Erstellt am: 25. 2. 2015 - 17:09 Uhr
Calling Occupants of Interplanetary Craft
Permanent Vacation
"Purposely Uncertain Field" von Lake People ist bei Permanent Vacation erschienen.
Lake People
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Wir nennen sie Weltraum-Musik, Science-Fiction-Musik, Alien-Musik, Zukunftsmusik. Sicherlich ein abgenutztes Klischee, wenn die Rede auf eine elektronische Musik kommt, die eventuell nicht immer bloß als Werkzeug für den Dancefloor funktionieren möchte, vielleicht etwas frei fließender angelegt ist und ko(s)misch knistert. Das Cover-Artwork des Debütalbums von Lake People zeigt ein imposantes Weltraumteleskop, ins All gerichtet, möglicherweise, um seltsame Signale zu empfangen.
Oder um ebensolche in die Unendlichkeit zu schicken, Begegnungen der fünften Art einzufangen. Bei dieser Platte passt das alte Bild aber schon ganz gut. Nicht, dass man die Zutaten und Bausteine, die der in Leipzig ansässige Produzent Martin Enke da mit seinem Soloprojekt Lake People auf dem Album namens "Purposely Uncertian Field" meisterlich verschraubt hat, in Varianten und Urformen noch nie irgendwo anders auf dieser Erde gehört hätte.
Brenda Magdalena Wald
Aus der Art und Weise, wie sich hier aber die Sounds umschmiegen, Glöckchenklänge, Beats, eisiges Klappern und Rasseln, auswattierte funky Bassmotive, kleine fluffige Wölkchen aus dem Synthesizer, sich umschwirren und aneinandergeschnitten sind, erwächst eine außerweltliche, eine merkwürdige, entgrenzte Musik; Musik aus den und für die ewigen Weiten.
Bislang hat Enke als Lake People einige feine und viel beachtete EPs veröffentlicht, auf denen die Göttinenmusik House die Grundierung lieferte, aber vom Künstler immer wieder recht weitläufig und ohne unbedingten Entertainmentzwang gedeutet wurde. Weich, smart, unaufgeregt, aufregend ohne Knalleffekt. Mit dem zu Tode gedudeltem Pophouse der letzten Jahre oder genormtem Berliner TechHouse hat das nichts zu tun.
Mit seinem Debütalbum hat sich Enke Zeit gelassen, die große Form zu stemmen, scheint ihm nun mühelos zu glücken. Wiederum ist auf "Purposely Uncertain Field" House ein tragendes Element: Das Album öffnet mit einer muskulösen, dabei unaufdringlichen Nummer, die am Anfang der Nacht sicherlich gut den Dancefloor aufwärmen könnte. Bei aller Schubkraft zielt das Stück jedoch nicht primär - wie auch das gesamte Album nicht - auf Ausgelassenheit ab.
Eher generieren hier Melancholie, Zerbrechlichkeit, Schlafwandlerei die Aura. Hypnagogic House, Hauntology Dance. Spukhafte Synthesizermelodien schlängeln sich durch die Platte. Aus dem Hintergrund, wie Echos aus einer fernen Vergangenheit, sind schemenhafte Field Recordings zu hören, Sind es Kinderstimmen? Sind es Tiergeräusche?
"Purposely Uncertain Field" von Lake People bezieht sich so auch ganz klar auf britische Elektronika der frühen und mittleren 1990er, immer wieder gerne IDM, Intelligent Dance Music, genannt, Musik wie sie beispielsweise von Menschen wie dem jungen Aphex Twin oder dem schottischen Duo Boards of Canada produziert worden ist. Kleinteilige Musik, in der es raschelt und knuspert, in der die Beats stolpern und purzeln. Süßliche Ambientflächen ziehen sich durch die Tracks. Vor allem für das erste Album des Aphex Twin, "Selected Ambient Works 85 - 92", scheint bei Lake People ein großes Herz zu schlagen. Auch auf "Purposely Uncertain Field" schieben sich immer wieder gar liebliche Motive in die Tracks, sie müssen wohl auf bislang nicht erfundenen Flöten-, Quietsch- und Spinett-Instrumenten eingespielt worden sein.
Zwischen an House und Techno orientierten Stücken gibt es kleine, knappe Interludes, in denen es blubbert und wabert und rauscht, die aber keineswegs bloß als Filler fungieren, sondern die Platte zusammenhalten und auch für sich genommen schlicht wundersame Miniaturen elektronischer Popmusik sind. Anderswo ist auf "Purposely Uncertain Field" doch auch Platz für forschere Gangart, für Exkursionen Richtung Electro und Acid, jedoch feinstofflich gedrechselt und ausgefeilt, etwa im Stück "Illuminated".
Das alles ist vielseitig und abenteuerlich, wirkt dabei nicht wahllos zusammengestückelt. "Purposely Uncertain Field" gleitet und vibriert in ganze eigener Tonlage. Flauschig und scharfkantig, zärtlich, rasant, kraftvoll und sensibel. Elf Tracks, sechzig Minuten Musik ungeklärter Herkunft bzw. Musik, die nicht hoffnungslos eine Zukunft postuliert, sondern dieses nebulöse Gefühl der sogenannten Zeitlosigkeit dadurch gewinnt, dass sie so klingt, als müsse sie schon immer existiert haben.