sich nach Hause auf ein Frühstück ein. Dort ist auch das Studio, in dem er seine Beats bastelt.
So sind im Laufe der Jahre viele Songs mit ehemaligen Jugendhelden von Flip entstanden. Eine feine Auswahl davon ist jetzt auf seinem Produzenten-Album "Reflections" über das amerikanische Indie-Label Ill Adrenaline Records erschienen.
Die erste Single war "Dreaming", ein Song, den Flip gemeinsam mit AG aus der New Yorker Bronx aufgenommen hat. Als Teil des Duos "Showbiz & AG" und der legendären D.I.T.C.-Crew war AG früher einer von Flips Lieblingsrappern. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet und AG nennt Flip als einen seiner drei aktuellen Lieblingsproduzenten weltweit. Ehre, wem Ehre gebührt.
Do your homework
Flip hat als Produzent seine Hausaufgaben gemacht. Das hat er mit dem grandiosen Projekt Tuesday Classics vor ein paar Jahren bewiesen. Dafür hat er einige der essentiellen Hip Hop Instrumentals aus den 90er Jahren akribisch nachproduziert. Jedes Sample, von der Hi Hat zur Bassline bis hin zum Word Scratch, wurde von ihm dabei exakt nachgespielt und die Texte gemeinsam mit dem Linzer Rapper Average in die deutsche Sprache phonetisch korrekt übersetzt. Applaus hat er dafür auch von einigen jener Künstler bekommen, deren Musik "gecovert" wurde.
Dabei hat er viel über Soundästhetik und die Funktion diverser Drum-Maschinen gelernt. Das Studio von Flip ist vielleicht nicht fancy und teuer eingerichtet. Er besitzt aber die wichtigsten Geräte wie die MPC2000XL, eine SP-1200, einen ASR-10 Sampler und hat eine sehr umfangreiche Plattensammlung. Alles, was ein Hip-Hop-Produzent braucht.
Guilty Simpson, Killah Priest, AG uvm.
Auf "Reflections" sind durchaus hochkarätige MCs aus Amerika zu hören. Daher wurde das Album international veröffentlicht.
Edo.G aus Boston, AG aus New York, LMNO aus Los Angeles, Phat Kat, Guilty Simpson und Elzhi aus Detroit, Killah Priest aus dem Wu-Tang-Umfeld und viele mehr. "Reflections" ist kein Schnellschuss, sondern das Ergebnis von familiären Sessions, die zum Großteil in Linz entstanden sind. Nur wenige Strophen wurden über das Internet geschickt. Der persönliche Bezug macht diese Platte so besonders und authentisch.
Neu war für Flip, der üblicherweise die finalen Entscheidungen bei Album-Projekten selbst fällt, dass er konstruktives Feedback von Seiten des amerikanischen Labels bekommen hat, was das finale Produkt durchaus positiv verändert hat. Die wohlwollenden Reaktionen von Kritikern und DJs bestätigen das. Sogar Chuck D, Frontmann von Public Enemy, hat "Reflections" in seiner US-Radiosendung vorgestellt, und renommierte Blogs wie Okayplayer und Egotripland haben die ersten Videoauskopplungen geteilt.
Man muss noch erwähnen, dass Flip nicht nur alle Instrumentals auf "Reflections" produziert hat, er hat (bis auf eine Ausnahme) auch alle Scratches selbst gemacht.
"Reflections" ist auf Vinyl, als CD, digital und in limitierter Auflage sogar als Audio-Kassette erhältlich.
Während der Linzer hierzulande bereits zur "Old School"-Generation zählt, betritt er jetzt die internationale Bühne quasi als "new cat". Das ist einerseits amüsant, denn Flip ist alles andere als ein Newcomer, eröffnet aber für die Zukunft hoffentlich neue Möglichkeiten für seine Produzenten-Tätigkeit. Wobei: Genug Material für einen zweiten Teil von "Reflections" hat Flip schon jetzt auf seinem Rechner liegen. Da wird in Zukunft noch einiges auf uns zukommen.
Und so schließt sich der Kreis: Die zwei New Yorker Rap-Legenden AG (DITC) und El da Sensei (Artifacts) haben "Dreaming" vor wenigen Wochen in der Heimatstadt von Flip live präsentiert, in der Kapu Linz.