Erstellt am: 6. 3. 2015 - 12:07 Uhr
Diagonale 2015
Diagonale
Festival des österreichischen Films. Graz, 17.-22. März 2014
Tägliche Berichterstattung aus Graz im Diagonale Tagebuch auf fm4.orf.at und auf orf.at/diagonale
Sondersendung zum Filmfestival: Donnerstag, 19. März, ab 19 Uhr in einer FM4 Homebase Spezial.
Dass jetzt schon wieder eine Brenner-Verfilmung in den Kinos liefe, kann man schwer behaupten. Seit dem "Knochenmann" vergingen immerhin sechs Jahre. Doch: Ob du es glaubst oder nicht, da stehen noch mehr Uraufführungen österreichischer Filme an. Und noch mehr Thriller. Konkret in der Festivalwoche der Diagonale in Graz. Vom Beziehungsthriller bis zur drohenden Apokalypse ist alles vertreten, auch die Liebe kommt dieses Jahr nicht zu kurz.
Die Diagonale ist die Plattform für das heimische Filmschaffen. Sie ist ein Branchen- und Publikumsfestival, bei dem diesmal zur Eröffnung der Große Diagonale Schauspielerpreis an Tobias Moretti gehen wird, der wichtigste Drehbuchpreis an einem Freitagvormittag verliehen wird und Filme mit Preisen zu gesamt 150.000 Euro ausgezeichnet werden. Als BesucherIn zählt Koordination von FreundInnen und Programm. Im Vorjahr waren nicht wenige Vorführungen bereits in den ersten Vorverkaufstagen ausverkauft.
Liebe oder Vorbereitung auf Endzeit-Zustände
Die Vielzahl an individuellen filmischen Positionen betont Festivalintendantin Barbara Pichler. Siehe allen voran "Superwelt": Karl Markovics hat seinen zweiten Spielfilm als Drehbuchautor und Regisseur mit Ulrike Beimpold in der Hauptrolle bereits auf der Berlinale gezeigt, nun eröffnet er die Diagonale. Wozu die Schauspielerin Ulrike Beimpold in der Lage ist, wäre Pichler nicht bewusst gewesen. Beimpold spielt eine Supermarktangestellte, die plötzlich eine Beziehung zu Gott hat - und zwar eine, die ihr Leben aus der Routine hebt.
Die Diagonale 2015 in Zahlen:
157 Filme und Videos, davon 50 Ur-Aufführungen, 25 sind Österreich-Premieren.
Eingereicht wurden insgesamt 500 Werke.
Wo fängt die Wahnvorstellung an und wo hört die Realität auf?
"Homesick" von Jakob M. Erwa ist ein Psychothriller im Berliner Altbau, "Ma Folie" dreht die Wahrnehmung nochmal durch den Gefühls-Fleischwolf. "Hanna liebt Yann und die lettres filmées, die er ihr schickt. Yann liebt Hanna, aber er vertraut ihr nicht", das ist die Ausgangssituation in Andrina Mračnikars Langspielfilmdebüt. Das könnte böse werden. In "Parabellum" von Lukas Valenta Rinner rüstet sich ein bürgerlicher Zirkel gegen Zustände, die Verwüstung und Endzeitstimmung befürchten lassen.
Filmladen Filmverleih
Neben all diesen Premieren hat man auf der Diagonale noch die Möglichkeit, im Jahresrückblick Versäumtes nachzuholen.
Neue Filme von Peter Kern, Ludwig Wüst und Christian Frosch finden sich ebenso im Programm. Den Regisseur zum Verschwinden zu bringen, das ist seit Jahren ein Projekt von Ludwig Wüst. Sein neuer Spielfilm kommt ohne Titel aus und zielt mit seiner Kurzbeschreibung "Frau trifft Vergewaltiger nach zwanzig Jahren" auf die Magengrube. Peter Kerns Satire auf die Konsumgesesellschaft, "Der letzte Sommer der Reichen", fand auf der Berlinale bei deutschen Kritikern Gefallen ("Das Personal des Films hat seine Existenz nahe am Exzess gebaut", so die Zeit). Mit "Von jetzt an kein Zurück" versetzt Christian Frosch die ZuschauerInnen in die BRD des Jahres 1967 und aufbegehrt wird gegen Eltern und andere Autoritäten und für Selbstbestimmtheit und nicht zuletzt Liebe.
Jost Hering Filme / Prisma Film
Neue Dokus
"Visuell berauschend" ist ein Prädikat, das Barbara Pichler mit Bedacht einsetzt. "Dreams Rewired - Mobilisierung der Träume" vom Regie-Trio Manu Luksch, Martin Reinhart und Thomas Tode sind somit auch vorgemerkt. Die Filmmusik macht schon Lust auf diese Bilderzählung über Utopien dank technologischem Fortschritt, kompiliert aus 200 sehr alten Filmen (zwischen 1880 und 1930 entstanden!) aus diversen Archiven.
Amour Fou
Der Tradition des Direct Cinema verpflichtet, blickt Constantin Wulff mit Kameramann Johannes Hammel mit "Wie die anderen" in den Alltag der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landesklinikums Tulln. Diese leitet der Psychiater und Autor Paulus Hochgatterer, dessen Poetik der Kindheit "Katzen, Körper, Krieg der Knöpfe" viele Verweise auf Filme enthält und hier eine Seitenempfehlung sein soll.
Philipp Horak
Die "Personale" widmet das Festival des österreichischen Films dieses Jahr dem Dokumentarfilmer Nikolaus Geyrhalter. Bis dato erweist sich sein Gesamtwerk als eine filmische Reise. Dabei geht es Geyrhalter nie um ein Zurschaustellen von Exotik, sondern um ein Verstehen. Ob entlang der Rallyestrecke Paris-Dakar, an den entlegendsten Flecken dieser Erde ("Elsewhere") oder in Bosnien im "Jahr nach Dayton". Alle Kinofilme Geyrhalters laufen auf der Diagonale, und dazu die Premiere von "Über die Jahre": Was der Verlust von Erwerbsarbeit mit Menschen macht, dokumentiert der Wiener Regisseur und Kameramann Geyrhalter anhand einer aufgelösten Textilfabrik.
Ja nicht außer Acht lassen bei der Planung der persönlichen Diagonale-Woche darf man die Programme Kurzspielfilm, Innovatives Kino und Kurzdokumentarfilm. Die Kurzen sind längst mehr als Übungsfeld auf dem Weg zum ersten Langfilm. Da porträtiert auch schon mal Constantin Wulff Ulrich Seidl und Virgil Widrich macht einen 7-Minüter 3D-Remix von Spielfilmen aus den 1950er und 60er Jahren. Junge RegisseurInnen sind selbstverständlich auch vertreten und zu entdecken. Die Atmosphäre in den Kinosälen bei den Kurz-Programmen ist zudem sehr oft von der fröhlichen Aufgeregtheit geprägt, die sich einstellt, wenn fünf Crews zur selben Zeit Premiere feiern.
Im Gedenken
Was passiert mit Filmmaterial, wenn der Regisseur verstorben ist? Das vergangene Jahr war ein zutiefst trauriges für den österreichischen Film, denn Michael Glawogger und Florian Flicker starben. Die Diagonale erinnert an sie, so wird u.a. Material von Glawoggers zuletzt begonnenen "Untitled. Der Film ohne Namen" zu sehen sein. Editorin Monika Willi wird darüber sprechen, wie sie die Arbeit mit dem Material angeht.
Einblicke in ihre Arbeitswelten werden auch Karl Markovics, Nikolaus Geyrhalter sowie Michael Palm, der sich für seinen neuen Film mit der Zukunft des Kinos angesichts flächendeckender Digitalisierung beschäftigt, und die Französin Mia Hansen-Løve in Werkstattgesprächen geben.
French Touch
Internationaler Gast mit eigenem Schwerpunkt im Diagonale-Programm ist dieses Jahr Mia Hansen-Løve. 1981 geboren, kann die Autodidaktin, die zuvor als Schauspielerin und Filmkritikerin tätig war, vier Spielfilme zu ihrem Regie-Werk zählen. Ihr jüngster Film "Eden" führt mitten in die Neunziger Jahre in Pariser Clubs und hat wie all ihre bisherigen Filme autobiographische Bezüge: Die Hauptfigur ist inspiriert von ihrem Co-Autor, Mia Hansen-Løves Bruder, der als DJ French House mit Leidenschaft lebte. Daft Punk wurden groß, doch die großen Geschichten von Veränderung spielten sich auch bei anderen ab. Zwei Jahrzehnte Leben und Musikgeschichte packt Mia Hansen-Løve in einen Film. FM4 präsentiert die Österreich-Premiere.
Filmladen
FM4 empfiehlt die Diagonale Nightline
Festivalzentrum ist das Kunsthaus Graz, dort findet man sich zur Nightline ein, jeweils ab 22.00 Uhr:
18. März:
A Filmmaker's Festival Soundtrack hosted by VDFS mit Herrn Hermes und The Florian Horwath Ensemble.
19. März:
Glam-Disco "Draußen in der Stadt"
mit Adriana Celentana/Chris Peters
Intro: Jung an Tagen (VIV) live
20. März:
FM4 Club Eden
mit Sebastian Schlachter (FM4 La Boum De Luxe)
und Tornquist (Schwarzes Herz)
Zum Abschlussfest am 21. März, ab 23 Uhr, im Orpheum Graz finden sich die Sofa Surfers - DJ Team - an den Turntables ein. Damit sind wir wieder am Beginn, bei "Das ewige Leben", angelangt. Dessen Score gestalteten die Sofa Surfers.