Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Wednesday Edition, 25-02-15. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

25. 2. 2015 - 19:13

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 25-02-15.

Rein atmosphärisch. Sieben Fußball-Randnotizen aus Österreich.

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

1: Stichwort Autokratie

Die Reaktionen auf die FIFA-Bekanntgabe zur Winter-WM in Katar sind - in Österreich - deutlich gelassener als etwa in den Ländern der großen Ligen. Das hat zum einen damit zu tun, dass man deutlich weniger zu verlieren hat (und mit Anweisungen, Vergütungen, Reperationszahlungen des Weltverbands rechnet) und zum anderen damit, dass sich bis 2022 noch einiges tun kann. Ein Umsturz an der FIFA-Spitze etwa (Sepp Blatter ist 2020 84 Jahre alt, wird also kein Player mehr sein), oder doch noch eine Neuvergabe in ein Land, dass den globalen Matchkalender einhalten kann.

Dazu gehörte aber auch eine entsprechende Vorarbeit beim nächsten Treffen des europäischen Verbandes. Und der hält seinen UEFA-Kongress ab 22. März in Wien ab. Erwartet wird eine Bestätigung von Präsident Platini; erhofft wird eine Einigung auf einen Gegenkandidaten zu Blatter - egal ob Figo, der Holländer oder jordanische Prinz unterstützt wird. Zerfranst man sich bereits im Vorfeld, wird Blatter einen Freifahrschein für eine weitere Periode bekommen.

Siehe dazu auch Tom Schaffers Analyse auf derstandard.at

Ich sehe noch einen weiteren Knackpunkt für die Katar-WM: da sich für die olympischen Winterspiele '22 nur Kasachstan und China beworben haben, würde das Jahr als das in die Sportgeschichte eingehen, in dem die autokratischen Diktaturen endgültig übernommen haben - weil Sport für diese Regimes die Propaganda-Funktion von '36/Deutschland hat. Vielleicht ist derlei 2022 in einem ebenso teilautoritären Europa kein Thema mehr; viel eher wahrscheinlich ist aber eine deutlichere Abgrenzung der westlichen Nationen; und eine Nicht-Teilnahme.

2: Stichwort Alte Schule

Einschätzungen zur internationalen Sportpolitik gab heute früh auch ÖFB-Generaldirektor Alfred Ludwig anlässlich einer Bilanz-PK des Verbands. Ludwig gilt seit den frühen 80ern als starker Mann eines spät professionalisierten Verbands, definierte den hemdsärmeligen Wirtshaus-Stil, den der ÖFB bis vor kurzem an den Tag legte, deutlich mit, füllt seine Rolle aber mittlerweile mit deutlich weniger Einmischung ins Tagesgeschäft aus. Ein Gewinn für alle Beteiligte. Die Rolle als Manager des aufkeimenden Erfolgs der Nationalmannschaft, die als Erklärer globaler Zusammenhänge und Problemzonen steht Ludwig deutlich besser als die des Machtverschiebers im engen lokalen Rangierbahnhof.

3: Stichwort Neue Schule

Die modernen Gegenstücke zum alten Machtpolitiker Ludwig sind die beiden Geschäftsführer der Bundesliga, Herovits und Ebenbauer. Auch ihnen ist ein Präsident aus der Hemdsärmel-Abteilung der ehrenamtlichen Lokalkaiser beigestellt (Rinner equals Windtner), auch sie verstehen sich eher als Manager des möglichen, denn als Umverteiler von Seilschafts-Machteinheiten.
Vor allem Christian Ebenbauers öffentliche Auftritte - wie sein kurzes Intro bei der Kick-Off-Veranstaltung zum Start der Ersten Liga - sind von einer zeitgemäßen Weltgewandt- und Offenheit, dass sich die entsetzliche Tradition des Fremdschämens, die bei der älteren Generation der Fußball-Funktionäre (und auch bei einem Gutteil der von ihnen erzogenen Nachrücker) immer noch allzu gegenwärtig ist, deutlich rückläufig gestaltet.

Zwar ist auch bei Ebenbauer/Herovits klar, dass sie dir ihr Produkt (den Liga-Fußball) als viel besser verkaufen wollen, als er ist - der Duktus des offensichtlichen Für-Blöd-Verkaufens, der selbst einen so guten Mann wie ihrem Vorgänger Georg Pangl (der sich mittlerweile auch international profiliert hat) nicht auszutreiben war, ist jedoch verschwunden.

4: Stichwort Transferlüge

Bei der nämlichen Präsentation (in den Sky-Studios am Auhof; dem Beleg dafür, dass man Fernsehen auch aus dem Container machen kann) profitierte Ebenbauer auch vom krassen Gegensatz zu 1.Liga-Vorstand Fuchs vom KSV (auch einer aus der recht alten Schule).
Der ließ sich auch durch eine ganz seltsame, vorbereitete Frage zum Thema "Ausbildungsliga" ins Bockshorn jagen. Neun Transfers im Winterfenster von der Ersten Liga in Richtung Bundesliga waren Grund für eine euphorische Abfeierung. Diese Angaben halten einer Überprüfung aber nicht stand: zum einen sind da wohl beendete und neue Leihen, zum anderen letztlich nur interne Verschiebungen der Red Bull-Vereine miteingerechnet. Effektive Transfers gab es so also nur vier: zwei (definitiv nicht hierzulande ausgebildete) Legionäre fanden den Weg nach oben (Edomwongie und Ronivaldo) ebenso wie zwei St. Pöltner, nämlich Kerschbaumer und Hofbauer, die es nach Neustadt und zur Admira verschlug.

Letztlich sind es also nur diese zwei, die man seriös und guten Gewissens zählen kann. Und beide verdanken ihre Promotion keineswegs der Ersten Liga, sondern ihren Auftritten im Europacup, vor allem gegen den übermächtigen PSV Eindhoven. Seitdem stehen die beiden auf den Einkaufszetteln. Und nicht, weil sie in der Liga beachtet wurden.

Die Erste Liga selber hat also nicht neun, sondern keinen einzigen jungen Spieler nach oben gebracht; auch weil das Interesse der Bundesliga-Clubs schwach ausgeprägt und das Scouting der meisten Vereine verheerend ist.

5: Stichwort Stadionheimatsuche

Zum Thema Grödig ist schon alles gesagt. Das Thema Stadionsuche sei hier nur kurz erwähnt, weil es ein anderes Problemfeld öffnet.

Bei der Suche nach einem Ausweich-Stadion ist der Salzburger Dorfverein fündig geworden und will in Wals-Siezenheim (also beim großen Nachbarn Red Bull) oder in Ried spielen. Die Liga muss das noch genehmigen. In der Red Bull-Arena dürfte eigentlich nix mehr stattfinden, weil pro Stadion nur zwei Vereine gemeldet werden dürfen; dort ist man mit RBS und Liefering, das de facto (zumindest nach der selbstgedrehten Defintion der Liga) eigenständig ist, schon voll. Es ist zu erwarten, dass die Bundesliga, um nicht ihren Spielbetrieb zu gefährden und letztlich auch ihre bisherige halbgare Zugeständnispolitik bloßzustellen, eine Ausnahmegenehmigung erteilt; und das eigene Regulativ wieder einmal aufweicht und so dem nächsten potentiellen Sünder schon den entsprechenden Freibrief fürs Nichtkümmern ausstellt.

Die Grödig-Posse hat allerdings noch zwei Entwicklungen ins Rollen gebracht. Zum einen eine durchaus vorstellbare kalte Übernahme des nun wackelig dastehenden Vereins durch Red Bull, der mit der Finanzierung der neuen Rasenheizung schon ein erstes dickes Indiz hätte. Red Bull will mittelfristig Lieferings Spiele in Grödig abhalten, damit das große Stadion geschont wird. Am Ende dieser Entwicklung könnte die Erfüllung von Mateschitz Wunsch von gleich zwei Mannschaften in der Bundesliga stehen. Das geht mit zwei von Red Bull gesteuerten Vereinen (und Liefering ist trotz seiner Konstruktion Teil der Firma) nicht - mit einer de-facto-Übernahme von Grödig wär's kein Problem.

Zum zweiten ist die Aufweichung der Stadion-Regeln auch ein Präzedenzfall für den Rivalen Austria Salzburg, das ja auf der Suche nach Plätzen für größere Matches mit Sicherheitsbedarf ist, und sich vielleicht gar als dritten Mieter in Grödig bewerben könnte (oder die womöglich auch aufgehobene 100-Kilometer-Entfernungs-Regel beansprucht).

6: Stichwort Lizenzen

Grödigs Rütteln am Lizenz-Watschenbaum hat uns dran erinnert, dass bis Mitte März die Anträge aller, die im Profi-Fußball mitspielen wollen, erfolgen müssen.

Die Anträge der Tabellenführer Austria Salzburg (West), Austria Klagenfurt (Mitte) und des jüngst insolvenzabgewickelten Ritzing sind noch lückenhaft, ihre Konkurrenten Wattens bzw BW Linz (die halt noch von Platz 4 auf Platz 2 vorstoßen müssten) stehen da besser da. In der Ostliga werden die Vienna und Amstetten wohl auf Anträge verzichten (bei den Döblingern wären die Chancen schlecht), der aktuelle Dritte Parndorf wäre sicher dabei. Nur die Top 2 (ohne Amateur-Teams) sind aufstiegsberechtigt, das bedeutet dass womöglich die aus drei zweimachende Relegation wegfällt.

Die 20 Liga-Vereine sind jedoch, aus durchaus unterschiedlichen Gründen, keineswegs alle fürs nächste Jahr gesetzt. Top-Sorgenkind ist Kapfenberg, in der Ersten Liga ist sonst Konsolidierung angesagt, dafür in der Bundesliga Vorsicht angebracht, bis zu vier Vereine sind zumindest unter Beobachtung.

Wie jeden Jahr wird es einiges an Goodwill brauchen, um auf 20 Vereine zu kommen, die den Anforderungen des Profibetriebs entsprechen werden.

7: Stichwort Salzburg

An Salzburg und dem Abschneiden gegen Villarreal, bzw Red Bull, hängt dieser Tage nicht nur die internationale Teilnehmerzahl für die übernächste Saison. Salzburg ist auch der einzige existente Motor für die Entwicklung des heimischen Fußballs, auch weil andere nichts im Griff haben.

Trotz all der gewachsenen Bedeutung fehlt es bei der Fußball-Abteilung des Weltkonzerns immer noch am Bewusstsein für die Notwendigkeiten sich an die klassischen Riten des Fußballs und seiner Vereins-Traditionen zumindest anzunähern. Man kommt nicht aus der selbstgewählten Rolle des selbstgefälligen, seiner undurchsichtigen Politik verpflichteten Konzerns hinaus, sei es mit absurd-undurchsichtiger Personalpolitik oder mit widersprüchlichen Botschaften, was die kurz- bzw. mittelfristige Standortplanung betrifft. Vor allem das immer noch, nach bald zehn Jahren, grotesk naiv anmutende Unverständnis der grundsätzlichen Kritik gegenüber hat etwas Realitätsverweigerndes, das im krassen Gegensatz zu dem steht, was Red Bull als Marke darstellen will.