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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 2. 2015 - 15:12

The daily Blumenau. Friday Edition, 27-02-15.

It's not easy being RB Salzburg. Von der Crux zivilisatorischer Pionierarbeit.

#fußballjournal15

Das gestrige, durchaus erwartbare Ausscheiden des letzten heimischen Club-Vertreters im internationalen Bewerb darf nicht nur Anlass zur Bilanz geben, sondern auch Anstoß sein, einmal über die sportlich extrem undankbare Rolle, in die Red Bull Salzburg aufgrund der hiesigen Gegebenheiten gedrängt wird, nachzudenken.

Es ist nämlich nicht so sehr das aktuelle Salzburger Team, das ein Problem hat und deshalb scheitern musste: die Schuld trägt letztlich der schnöde Liga-Rest mitsamt seiner visions/ideenlosen Nasenbohrer-Politik des Abwartens und des grundsätzlichen Verweigerns von kontinuierlicher Nachwuchs- und Aufbauarbeit.

Fakt ist, dass nach dem Ausscheiden in der K.O.-Phase der (ohnehin unverdient wirkende) 5. Europacup-Startplatz für die Saison 2015/6 danach auch schon wieder weg ist.

Fakt ist weiters, dass die Vereine die neben RBS fürs Sammeln von Punkten für den ausschlaggebenden UEFA-Koeffizienten verantwortlich waren, nichts reißen konnten. Von St.Pölten, dem letzten Cupfinalisten der international spielen darf (ab nächster Saison ist nur noch der Cupsieger startberechtigt) und Grödig war nicht viel zu erwarten (insofern sind die 2,0 und 1,0 Punkte eh fein), aber Rapid hat mit 0,5 grässlich versagt. Und die selbsternannten Großklubs Austria und Sturm sind durch ihr Nicht-erreichen der EC-Startplätze mithauptschuldig.

Fakt ist, dass Österreich trotz grandioser 13 Punkte aus Salzburg nur 19. in heurigen Nationenranking ist und bei einer nur durchschnittlichen Salzburger Leistung wie sie Rapid/Austria zuletzt erbracht hatten, sich gar nur rund um Platz 27 (auf einer Höhe mit Kazachstan) bewegen würde.

Fakt ist, dass Salzburg bei der heutigen Achtelfinal-Ziehung der UEFA in Nyon als einziger Ausgeschiedener mit der Belobigung "... were pretty excellent in this EuroLeague-season too..." verabschiedet wurden, also die österreichische Reputation im Fußball-Ausland massiv gestärkt hat.

Trotzdem setzt der Medien-Boulevard jetzt sein Zitronengesicht auf und nörgelt herum oder gefällt sich in einer Auflistung der Gründe des Outs, deren analytische Schlagkraft die Punkte "Gegner voll gut, echt blöder Spielverlauf und auch ur kein Glück" enthält. Andere Bewertungen gehen auf taktische und systemische Fehleinschätzungen/leistungen ein und riskieren auch einen Blick in die mögliche Zukunft.

Das Grundübel - die allzu große Differenz zwischen dem hochprofessionellen Salzburger Ansatz und der immer noch erschreckend provinziellen Planungslosigkeit der Konkurrenz - kommt dabei aber nicht vor.

Ich möchte nicht mit den RB-Verantwortlichen tauschen. Nicht nur, weil die Getränke grausig schmecken. Und nicht nur, weil die Arbeit in einem autokratisch geführten Unternehmen ein Alptraum ist. Auch wenn wir die (eh berechtigte, zuletzt wieder hier thematisierte) Kritik an Umfeld wegblenden und uns aufs rein sportliche konzentrieren: Du wirst immer attackiert werden, weil du's niemandem rechtmachen kannst. Den einen wirst du zu weit vorne sein, die anderen werden dich schelten, wenn du zurückschaltest. Die einen werden internationale Stars und Glamour, die anderen Talentförderung einfordern - und zwar immer abwechselnd, Mühle auf, Mühle zu.

Aktuell gebetsmühlenartig in jeder Kritik drin: der personelle Aderlass sowie das zu jugendliche Alter der Nachrücker. Mit Kampl, Mane und Alan, heißt es, wäre Villarreal zu biegen gewesen (stimmt eher nicht; siehe Basel im Vorjahr); mit Kiddies wie Conny Laimer, Ćaleta-Car oder Felipe Pires wäre kein Staat zu machen (auch falsch; an diesen Jungs lag es nicht, dass gestern Schluss war).

Allein der (mediale und reale) Umgang mit dieser Generations-Ablöse zeigt das Fehlen jeglichen verantwortungsvollen Denkens symptomatisch auf. Denn selbstverständlich hätte Ralf Rangnick die Star-Abgänge in Salzburg durch entsprechende Verschiebungen levelgerecht kompensieren und den Status Quo aufrecht erhalten können.

Jedoch: wozu sollte er?

Nachdem Salzburg jetzt definitiv zur zweitgereihten Ausbildungsstätte runtergerankt wurde (egal ob RB Leipzig heuer noch etwas in Richtung Aufstieg gelingen wird oder nicht) ist die permanente Verpuppung in Richtung Nachwuchs-Einbindung Pflicht-Programm. Nur so kommen junge Akteure im entscheidenden Alter (17 - 22) zu Einsatzzeiten und wertvollster internationaler Spielpraxis. Nur so ist der Sprung vom Talent zum Klassespieler möglich. Ein Sprung, an dem seit Jahrzehnten eine viel zu hohe Anzahl heimischer Talente aber sowas von zerschellt.

Für diese (international nicht weiter erwähnenswerte, weil selbstverständliche) Praxis existiert in Österreich genau null Bewusstsein. Die Bundesliga gibt im Verbund mit ausrangierten Fußball-Lehrern die Maxime der langwierigen Ausbildung in der Liga aus, einer Liga, die sich allerdings (wie der Teufel vor dem Weihwasser) davor hütet, Junge ins kalte Wasser zu werfen. Als ob ein Liga-Einsatz etwas so Besonderes wäre. Konrad Laimer stand sogar gestern Abend auf der Leitgeb-Position ohne vor Aufregung zu verglühen. In der Liga gilt schon der Einsatz des neuen 23jährigen als vogelwildes Risiko. Und eine Reihe drunter, im der heute losstartenden zweiten Leistungsstufe ist es nicht allzu besser - die Gründe erläutert hier Martin Scherb.

Bei Rapid etwa spinnt man sich seit vielen Monaten im verlogenen Diktum einer Ausreden-Unkultur vom Neuaufbau ein, ohne den auch zu leben; die Austria holt lieber den zehnten neuen gleichartigen Mittelfeldspieler, ehe sie ihren Supertalenten Horvath, Michorl oder Sebastian Wimmer eine Chance (wie etwa Angreifer Kvasina) gibt; Sturm vergrößert die Anzahl seiner untermittelklassigen zuvor vereinslosen Legionäre anstatt verstärkt auf seine Grubers/Rosenbergers/Lovrics zu setzen. Und auch den kleineren Vereinen verbietet die Angst vor dem Abstieg den Mut zum eigentlich Logischen.

Das passiert immer noch nur dann, wenn etwas passiert. Wenn einem Verein das Geld ausgeht, wenn eine Verletzungsserie nichts anderes erlaubt, wenn besondere Umstände eintreten, dann ist auch der Einbau (und um den geht es, den Einbau, nicht den Komplett-Einsatz von Jugendteams) von Jungen plötzlich möglich.

Dass diese permanente Verjüngung in echten Ausbildungs-Ligen (also nicht solchen wie in Österreich, die das immer noch nur als Lippenbekenntnis vor sich her tragen; vor allem weil sie die Tragweite eines solchen Bekenntnis noch immer nicht verstanden haben) halbjährlich wiederkehrende Praxis ist, zum Zyklus des Fußball-Lebens dazugehört wie die Jahreszeiten, keinen Grund zur Panik und Depressionen darstellt und jedem gutgeführten Verein zum Vorteil gereicht, hat sich noch nicht herumgesprochen.

Auch in dieser Hinsicht hat RB Salzburg Neuland betreten. Und verunsichert mit einem eigentlich logischen, nachvollziehbaren und unvermeidlichen move in Richtung fußballerischer Zivilisation Pionierarbeit. Was dazu führt, dass der Rest der Liga (und das Umfeld) dreinschaut wie der Ochs vorm Tor.

Es geht nicht darum, dass es mit dem jüngeren Kader "für Österreich" (also den Titel dort) immer noch reicht - das ist ein Nebenprodukt. Es geht um die Einführung eines Rhythmus, der sich im Gleichklang mit der Natur des modernen Fußballs bewegt. Und das hebt sich von selbstgefälligen Stillstand, in dem sich die restlichen Revierkaiser suhlen, die ihren Verein nicht für die Fans, nicht für das Erreichen besseren Fußballs, sondern für ihr Ego und ihre Pfründe führen, eben deutlich ab.

Fakt ist, dass in Salzburg (oder Liefering) schon an der übernächsten Ernte (der Generation Xaver Schlager, David Gugganig, Ingolitsch und Heinicker, um die zu erwähnen, die Trainer Zeidler herausgestrichen hat) gebastelt wird.

Fakt ist, dass die entscheidende Weiterbildung der größten heimischen Jungstars (aktuell sind das Sabitzer, Lazaro und Djuricin), der Durchbruch von zumindest einem aus der Liga Bruno/Minamoto/Keita/Berisha und die Korsettstangenleitung durch Hinteregger-Ilsanker/Leitgeb-Soriano eine spielerisch starke Mischung ergeben wird.

Fakt ist, dass es auch mit der abgespeckten Version im August für die nächste Champions League (und somit für die Youth League, die dann der Jahrgang 97, also der der Erwähnten, bestreiten dürfte) reichen kann.

Fakt ist allerdings auch, dass die Vorbildwirkung, die die zivilisatorische Salzburger Großtat für den Rest Österreichs haben könnte, dann, wenn es nach dem Willen der aktuell herrschenden Seilschaften geht, noch eine ganze Weile unerkannt bleiben und keinen Nachhall finden werden.