Erstellt am: 27. 2. 2015 - 20:10 Uhr
FPÖ vs. Filmpiraten
Das Handelsgericht Wien bietet im 23. Stock einen atemberaubenden Blick über Wien. Perfekte Location für Filmaufnahmen. Um solche geht es auch Donnerstagfrüh (26. Februar 2015) um 9:30 im Saal 2305. Die FPÖ hat die Erfurter Filmpiraten geklagt, weil diese FPÖ TV verbieten wollen, ihre Filmaufnahmen unentgeltlich zu nutzen. Der Streitwert der Feststellungsklage: 35.000 Euro.
Angriff - Konter
Der Rechtsstreit ist ausgebrochen nach einer Abmahnung der Filmpiraten an die FPÖ. Ihr Vorwurf: FPÖ TV habe bei der ungefragten Nutzung die Creative Commons-Lizenz, unter der die Videos der Filmpiraten veröffentlicht werden, nicht ausreichend ausgewiesen. Dazu sei das Filmmaterial unter das Copyright von FPÖ TV gestellt worden. Somit seien die Rechte der Filmpiraten verletzt worden, folgert die Abmahnung. Der Subtext dahinter: Die Art und Weise, wie die Videos und die Interviews von FPÖ TV ins "rechte Licht" gerückt werden, entspricht nicht den Vorstellungen und Grundsätzen der Filmpiraten.
Politik
Denn es gibt auch eine politische Dimension in dem Rechtsstreit. Einmal mehr geht es um die Nachwehen des FPÖ-Akademikerballs von 2014 und im Speziellen den Fall Josef S. Das Erfurter Filmkollektiv hat Videos zu dem Thema produziert, "allerdings mit einem dokumentarischen Zugang", sagt Videojournalist Jan Smendek von den Filmpiraten. Man habe Interviews mit den AnwältInnen, VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen, AktivistInnen und der Familie von Josef S. gemacht und diese „unkommentiert filmisch dargestellt“, betont Smendek.
In FPÖ TV sehe das nun anders aus, sagt er. Eine Sprecherstimme, Bauchbinden und das FPÖ-TV-Logo über dem Filmpiraten-Logo wurden von den freiheitlichen VideomacherInnen eingefügt. Statt von AktivistInnen und DemonstrantInnen wird bei den Freiheitlichen von "Horden linksextremer Chaoten" gesprochen. Ein Freund von Josef S. wurde im Video als "geschlechtlich nicht eindeutig zuordenbarer Wegbegleiter" beschrieben, was für Jan Smendek einer Verhöhnung gleichkomme, und man sich da ansehen müsse, ob hier nicht eine homophobe Äußerung getätigt wurde, sagt er.
Screenshot: filmpiraten.org / Radio Fm4
Äußerungsfreiheit
Für die FPÖ stellen diese Veränderungen allerdings keine Verletzung der Lizenz dar. Der Standpunkt: Bei Creative-Commens-Videos im Netz und speziell unter dieser Lizenz stünde die Nutzung jedem frei, wenn nur der Urheber sichtbar ausgewiesen werde. In der Klage gegen die Filmpiraten beruft sich die FPÖ nun auf ihre "Äußerungsfreiheit", geschützt in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Durch die Abmahnung und Aufforderung zur Unterlassung sieht sich die FPÖ nämlich in ihrer "Freiheit der Meinungsäußerung" bedroht.
Wer das Geld hat
Dass von der FPÖ nach der Abmahnung sofort geklagt wurde, ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme bzw. eines klärenden Gesprächs ist dabei bemerkenswert. Bei Urheberrechts-/Lizenz-Streitigkeiten sei man in der Regel eher darauf bedacht, die Kosten gering zu halten, und man versucht sich außergerichtlich zu einigen, sagt die Anwältin der Filmpiraten, Maria Windhager. Solche Prozesse seien sehr teuer. Die erste Instanz bedeutet alleine für die Filmpiraten 10.000 Euro Anwaltskosten.
Deswegen habe es zuerst auch die außergerichtliche Abmahnung gegeben, sagt Windhager. Einen Prozess bis in die letzte Instanz könne man sich wahrscheinlich auch nicht leisten, sagt Jan Smendek. "Wir werden finanziell ausgeknockt", befürchtet er. Und: die FPÖ wisse ganz genau, dass sie nur ein kleiner Verein seien, und sie deswegen am längeren Hebel sitzen. Ein Beweisverfahren mit Gutachtern könnte ebenfalls die Prozesskosten weiter in die Höhe treiben.
Ein Fall David gegen David?
Schon jetzt mussten beide Parteien jedenfalls tief in die Tasche greifen und mehrere Tausend Euro für die Anwaltskosten bezahlen. Für die FPÖ eine zu verkraftende Summe, für die Filmpiraten, die pro Monat 130 Euro aus Mitgliedsbeiträgen zur Verfügung haben, ist der Prozess allerdings existenzbedrohend. Der Anwalt der FPÖ, Michael Rami, sieht in dem Prozess aber trotzdem seine Mandantschaft als Opfer und verteidigt das Vorgehen mit der "Aggressivität", mit der sich die Abmahnung für die FPÖ dargestellt habe. Man sei bereit, den Prozess ruhen zu lassen, wenn die Gegenseite damit einverstanden sei, sagt Rami. Die bisherigen Anwaltskosten müsste dann jeder für sich übernehmen. Das ist allerdings keine Option für die Filmpiraten, die davon überzeugt sind, im Recht zu sein.
Am Donnerstag wurde jedenfalls nach 15 Minuten der Akt mit der Aktenzahl 39 Cg 65/14y vom Richter wieder geschlossen. Er wirkte ein wenig ratlos und wollte vermitteln. "Was können wir jetzt tun, was sollen wir machen? Wollen wir das nicht lieber ruhen lassen?", fragte er. "Nein". Auf unbestimmte Zeit vertagt.