Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Tuesday Edition, 10-03-15."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 3. 2015 - 15:33

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 10-03-15.

Der Sport als Parallelgesellschaft, der erste Skifahrer mit Migrationshintergrund und der anstehende Untergang des Skizirkus.

#sportpolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

1

Die Urteilsbegründung im Fall Peter Westenthaler ist ein Skandal.

Nein, nicht der bereits gestern hier besprochene Teil, der die Parteienfinanzierung betrifft. Sondern der Ausschnitt der Begründung für den Freispruch im Fall der Nachwuchsförderung-Million für die österreichische Bundesliga, der Westenthaler einmal (die Älteren unter uns erinnern sich teilweise; in diese Funktion wurde der Ingenieur von einem Präsidenten namens Stronach gehievt) vorstand.
Das Geld floss zwar in keine Förderung, sondern wurde für die Tilgung einer vom Pleite-Verein FC Tirol verursachten Steuerschuld verwendet. Da aber der Fördergeber (NR-Beschluss vom 3.12.03) nicht konkret vorgegeben hatte, wie das Geld zu verteilen wäre, sieht das Gericht keinen Grund einzugreifen. Letztlich kam alles den Vereinen zugute, niemand wurde getäuscht oder geschädigt.
Das Gericht spricht weiter von einer Quasi-Identität von Liga und Klubs, weshalb der Zweck der Förderung eindrucksvoll erfüllt wurde

Dass der Förderzweck die Nachwuchs-Pflege war und die Vereine die (indirekt erhöhten) Gelder aus dem Österreicher-Topf fürs Löcherstopfen abschöpfen und nichts davon in die Jugendarbeit fließt, ist dem Gericht wurscht, a) weil die Zweckgebundenheit unpräzis war (Fehler Fördergeber, also Bund bzw. Nationalrat) und b) weil man es als interne Angelegenheit der Sportvereinen betrachtet.

Der Teil, in dem sich das Gericht um Richter Etl im Bereich der internen Strukturen der Sportverbände für quasi-unzuständig erklärt hat, geriet zur Steilvorlage für einen Vorstoß anderntags.

Genau dort hakte nämlich der Sport-Leitartikel der Kronen-Zeitung ein (wie immer print-only, nicht verlinkbar) und verlangte eine eigene Sportgerichtsbarkeit, die eben auch strafgerichtlich relevante Verstöße verhandeln dürfe. Das wäre angesichts höheren Wissensstandes von speziell für diesen Bereich geschulten Sportjuristen doch für alle von Vorteil.

Klingt einleuchtend, hätte aber fatale Folgen.
Ein Outsourcing von White-Collar-Kriminalität im Sportbereich kann (im Zusammenspiel mit einer strukturell korrupten Medienlandschaft etwa) dazu führen, dass sich die klassischen Mechanismen einer Parallelgesellschaft entwickeln - also informelle Geldflüsse, Schiebereien und bewusst an staatlichen Kontrollinstanzen vorbeigeschobene Ausnahmeregelungen.

Dann wäre etwa so ein Fall (nur weil die Zweckbindung nicht gut genug ausdefiniert war, dürfen Gelder auch fürs schiere Gegenteil verwendet werden) so klar, dass sie nicht einmal mehr vors Sportgericht kommen würden. Was das Interesse an der Verwaschenheit von "Quasi-Identitäten" ja ein geradezu branchenprägendes ist.

Nun ist der Sport aber, auch wenn seine mit viel Geld jonglierenden Proponenten es selber gerne so definiert hätten, eben keine Parallelgesellschaft, sondern (vor allem definitorisch) ein Früherfassungs-Spiegel von gesellschaftlichen Entwicklungen.

Und selbst wenn die Erhebungs-Methoden der ordentlichen Gerichte in Sportfällen (und nicht nur dort; die Recherche-Skillz und die Empathie unserer Gerichte in allen Bereichen abseits ihrer Kern-Kompetenz sind nahe am Jammertal angesiedelt) von teilweise atemberaubender Unbeholfenheit sind: Es ist für alle an Transparenz Interessierten wichtig, dass die Judikatur alle Lebensbereiche erfasst und nichts auslagert. Auch wenn es auf den ersten Blick bequem erscheint.

2

Hätte man beispielsweise den flächendeckenden und jahrzehntelangen Betrug, den das System rund um Lance Armstrong (eine Interessens-Gemeinschaft des Texaners und seiner Entourage mit diversen Radsport-Teams, diveren Ärzten und Dopingbeauftragten und diversen Verbänden, vor allem mit dem internationalen Radpsort-Verband) begangen hat, allein der Branchengerichtsbarkeit überlassen, wäre heute noch unter den Teppich gekehrt, was mittlerweile gesichert ermittelt wurde.

3

Während sich der Sport per se also - zumindest wenn es nach seinen Fädenziehern geht - hin zur Parallelgesellschaft entwickeln mag (die FIFA liefert mit seiner Katar-Posse gerade ein Musterbeispiel gespielter Naivität und aktiver Realitätsverweigerung ab), bricht einer der letzten aufrechten Dämme, die die Mehrheitsgesellschaft vom gerne in Parallelgesellschaften verorteten "Fremden" trennt, ein. Und eine der drängenden Fragen der letzten Jahre findet seine Antwort.

Die Frage lautete: Wann kommt der erste junge österreichische Skifahrer mit Migrationshintergrund.
Die Antwort lautet: jetzt. Da isser. Slaven Dujakovic ist der schöne Beleg dafür, dass es zum Lässig-ins-Tal-brettern keine entsprechenden Blut-und-Boden-Gene, sondern nur Sozialisation und Gelegenheit braucht.

Allerdings stellt sich die Frage, ob Dujakovic vom Profi-Skifahren wird leben können. Nicht weil ihn böse Mächte abhalten wollen, sondern weil der Skizirkus an sich einer unsicheren Zukunft entgegenschlittert: neben den Tücken der durch Wetterkapriolen unsicherer werdenden Outdoor-Season und den dementsprechend sinkenden Vermarktbarkeitswerten lässt auch die ökonomische Lage der Skisportindustrie den Schluss zu, dass Skifahren in absehbarer Zeit zum Amateursport degradiert werden muss; einfach weil die Finanzierung nicht mehr garantiert ist. Oder der ÖSV, der einzige Verband, der sich trägt, fährt künftig gegen sich selbst.

Die Fakten- und Aussagengespickte wdr-Reportage von Sport Inside ist in Österreich - auch wegen der Machtfülle des Verbands - in dieser schönen Drastik nicht denkbar.