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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

8. 3. 2015 - 12:10

Pop hat ein Machtverhältnis-Problem

Am Internationalen Frauentag präsentiert Anna Kohlweis aka Squalloscope ihre liebsten Songs im FM4 Gästezimmer und spricht über ihren Ärger, keine Credits für ihre Produktionen zu bekommen.

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Das FM4 Gästezimmer mit Squalloscope ist am Sonntag in FM4 Connected (13-17 Uhr) und anschließend 7 Tage on demand zu hören.

Musikerinnen bekommen nicht oft nicht die Credits für ihre Produktionen - wie bei ihren männlichen Kollegen selbstverständlich. Das ist traurig, unfair und sexistisch.

Vor ein paar Wochen, als Björks neue Platte "Vulnicura" erschienen ist, wurde in vielen Rezensionen Arca, der venezolanische Spezialist für zerfahrene Beats, als Produzent des neuen Björk-Albums angeführt. Tatsächlich ist er nur Co-Produzent, die meisten Arrangements und Kompositionen stammen von Björk selbst. Dass ein Mann die Lorbeeren für ihre Arbeit erntet, ist für Björk leider nichts neues, wie sie in einem Interview mit Pitchfork erzählt.

Bei ihrem Album "Vespertime" war es dasselbe in grün. 80 Prozent der Beats hat Björk selbst produziert, in der finalen Produktionsphase bekam sie Unterstützung von Matmos. Das Resultat war, dass Matmos in fast allen Rezensionen als die Produzenten des Albums genannt wurden.

Kanye West passiert sowas nicht. Er hat auf "Yeezus" mit Arca, Daft Punk, Hudson Mohawke und vielen mehr zusammengearbeitet – was aber zu keiner Schmälerung seiner Autorenschaft führte.

Daniela Derntl

Anna Kohlweis aka Squalloscope

Dieses Ungleichgewicht in der Wahrnehmung – Frauen lassen produzieren und Männer können alles selbst – passiert nicht nur Björk. Auch Grimes, M.I.A., Taylor Swift, Solange Knowles und die österreichische Musikerin Anna Kohlweis aka Squalloscope sind davon betroffen.

Anna Kohlweis erzählt in diesem Blogeintrag über ihre Erfahrungen – und im FM4-Interview:

Squalloscope: Selbst in dem kleineren Rahmen, in dem ich Musik mach, merkt man doch, dass einem ganz oft abgesprochen wird, dass man alles selbst macht. Ich hab ganz oft das Gefühl, dass ich es wirklich laut sagen muss – ich hab das gemacht, ich hab das gemacht und ich hab das gemacht. Manchmal kommt mir das schon ein bissl blöd vor, aber man muss das anscheinend machen. Wenn ich von Hörern und Hörerinnen angeschrieben werde, die nicht so ganz mit meiner Arbeit vertraut sind und da kommt ganz oft der Plural vor – "die Band Squalloscope und Sie sind die Sängerin". Meinen männlichen Kollegen passiert sowas nicht. Da wird angenommen, dass sie alles selber machen und nicht daran gezweifelt.

Was hast du gedacht – als du gesehen hast, dass wieder einmal die Urheberschaft einer Frau, in diesem Fall die von Björk – in Abrede gestellt wurde?

Squalloscope: Ich finde das total schockierend. In ganz vielen Momenten ist es ja so, dass man an sich selbst zweifelt, in erster Linie weil man eine Frau ist im Musikbusiness und man hat weniger Vorbilder als wenn man ein Mann ist im Musikbusiness. Und wenn man dann natürlich aufblickt zu diesen Göttinnen der Musik und die dann sagen, es ist noch immer schwierig und es ist unfair und gemein und keine Ahnung, warum dass immer noch so funktioniert, dann kann man schon kurz die Hoffnung verlieren. Aber es bewirkt natürlich auch, dass man noch mehr das Gefühl hat, mit ihnen im gleichen Boot zu sitzen und zu sagen, wir müssen alle zusammenhalten und was dran ändern.

Was müsste man denn dran ändern?

Squalloscope: Ich finde es total unfair und widerlich, wenn man sagt, da müssen sich die Frauen selbst drum kümmern, weil wenn jemand die Macht hat in einem Machtverhältnis und andere Leute ein bissl runterdrückt, dann müssen die, die die Macht haben, die anderen ein bissl raufholen. Es kann ja nicht sein, dass die, die keine Macht haben, sich da immer selbst rausstrampeln – es funktioniert so nich. Es müssten sich also die Männer im Musikbusiness darüber bewusst werden, wie dominant sie sind – und das kritisch hinterfragen. Und wenn sie jetzt Festivals veranstalten, wo zu 99 Prozent Männer auftreten und Männer das booken, dann denk ich mir, es muss doch jemanden auffallen. Es muss doch jemandem peinlich vorkommen.

Was sagst du zu Quoten – bei Festivals oder auch im kleineren Rahmen?

Squalloscope: Ich verstehe schon, wenn Leute sagen, das Quoten problematisch sind, weil das hat so einen Zwang dahinter. Aber wir sind als Gesellschaft noch lange nicht in der Position, dass man sagen kann, man braucht keine Quoten und stellt einfach die Leute ein, die gut sind. Man braucht einen Arschtritt und muss sich selbst diese Regeln setzen. Da heißt Zähne zusammenbeißen und mal ausprobieren, was passiert, wenn man zu 50 Prozent Frauen bucht bei einem Festival.

Genau das ist der Plan von Electric Indigo und Stefan Trischler, den Kuratoren des diesjährigen Popfests. Wird es ein leichtes sein, diese 50-Prozent-Quote aus der österreichischen Musikszene zu schöpfen?

Squalloscope: Wenn man sich anstrengt, ist es durchaus möglich. Man muss halt mal ein bisschen weiter graben, als bei den Bands, die total präsent sind. Es ist ja nicht so, dass Frauen keine Musik machen. Aber in einer männerdominierten Szene sind sie einfach nicht so präsent in den Medien. Ich glaube, es gibt sehr viele Musikerinnen, die aber nicht so sehr im Radio und im Fernsehen gehyped werden.

Eine deutsche Rapperin hat gesagt, dass man für Hip Hop Wut brauche und es Frauen oft nicht zugestanden wird, wütend zu sein. Deshalb gäbe es auch weniger Frauen im Hip Hop. Mein Eindruck ist auch, dass Mädchen nicht so sehr ermutigt werden, die Stimme zu erheben, wie das bei Jungs der Fall ist. Welche Rolle spielt Erziehung?

Squalloscope: Es liegt sehr stark an der Erziehung, dass sich die Mädchen zurückhalten sollen und keinen Platz einnehmen sollen. Man sieht das auch daran, wie Frauen immer gesagt wird, sie müssen dünner werden. Sie verschwinden ja in der Gesellschaft. Aber man muss Platz einnehmen und laut sein, um gehört und gesehen zu werden.

Die aktuelle Spex titelt: "Zurück in die Steinzeit – Hat Pop ein Frauenproblem?" Was ist deine Antwort darauf?

Squalloscope: Das klingt so dramatisch! Frauenproblem! Ich will ungern das Wort Frauen und Problem in ein Wort reinstecken. Ich glaub, Pop hat ein Männerproblem. Oder ein Machtverhältnis-Problem.

Squalloscope im FM4-Gästezimmer

Björk – Joga

“Joga” von Björk war eines der ersten Lieder, die ich von Björk gehört habe. Damals auf er Stereoanlage in der Schule – während der Bildnerische-Erziehung-Klasse – während ich gezeichnet hab. Björk hat ja vor kurzem in einem großartigen, sehr intimen Pitchfork-Interview darüber geredet, wie schwierig es ist, als Frau Credits für die eigene produzierte Musik zu bekommen und es war mir wichtig, da meinen Senf dazu zu geben und ich hab dann auf meiner Webseite ein wenig aus meinem eigenen Nähkästchen geplaudert – wie man so wahrgenommen wird als Musik produzierende Frau, die die meiste Arbeit nicht anderen Menschen überlässt. Und deswegen spielen ich Björk mit „Joga“.

Sound of Rum – Best Intentions

“Sound of Rum” ist eigentlich Kate Tempest, die manche von euch kennen und die vor kurzem eine ganz großartige Soloplatte rausgebracht hat. „Sound of Rum“ war das erste Mal, dass ich von ihr gehört hab. Das war ihr älteres Bandprojekt. Das Lied heißt „Best Intentions“ und ich hab so viel Liebe und Respekt für diese Frau, weil sie einfach ganz unglaubliche Sachen mit Worten macht.

Mika Vember – We all agree

Man kann dem Text von “We all agree” von Mika Vember eigentlich gar nichts mehr hinzufügen, aber man sollte vielleicht zuhören, ganz genau. Denn es geht um dieses großartige Land, in dem wir hier wohnen – oder nicht so ganz großartige. Aber darüber kann man sich eben einig sein oder nicht.

Salt'N'Pepa – None of your Business

Schaut’s mal in euren Playlisten, wieviele Frauen da dabei sind. Ich bin sicher, das könnten noch mehr sein. Als letzte Nummer spiele ich Salt'N'Pepa und ich hoffe beim Refrain brüllen alle ganz laut mit.

Alle Lieder

Björk Yoga
The Unused Word Silent Summer
Sound of Rum Best Intentions
Maggie Estep Fireater
Dessa 551
Mika Vember We all agree
Kymia Dawson I like Giants
Schmieds Puls Play Dead
Salt n Pepa None of your Business