Erstellt am: 27. 2. 2015 - 18:23 Uhr
Häppchenrevolte für Groß und Klein
Allzu abgebrüht darf man sich bei diesem Buch nicht geben. Was die Herausgeber des Readers "Beautiful Trouble", die "Spitzenkräfte der Kommunikationsguerilla" Andrew Boyd und Dave Oswald Mitchell zusammengetragen haben, klingt wie das "na eh" der letzten 25 Jahre.
orange Press
Spätestens seit der Gründung der Adbusters 1989 duch den kreativen Einzelkämpfer Kalle Lasn (von dem auf Orange Press übrigens ein interessanteres Buch darüber erschienen ist) oder der mutmaßlich direkt von Umberto Eco angeregten "Kommunikationsguerilla" um das Kollektiv Luther Blissett, ist es nicht mehr nötig, Medienguerilla als neu oder hip zu verkaufen, um sie zu verkaufen. In diesem Versuch scheitert das Buch und hinterlässt einen faden, werblichen Abgang.
Gewaltfreie Protestformen, hauptsächlich jene der Linken im 20. Jahrhundert, die mit Medienrealitäten und Gewohnheitszuschreibungen spielen, statt sie zu "kritisieren", haben sich mittlerweile schon bis in die konservativsten Ecken der Gesellschaft herumgesprochen - PEgIdA skandiert den Mauerfallslogan "Wir sind das Volk" (und will damit eher erreichen, dass Grenzen wieder hochgezogen werden), die "Identitären" verkleiden sich als diskursbereite, weltoffene Feschhaarschnittträger mit Hipsterbrillen und Jutesäckchen und verweigern so das gewohnte und tradierte Bild, dass die Rechten gefälligst in martialischer, Körperkonturen betonender Schlägerkleidung rumzubrüllen haben.
Mit diesen marodierenden politischen Mogelpackungen - zu denen in gewisser Weise auch die reaktionäre, aktionistische Tea Party gehört - hat das "Cultural Jamming", das Umdeuten von erwartbaren Codes, schon einen (im Sinne der Erfinder) traurigen Höhepunkt erreicht und sollte für progressive Subkulturen wenn nicht untragbar, so doch reichlich unattraktiver geworden sein.
"Erfolg ist, wenn auf einen Fehler weitere folgen, ohne dass die Begeisterung nachlässt." (Winston Churchill)
Diese Strategien als neu und bunt, unkonventionell und ungewöhnlich zu verkaufen, scheint nachgerade lächerlich. So macht es also zuerst wundern, dass "Beautiful Trouble" sich wie ein "How To"-Buch gibt, wie eine Anleitungsfibel für den phantasielosen Unzufriedenen, der doch einmal etwas anderes probieren könnte, etwas "Vergnügteres" als ödes "Wählen", "Demonstrieren" oder "Online-Petitionen-Anklicken". Als wäre es ein Akt von trendiger Hellsicht, konventionelle Partizipation für schnarchnasig und ewiggestrig zu erklären.
"Geschichten , an die geglaubt wird, neigen dazu, wahr zu werden." (George Orwell)
Aber so tut man dem Buch natürlich unrecht. Hinter dem "Lass uns mal was Lustiges machen"-Jugendzentrums- Motivierton verbergen sich nützliche Informationen über Formen der Organisation, über moralische und politische Prinzipien, rechtliche Rahmenbedingungen und kalkulierbare Risiken all des Guerilla-Spaßes. Es werden - wenn auch wieder in der Kinderhäppchenversion - Theorien von Antonio Gramsci, Naomi Klein, De Certeau oder Guy Debord skizziert, es wird an direkte, bei uns doch nicht so bekannte historische Gruppen und Aktionen erinnert, an Cindy Sheehan, die vor George Bushs Ranch kampierte, an die Ruckus Society und, nicht zuletzt, die Helden der Bewegung, die Yes Men, die auch selbst als Autoren an dem Reader mitgewirkt haben.
beautifultrouble.org
beautifultrouble.org
Beautifultrouble.org
Dazu kommt, dass das recht knapp und oberflächlich dasitzende Büchlein in Wahrheit auf den Schultern einer riesigen Website, Artikel- und Linksammlung sitzt, die den Eindruck stärkt, den man schon mitgebracht hatte: Die vielen süßen kleinen Anleitungen zum Ungehorsam ergeben so ein großes Bild des sozialen Widerstands und zeichnen es recht gut. Als historisches Dokument erweist sich "Beautiful Trouble" als umfassender und glaubwürdiger als die Pfadfinderanleitung, als die es sich auf den ersten Blick gibt.