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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

6. 3. 2015 - 15:19

Party mit Folgen

Ein Polizeieinsatz wegen einer Lärmbeschwerde endet 2013 mit einer Rangelei und Festnahmen. Jetzt wurden zwei ehemalige Partygäste wegen Körperverletzung und Verleumdung abgeurteilt. Ein ungewöhnlicher Ausgang? Was tun, wenn man selbst in eine ähnliche Situation gerät?

Timo Gerersdorfer

Timo Gerersdorfer

Timo Gerersdorfer ist Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen in Wien

Im Zuge einer Polizeikontrolle bei einem Wiener Partyschiff ist es im Oktober 2013 zu einer Rangelei gekommen. Ein Pärchen musste sich deshalb vor Gericht verantworten und ist jetzt schuldig gesprochen worden - das noch nicht rechtskräftige Urteil lautet auf sechs bzw. neun Moanten bedingter Haft wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwerer Körperverletzung bzw. Verleumdung. Zwei Polizisten hatten die Party wegen Anrainerbeschwerden aufgesucht, die Amtshandlung geriet aus dem Ruder. Zum Verlauf der Ereignisse in jener Nacht gibt es sehr unterschiedliche Ansichten - alle Details dazu hier. Wir haben den Strafverteidiger Timo Gerersdorfer um eine Einschätzung aus der Praxis gebeten.

Fangen wir mit dem Urteil an: Jetzt gibt es den Schuldspruch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Verleumdung. Die beiden sind zu neun bzw. sechs Monaten bedingter Haft (noch nicht rechtskräftig) verurteilt. Ist das gemessen an anderen Fällen ungewöhnlich oder "im Rahmen", dass einem sowas passieren kann?

Timo Gerersdorfer: Man muss leider sagen: Es ist im Rahmen, dass so etwas passieren kann. Wobei hier aus meiner Sicht schon alles nach hinten losgegangen ist. Man muss sehr aufpassen mit Verleumdung, wenn man Polizisten anzeigt: das muss beweisbar sein, sonst würde ich jedem Mandanten raten, das nicht zu tun.

Was den Vorwurf der schweren Körperverletzung betrifft: Sobald ein Polizist behauptet, attackiert worden zu sein, ist es schwere Körperverletzung?

Timo Gerersdorfer: Sobald ein Polizist leicht verletzt wird, ist es schwere Körperverletzung. So ist das in unserer Strafprozessordnung festgehalten. Das schützt den Polizisten natürlich sehr. Ob das notwendig und nach wie vor gerechtfertig ist, bezweifle ich: Wir haben ohnehin das Delikt "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und das reicht aus meiner Sicht aus; die körperliche Integrität sollte bei allen Menschen gleich geschützt sein.

Polizist

https://www.flickr.com/photos/devnull/

Der Beamte der behauptet dass ihm die Nase verletzt worden ist, kommt auch in einem ORF-Thema-Beitrag vor, bzw. sagt Christoph G., einer der Verurteilten, über diesen Vorfall folgendes:

Christoph G.: Da ist ein Beamter zu mir gekommen und hat gesagt, "du hast mir die Nase gebrochen". Ich habe ihn angesehen und gesagt, "ich habe dich nicht angerührt, ich habe dich in keinster Weise angegriffen". Er hat dann gesagt, "Doch, doch, du warst es" - "Nein, das war ich sicher nicht". Er hat dann gesagt, seine Brille ist aber heruntergefallen. Darauf ich, "Ja, das kann schon sein, aber nicht auf meine Einwirkung". Zeugin: "Auf seinem Gesicht hat man keine Verletzungen gesehen."

Hier steht offensichtlich Aussage gegen Aussage, nun wird offensichtlich dem Polizisten geglaubt...

Timo Gerersdorfer: Man muss eines sagen: Einem Polizisten wird grundsätzlich immer mehr geglaubt. Ob das jetzt gut oder schlecht ist... der Polizist ist da eben besonders geschützt. Umgekehrt, wenn er eine Falschaussage macht, riskiert er seinen Job, das muss man auch sagen. Wenn sich aber jemand im Zuge einer Festnahme wehrt und ein Polizist leicht verletzt wird, gilt das als schwere Körperverletzung, das ist Faktum.

Wie geht das Gericht mit dem Umstand um, dass es Amateur-Handy-Videos gibt - durchaus von mehreren Personen, worauf man auch sieht, dass vielleicht manche Dinge nicht ganz so waren, wie behauptet? Welche Rolle spielen solche Videos vor Gericht?

Timo Gerersdorfer: Das sind grundsätzlich auch Beweismittel und jedenfalls auch von der Staatsanwaltschaft einmal zu sichten und vom Gericht anzusehen.

Man hört bzw. sieht auf diesem Video auch immer wieder Menschen, die das beobachten, Passanten, die rufen, "das könnt ihr nicht machen; seid ihr Polizisten oder seid ihr Schläger"... wie verhält man sich denn als Zeuge am besten?

Timo Gerersdorfer: In diesem Fall ist aus meiner Sicht ganz klar gerechtfertigt, dass man hier eine Aufnahme macht und die dann auch der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellt. Das kann man jedenfalls machen. Eingreifen würde ich hier jedenfalls nicht. Für mich persönlich wäre es natürlich leicht, ich würde sagen, ich bin Anwalt, und dann würde man wahrscheinlich, muss man leider sagen, ganz anders mit der Situation umgehen.

Wenn man sich hier empört, riskiert man dann, dass die Beamten auch auf einen selbst losgehen, wegen Beleidigung?

Timo Gerersdorfer: Nein, das geht glaube ich soweit nicht. Ich denke, man sollte hier natürlich aus Zivilcourage sagen, "Achtung, das reicht jetzt". Was man aber auf den Videos denke ich schon sieht, ist, dass eine Festnahme erfolgt. Sobald eine Festnahme erfolgt, darf man sich keinesfalls mehr wehren.

Was noch dazukommt: Der junge Mann behauptet, am Boden gelegen zu sein - er ist von drei Beamten für längere Zeit fixiert worden, das behaupten auch Augenzeugen. Ist das ein gewöhnliches Vorgehen, etwas, womit man in Österreich rechnen muss?

Timo Gerersdorfer: Generell in so einer Situation: Wenn Partygäste zu laut sind, dann sollte die Polizei denjenigen suchen, der verantwortlich für die Party ist und mit demjenigen zusammen versuchen, die Party einvernehmlich aufzulösen. Das ist das einfachste. Ich denke, dass hier die Polizei vielleicht nicht ganz perfekt vorgegangen ist - keinesfalls sozial adäquat. Man hätte das sicher anders machen können, die Situation ist hier sicher ein bisschen sehr eskaliert, was nicht notwendig ist. Aber: Wenn die Polizeit eine Veranstaltung auflöst, haben die Leute nach Hause zu gehen, und wenn die Leute sagt, so, jetzt sind Sie festgenommen, dann darf man sich nicht wehren, das ist wichtig.

Handschellen

https://www.flickr.com/photos/v1ctor/

Kommen wir zu dem, was danach passiert ist: die beiden sind in Polizeigewahrsam gekommen und ihr Anwalt, Herr Wegrostek, hat dann das erzählt:

Rechtsanwalt Josef Wegrostek: Was ich selbst gesehen habe oder jedenfalls halbwegs mich überzeugen konnte, ist, dass die am Deutschmeisterplatz stundenlang gesessen sind, und erst nach Stunden einen Anwalt, nicht einmal das, die Mutter anrufen durften, dann nach eigener Anschauung sitzt das Mädchen nur im trägerlosen Leiberl, Pullover wurde ihr vorher weggenommen, hat schon die ganzen Verletzungen am ganzen Körper... mir wurde von ihnen mitgeteilt, dass sie aufs Klo gehen, dass sie Wasser wollten, das wurde ihnen... bis zu zwei Stunden verweigert... das würde alles diesen Tatbestand erfüllen.

Wäre so ein Verhalten der Polizei rechtens bzw. was kann man tun, wenn man in die Situation kommt, dass man verhaftet wird und meint, nichts gegen das Gesetz getan zu haben. Wie verhält man sich dann?

Timo Gerersdorfer: Das Allerwichtigste ist, dass man natürlich sofort Anspruch auf einen Rechtsanwalt hat - ihn und einen Verwandten - anzurufen, also zwei Anrufe. Wenn man keinen Anwalt und damit keine Nummer parat hat, dann kann man natürlich auf einen Journalanwalt zurückgreifen. Unsere Rechtsanwaltskammer stellt Kollegen zur Verfügung, die sofort erreichbar und binnen kurzer Zeit vor Ort sind. Bis dorthin hat eine Einvernahme grundsätzlich zu unterbleiben. Hierzu sind Merkblätter auszuhändigen und die Möglichkeit zu telefonieren, ist sofort zu geben.

Jetzt spricht der Rechtsanwalt Wegrostek hier auch von schwerem Amtsmissbrauch seitens der Beamten, aber auch von "exzessiver Folter" und "unnötigem Quälen von Gefangenen". Ist das etwas, was in Österreich öfter vorkommt?

Timo Gerersdorfer: Es gibt natürlich leider tragische Beispiele dafür, dass es vorgekommen ist. Grundsätzlich würde ich aber nicht sagen, dass das öfters vorkommt - aber es ist natürlich schon vorgekommen.

Was bedeutet die Situation praktisch für die beiden - sie können in Berufung gehen und müssen faktisch nicht ins Gefängnis - aber haben sie in zweiter Instanz Chancen - aus ihrer Sicht, der den Fall jetzt nicht betreut, aber durchaus verfolgt hat?

Timo Gerersdorfer: Wichtig ist eines: es sind bedingte Strafen ausgesprochen worden, das heißt, dass die beiden keinesfalls ins Gefängnis gehen müssen. In zweiter Instanz kommt es darauf an, ob die Staatsanwaltschaft auch in Berufung gehen wird - angemeldet haben das denke ich beide Seiten. Ein Rechtsmittel, das heißt Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, ist möglich: Nichtigkeitsbeschwerde würde an den Obersten Gerichtshof gehen, Berufung würde sich nur um die Strafhöhe drehen. Wenn nur die Verteidigung die Berufung eingebracht hat, dann kann die Strafe nur geringer werden oder gleich bleiben.

Wenn ich zu so einer Situation hinzukomme: Sie haben gemeint es ist sicher nicht verkehrt, das Handy zu zücken, ein Video zu machen. Was soll man denn abseits davon tun? Soll man sich auch proaktiv als Zeuge melden?

Timo Gerersdorfer: Grundsätzlich hätte man sogar die Verpflichtung, sich zu melden, wenn man eine Straftat gesehen hat. Natürlich wäre es auch gut, wenn man das Erlebte/Gesehene festhält, zum Beispiel einen Aktenvermerk zu machen, weil man Details doch relativ schnell vergisst, wenn man nicht selbst betroffen ist.

Sehr viele Menschen neigen bei Prozessen "gegen die Staatsgewalt" zu sagen, "vergiss es, da sitzt man ohnehin am kürzeren Ast". Haben die nicht auch ein bisschen Recht?

Timo Gerersdorfer: Naja. Es ist natürlich wirklich schwierig. Es wird von Richtern oft so gesehen, dass man sagt, "warum soll ein Polizist hier etwas falsches aussagen, er kennt die Leute nicht persönlich und riskiert seinen Job". Darum würde ich, wenn etwas passiert wäre, persönlich nur eine Anzeige machen, wenn es beweisbar ist. Zum Beispiel ganz konkret bezüglich der Dinge in der Zelle, die hier vorgeworfen wurden: sehr schwierig. Es ist natürlich anscheinend von den Vorwürfen her das brutalere gewesen - es aber anzuzeigen? Man sieht hier ganz klar, dass das nach hinten losgegangen ist, es sind auch Verurteilungen wegen Verleumdung erfolgt. Diese Verurteilungen wären natürlich zu vermeiden gewesen - aber es ist natürlich schwierig, Mandanten hier richtig zu beraten.

Selbstverständlich sind Polizisten Menschen, die Fehler machen wie alle anderen auch, und Menschen, die eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft haben und zu 99,9 Prozent gute Arbeit leisten. Wenn so etwas passiert - welche Chancen hat denn dann ein Beamter zu sagen, "hey, stopp, Kollegen". Haben Sie in ihrem Beruf schon erlebt, dass es in der Polizei auch unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie man mit so einer Situation umgeht?

Nicht nur das Spiel good cop bad cop, das wir aus Tatort etc. kennen, gibt es: Es ist schon so, dass es gottseidank Polizeibeamte gibt, die dann eher deeskalierend wirken und das ist auch ganz wichtig. Im Normalfall sind die auch mit der Führung so einer Gruppe betraut - das ist das Positive. Hier erkennt man schon klar auf den Videos, dass zu wenig deeskaliert wurde von Seiten der Polizei.