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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

1. 3. 2015 - 15:46

Tanz in Zartbitter

Der Song zum Sonntag: Emile Haynie ft. Rufus Wainwright - "Little Ballerina"

Ein Füllhorn kotzt sich aus. Der New Yorker Songwriter, Multiinstrumentalist und Über-Producer Emile Haynie hat schon mit so ziemlich jedem gearbeitet, von Kanye West und Eminem über Lana Del Rey und fun. hin zu Bruno Mars und den Rolling Stones. Begonnen hat er vornehmlich als Beatschmied für HipHop-Produktionen, hat dann nach und nach seinen Style Richtung gerade noch ein bisschen irgendwie "Indie" und "Alternativ" duftendem Pop bewegt und ist schließlich bei einem Sound angekommenen, der bloß noch alles und alle umarmen möchte.

Möglichst in allen Farben und mit allen Fanfaren, wo Pop bloß noch Pop ist, mit Beats oder retro schmachtendem Kammerfolk, mit dreihundert Violinen, Elektronik, R'n'B oder mit in allem Pomp vorgelebtem Rock'n'Roll, egal, soll jeder abgeholt werden. Sauberst gedrechselte Musikarbeit für die ganze Familie, die nur mehr ganz wenig Glam und Gefahr und Anrüchigkeit transportieren darf oder muss.

Emile Haynie

Emile Haynie

Emile Haynie

Gerade hat Emile Haynie unter dem Titel "We Fall" sein erstes Album unter eigenem Namen veröffentlicht, im Vorfeld der Aufnahmen wird er sicherheitshalber am Eingang seines Studios eine Drehtür installiert haben. Die Liste und die Varianz der Gäste auf "We Fall" sprengt ein normales Leben.

Zu hören sind hier unter anderem Rauschebart Father John Misty und Klangkunstgroßkünstlerin Julia Holter, na gut, in einem gemeinsamen Song. Lykke Li und Romy Madley Croft von The xx, ebenfalls gemeinsam. Lana Del Rey hat vorbeigeschaut, der englische Poststep-Elektroniker und Sänger Sampha, Andrew Wyatt von Miike Snow, Charlotte Gainsbourg.

Das geht nicht immer gut. Man hört dieser Platte den unbedingten Willen nach allem an. Der Bratensaft quillt aus jeder Pore. Epochal gemeinte Chöre, siebenhundert Staatsorchester spielen einander in den süßesten Himmel, ein multisinfonischer Klangdampfer, der wohl kaum weniger sein will, als eine Neuauflage des vielstimmig singenden und bimmelnden Meisterwerks "Pet Sounds" der Beach Boys. Brian Wilson selbst ist dann auf "We Fall" natürlich auch gleich noch mit von der Partie, ebenso wie Klavieraltmeister Randy Newman.

Am besten glücken jedoch die Stücke, die den Schwulst etwas dimmen, wie die Nummer "Little Ballerina" mit Rufus Wainwright. Auch hier vibrieren und schwelgen die Streicher, die Stimmen und Stimmchen, die Glöckchenklänge gar herrlich und weihevoll, hier steht jedoch alles sinnvoll und zärtlich im Dienste eines wunderbaren, im Kern schlichten Songs. Und ist nicht bloß Zierrat im Auftrag des Barock und Muskelspiel des Studiomischpults.

Zudem bricht das Stück mit den Vorstellungen von Glamour und Fame – dass hinter all den prächtig springenden und sich windenden schlanken Körpern auch gerne geschundene Seelen liegen, wissen wir nicht erst seit "Black Swan". Thematisch und stilistisch knüpft der Song an Elton Johns "Tiny Dancer" an, Rufus Wainwright singt davon, wie gern er doch der Ballerina beim einwandfreien Tanzen zusehen möchte.

In der jungen Frau lodern derweil Selbstzweifel und Zerknirschung. Will der Betrachter wissen, was unter der Oberfläche eines makellosen Kunstwerks schlummert? "You've been trying so hard / For all of your life / Never got it quite right / This I know / Ohh you say you need it slow / Or You just lose control". Vielleicht einmal den Drill der Hochleistung hinter sich lassen? Sich fallen lassen? Auch der blähsüchtige Prunkimpressario Emile Haynie dürfte die Angst kennen.