Erstellt am: 9. 3. 2015 - 13:53 Uhr
Ein Tag, ein Leben
Die Falter-Kolumnistin und Journalistin Doris Knecht hat ihren dritten Roman veröffentlicht. Wie auch bisher kommt ihre Protagonistin aus dem kreativen Bobo-Milieu. Anders als bisher lässt Marian all das hinter sich, unfreiwillig.
Marian ist Designerin, Anfang vierzig und versucht sich in einem einfachen Haus, irgendwo in einem kleinen Kaff in den Voralpen als Selbstversorgerin. Vom romantischen Landleben keine Spur, denn Marian kämpft um's Überleben. Die Wirtschaftskrise und Fehlentscheidungen haben sie in den Bankrott getrieben. Sie hat alles verloren. Ihr schickes Geschäft in der Wiener Innenstadt, die große Wohnung, der Komfort und Freunde sind Vergangenheit.
rowohlt Berlin
"Wie ein verbitterter Punk hatte sie das System verflucht und am Ende beschlossen es ganz zu boykottieren, das System, das ihren Untergang erst mitverursacht hatte und ihr nun Almosen anbot. Scheiß auf eure Almosen! Scheiß auf euch alle!"
Diese Portion Trotz und der Schnaps von der Tante, von der sie das Haus geerbt hat, sichern Marian im ersten Winter das Überleben. Marian, die eigentlich Marianne heißt, wühlt mit ihren Händen in der Erde, um Essbares zu Tage zu fördern, sie fischt, sie wildert und bedient sich bei den Nachbarn.
"Auch wenn sie bald in der Früh ihren Atem sehen wird. Aber heuer wird sie den Ofen anheizen können, jeden Tag, und sie wird ein Feuer haben, bis in den Abend, in die Nacht hinein. Es wird heuer keine Nächte geben, in denen sie über das Erfrieren nachdenken wird und wie das ist, wenn man erfriert, und ob erfrieren nicht am Ende angenehmer ist als immer frieren."
Ein Grund dafür, wieso sie nicht erfrieren wird im nächsten Winter ist Franz – Franz ist ihr Gönner, der Großgrundbesitzer, der sie beim Wildern erwischt hat uns seitdem immer wieder kommt, ihr Lebensmittel und Holz bringt, ihr das Angeln und Fische Ausnehmen beibringt und sie vögelt. Die anderen Bewohner kennt Marian nicht wirklich, aber alle kennen sie. Die Fremde. Am Land ist man anders befreundet als in der Stadt, stellt Marian fest.
pertramer.at
Doris Knecht schildert Marians Leben im Rahmen eines Tages am Land. Die Idee zum Roman kam ihr, als sie Reportagen über Schicksale in Griechenland gelesen hatte, die nach der Wirtschaftskrise nichts mehr zum Leben hatten. Diese Sehnsucht nach "was wäre wenn wir am Land leben würden" kennt die gebürtige Vorarlbergerin. Viele ihrer Freunde pflegen ihren Wochenendgarten mit Hingabe – aber ob sie tatsächlich auf dem Land als Selbstversorgerin überleben würden, ohne Auto, um zum Supermarkt fahren und die Dinge kaufen zu können, die es im Garten nicht gibt – das bezweifelt Knecht. Auch für sich selbst. Obwohl sie im Waldviertel auch ein Zweitdomizil bewohnt – sie kennt die Notwendigkeit nur aus Erzählungen. Vieles aus ihren Landerfahrungen schreibt sie in "Wald" hinein. Wie ihre Protagonistin Marian sinniert auch Knecht über ihr Leben und die Entscheidungen unter Ribiselbüschen im Sommer.
Dieses Sinnieren im Buch lenkt manchmal ein wenig ab, wird manchmal zu einer Aufzählung, die bremst. Auch in "Wald" bleibt Doris Knecht ihrer eigenwilligen Sprache treu, die man mag oder nicht. Ein "was wäre wenn"-Buch für alle, die mit einem Selbstversorgerdasein auf dem Land liebäugeln.