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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

25. 2. 2015 - 14:34

Die Suche nach dem "österreichischen" Islam

Aufregung, Verwirrung und Begeisterung über das neue Islamgesetz.

Der Islam gehört zu Österreich, zumindest rechtlich gesehen. Seit mehr als einem Jahrhundert gibt es in Österreich ein Islamgesetz. In den letzten drei Jahren haben Regierung und die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) eine Reform verhandelt. Das Gesetz ist mittlerweile zum Prestigeprojekt von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz geworden und soll Rechte und Pflichten der MuslimInnen neu definieren. Zu den Rechten gehören beispielsweise Seelsorge, eigene Feiertage und Friedhöfe, die aber bereits jetzt mit Abkommen gesichert sind. Diskutiert wird deshalb hauptsächlich über die neuen Pflichten wie dem Verbot der Auslandsfinanzierung, dem expliziten Hinweis, dass das österreichische Recht Vorrang hat und die Möglichkeit, "radikale" Vereine aufzulösen. Dafür gibt es Kritik von allen Seiten, aber auch Zustimmung und sogar Begeisterung.

Moslem in Wien

APA/HANS KLAUS TECHT

Kritik aus dem Parlament

Die FPÖ fordert erwartungsgemäß ein Gesetz mit mehr Pflichten und weniger Rechten. Das Islamgesetz soll ein klares Signal gegen Extremismus setzen. In derzeitiger Form könnten "kulturfremde Verhaltensmuster" weitergegeben werden, sagt H.C. Strache und fordert ein Minarett- und Burkaverbot. Die Grünen hingegen sehen einen Generalverdacht gegenüber den MuslimInnen und weisen gleichzeitig auf die Umgehungsmöglichkeiten bei der Auslandsfinanzierung hin. Team Stronach ist auch gegen das Gesetz, weil die Auslandsfinanzierung trotz Verbots über Alternativen wie Stiftungen möglich sei.

Lautstark kritisiert Niko Alm von den NEOS das Gesetz. Das Islamgesetz festige die Ungleichheit und würde die Laizität des Staates untergraben. Die Praxis, anerkannte Religionen mit einem eigenen Gesetz auszustatten, würde sowohl innerhalb der Religionen die Ungleichbehandlung verstärken, als auch nichtreligiöse Weltansichten ausschließen. Außerdem warnt er davor, dass das Gesetz politisch instrumentalisiert wird und fordert ein allgemeines Gesetz für alle Religionen.

Ein überraschendes Ja

Die IGGiÖ gilt als offizielle Vertretung der MuslimInnen in Österreich und macht sich Wahrung und Pflege der Religion zur Aufgabe. Es wird kritisiert, dass die IGGiÖ nicht alle MuslimInnen ausreichend repräsentiert. Die Aleviten haben seit 2010 ihre eigene anerkannte Gemeinschaft.

Die alevetische Glaubensgemeinschaft begrüßt das neue Gesetz und sieht einen Meilenstein für das Alevitentum in Österreich. Weitgehend einig sind sich auch die Koalitonsparteien. In der Öffentlichkeit verteidigen Sebastian Kurz und Kultusminister Josef Ostermayer das neue Gesetz. Vor allem Kurz ist im vergangen Jahr immer wieder mit Forderungen nach einem "Einheitskoran" und dem Wunsch eines von ausländischen Einflüssen befreiten Islams aufgefallen. Das verstörte die muslimische Basis und nach der Kritik von Ostermayer wurde die Idee des "Einheitskorans" letztendlich fallengelassen.

Fuat Sanac von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

APA/GEORG HOCHMUTH

Fuat Sanac

Lange Zeit schien es so, als würde die IGGiÖ das Gesetz in dieser Form nicht akzeptieren. Vor allem gegenüber türkischsprachigen Medien in Österreich versicherte IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac, dass alles unter Kontrolle sei und dass es auch in den von muslimischer Perspektive aus umstrittenen Punkten wie dem Verbot der Auslandsfinanzierung Verbesserungen geben werde. Umso größer war die Überraschung, als das entscheidungstragende Gremium, der Schurarat, dem Gesetz mit Bedenken zustimmte. Die Stellungnahme des Schurarats wurde von Fuat Sanac auf der Webseite der IGGiÖ veröffentlicht. Ein paar Tage später tauchte eine andere Stellungnahme des Schurarats auf, auf aus der eine Ablehnung hervorgeht.

Verwirrung und Empörung

Von Anfang an waren es vor allem die jüngeren Generationen österreichischer MuslimInnen, die scharfe Kritik am Gesetz ausübten und kleine, unabhängige Gemeinden, die sich vor einer Zwangseinverleibung in die IGGiÖ fürchten. Sanac reagierte auf die Kritik mit der Behauptung, dass hinter der Muslmischen Jugend (MJÖ) alte Männer mit Bart stecken.

Tatsächlich offenbart die Diskussion über das Islamgesetz einen Generationenkonflikt in der muslimischen Community. Während sich Sanac über die türkischsprachigen Medien vor allem an die Älteren wendet, versuchen die Jungen mit Demos, Flashmobs und Pressekonferenz in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu bekommen. Mittlerweile richtet sich ihre Kritik nicht nur gegen die Regierung, sondern gegen die IGGiÖ. Die Strukturen seien veraltet und die Kommunikation mit der Basis sei mangelhaft.

Kundgebung zum Islamgesetz vor dem Parlament

APA/HERBERT NEUBAUER

Protestkundgebung vor dem Parlament zum geplanten Islamgesetz am Dienstag

Skeptischer Blick in die Zukunft

Neben der MJÖ lehnt auch das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft das Gesetz ab. Sie kündigten an, dass sie vor dem Verfassungsgericht klagen werden. Vorsichtige Kritik üben mittlerweile auch große Verbände wie die ATIB aus. Sie betreibt Moscheen in ganz Österreich und sieht sich von den gesetzlichen Änderungen "massiv betroffen". Internationale Kritik kommt von der OSZE, die insbesondere Lockerungen für die Anerkennungsbedingungen fordert.

Die Debatte über das Islamgesetz kommt zu einer denkbar schlechten Zeit, in der MuslimInnen in Europa immer mehr mit anti-muslimischem Rassismus konfrontiert werden. Insofern ist es nicht überraschend, dass die jüngeren Generationen im Gesetz eine Ungleichbehandlung und Repression sehen, die in Zukunft zunehmen könnte. Nicht nur in Österreich, sondern in Europa macht das Islamgesetz den MuslimInnen Sorge, denn besonders die ÖVP betont die europaweite Vorreiterrolle Österreichs. Das Gesetz soll heute beschlossen werden, aber die Auswirkungen auf die muslimische Community werden sich wohl erst in den nächsten Jahren zeigen.